Roy Makaay wechselte 2003 als Gewinner des Goldenen Schuhs für den besten Torjäger Europas zum FC Bayern. In seinen vier Jahren in München erzielte er 103 Tore in 183 Pflichtspielen und feierte dort sowohl 2005 als auch 2006 das Double aus Pokalsieg und Meisterschaft, ehe er 2007 zu Feyernoord Rotterdam in sein Heimatland zurückkehrte. Nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn blieb er dem Club treu und startete dort seine Laufbahn als Trainer. Zuletzt pendelte Makaay zwischen seinem Wohnort in Rotterdam und München, wo er die FC Bayern World Squad, eine internationale U19-Auswahl des Rekordmeisters, betreute. Vor dem Aufeinandertreffen seiner beiden Ex-Vereine am Mittwoch in der Champions League sprach Makaay über die Ausgangslage, die Bedeutung von Jugendarbeit und die Kraft eines Stadions.
Roy Makaay über Feyenoord Rotterdam vs. FC Bayern
Schon bei seiner Fertigstellung im Jahr 1937 war das Stadion Feijenoord im gleichnamigen Stadtteil von Rotterdam etwas Besonderes. Als erstes Stadion auf dem europäischen Festland wurde es mit zwei frei hängenden Tribünen gebaut, ganz ohne Pfeiler, die die Sicht versperren könnten. Steile Ränge, Fans direkt am Spielfeld: Die besondere Atmosphäre in der besser als De Kuip – zu Deutsch: die Wanne – bekannten Arena bildete schon den Rahmen für das Endspiel der Europameisterschaft 2000 und die Rekordzahl von neun Europapokal-Endspielen. De Kuip ist legendär – und auch nach fast 90 Jahren als Heimat von Feyenoord Rotterdam ein immenser Faktor für den Club aus der niederländischen Hafenstadt.
Welche Kraft das Rotterdamer Stadion entwickeln kann, hat Roy Makaay als Spieler bei Feyenoord oft erlebt: „Ich kann mich an ein Spiel aus meiner Zeit erinnern gegen Twente Enschede. Da wurden wir eine Dreiviertelstunde hergespielt“, erzählt der frühere Bayern-Torjäger. Ein Foulspiel sorgte dann für eine Rudelbildung auf dem Platz – und war die Initialzündung für die bis dahin eher ruhigen Zuschauer auf den Rängen. „Auf einmal stehen wieder 50.000 Leute hinter dir. Wir haben das Spiel am Ende gedreht, weil wir das Publikum wieder ins Spiel gebracht haben“, sagt Makaay und erwähnt eine Lektion, die so mancher Gegner im De Kuip erlernen musste: „Wenn man das Publikum ruhig hat, muss man auch dafür sorgen, dass es so bleibt.“
„Wenn man das Publikum ruhig hat, muss man auch dafür sorgen, dass es so bleibt.”
Roy Makaay über Auswärtsspiele im De Kuip
Als Nächstes wird nun der FC Bayern am Mittwoch seine Erfahrungen mit dem Stadion machen können. „Hier in Rotterdam kann alles passieren, mit den Fans dahinter kann es ein schwieriger Abend werden. Es kann hier richtig abgehen“, warnt Makaay. Aber wenn Bayern früh einen Vorsprung herausspielt, werde es wahrscheinlich ein bisschen ruhiger im Stadion. Zumal der 49-Jährige die Vorzeichen vor Anpfiff trotz Feyenoords Heimvorteils klar zugunsten der Gäste sieht: „Wenn man die beiden Kader vergleicht, auch wie die Bayern bislang gespielt haben, gehen sie natürlich als Favorit ins Spiel.“
Was aber nicht heißen soll, dass es einfach wird. Die Mannschaft von Brian Priske liegt in der Tabelle mit zehn Punkten in Schlagdistanz zu den Münchnern (12 Punkte) und hat bereits bewiesen, dass sie vermeintlich größere Clubs ärgern kann. Ende November entführte Feyernoord einen Punkt bei Manchester City (3:3) – trotz zwischenzeitlichem 0:3-Rückstand. „City hat ein bisschen die Geschenke ausgepackt. Aber Feyenoord hat auch in Spanien beim FC Girona (3:2, Anm. d. Red.) gewonnen. Das zeigt schon, dass es eine gute Mannschaft ist“, so Makaay. Dazu sind die Niederländer immer für einen Treffer gut – mit 14 Toren stellen sie immerhin die viertbeste Offensive im laufenden Wettbewerb.
Guter Mix im Team
„Vorne haben sie Qualität“, erklärt Makaay und hebt den guten Mix aus erfahrenen Spielern und jungen Talenten im Team hervor. Der Mexikaner Santiago Giménez (23) sei ein Stümer, „der einfache Tore macht“, die Flügelflitzer Igor Paixão (24) und Anis Hadj Moussa (22) sorgen auf der Außenbahn für Geschwindigkeit. Dazu kommt noch das 19-jährige Sturmjuwel Antoni Milambo, das in dieser Saison schon dreimal in der Königsklasse getroffen hat. „Bei jungen Spielern geht es natürlich mal rauf und runter“, sagt Makaay, aber insbesondere bei Rotterdams 3:1-Erfolg bei Benfica Lissabon Ende Oktober habe der Youngster „überragend gespielt“. Abgesichert wird die Offensive von der routinierten Innenverteidigung um Gernot Trauner (32) und Dávid Hancko (27). Vor allem der Slowake Hancko wecke mit seinen starken Leistungen das Interesse bei vielen Vereinen im Ausland, so Makaay.
Gegen den FCB werde Rotterdam seine offensive Ausrichtung nach Makaays Einschätzung aber wohl anpassen müssen. „Feyenoord hat gerne den Ball, aber wie das dann gegen das hohe Pressing aussieht, das Vincent Kompany bei Bayern etabliert hat, bin ich gespannt“. Die Hausherren werden daher eher versuchen, auf Konter zu spielen, dann „muss Bayern auf die Umschaltmomente aufpassen“, vermutet Makaay. Vor allem da Rotterdam mit deutlich weniger Druck in die Partie gehen wird als der Kontrahent aus München. Kurioserweise lief es für die Niederländer in dieser Saison abseits von De Kuip besser als zu Hause. Nach zwei Heimpleiten gegen Leverkusen (0:4) und Salzburg (1:3) gelang Feyenoord zuletzt gegen Slavia Prag (4:2) aber ein „sehr wichtiger Sieg“, sagt Makaay: Dieser hat „etwas für Entspannung gesorgt“. Mit zehn Punkten werde Rotterdam am Ende der Ligaphase wahrscheinlich unter den ersten 24 landen. Niemand erwarte, dass Feyenoord es noch in die Top Acht schaffen wird, während die Bayern dagegen unbedingt die Zwischenrunde vermeiden wollen.
„Ajax hat vielleicht die meisten Titel gewonnen, aber Feyenoord waren 1970 die Ersten.”
Roy Makaay zur Rivalität mit Ajax Amsterdam
So werden aktuell schon wieder Stimmen in der Presse lauter, der Club aus Rotterdam solle nun erst einmal alle Konzentration auf die heimische Eredivisie richten. Bis auf wenige Ausnahmen machten dort immer die drei großen Vereine der Niederlande, Ajax Amsterdam, PSV Eindhoven und eben Feyenoord, die Meisterschaft unter sich aus. In diesem Jahr hat Rotterdam aber den Anschluss an die Spitzenteams verloren, einer der ersten beiden Plätze, die zur direkten Teilnahme an der Champions League berechtigen, ist aktuell in weite Ferne gerückt. „Wenn man das nicht schafft, dann ist das natürlich ein großer Unterschied vom Geld her“, weiß Makaay. Dazu schmerzt besonders, aktuell wieder hinter dem Intimfeind aus der Hauptstadt zu liegen. Die Rivalität zwischen Ajax und Feyenoord sei vergleichbar mit der legendären Feindschaft zwischen Boca Juniors und River Plate in Argentinien. Nach schweren Ausschreitungen in der Vergangenheit sind beim Klassieker in den Niederlanden, dem direkten Duell der beiden Teams, schon seit Jahren keine Auswärtsfans mehr zugelassen.
Erster niederländischer Sieger im Landesmeistercup
Diese Rivalität zeigt sich auch beim Blick auf die eigene Club-Geschichte. Dass vor Feyenoord keine niederländische Mannschaft den Europapokal der Landesmeister gewinnen konnte, trägt zum Stolz des Vereins bei. „Ajax hat vielleicht die meisten Titel gewonnen, aber Feyenoord waren 1970 die Ersten“, betont Makaay. Die Helden von damals werden daher heute noch gefeiert: „Ove Kindvall als Stümer, Wim Jansen, Coen Moulijn, der eine eigene Statue vor dem Stadion hat oder Willem van Hanegem, einer der Größten, den es jemals hier in Holland gegeben hat – diese Mannschaft wird hier nie vergessen“, so Makaay. Gleiches gelte natürlich auch für die UEFA-Cup-Siegerteams von 1974 sowie von 2002, als Rotterdam die Trophäe gegen Borussia Dortmund sogar im eigenen Stadion gewann.
Die großen Erfolge liegen aber schon ein paar Jahre zurück und der niederländische Fußball hat insgesamt an Konkurrenzfähigkeit auf europäischer Bühne eingebüßt. „Es gibt hier nicht so viel Geld wie in anderen Ländern. Hier muss man ein bisschen kreativer sein“, weiß Makaay. Die Jugendarbeit sei in der Niederlande daher sehr wichtig, um gute Spieler für das eigene Team auszubilden und später gewinnbringend zu verkaufen. Dass dies immer wieder bedeutet, den Abgang von Leistungsträgern kompensieren zu müssen, gehört dazu. So wechselte der Kapitän der 2023-Meistermannschaft, Orkun Kökçü, im Jahr darauf für „viel Geld“ zu Benfica. Vor der laufenden Saison verließen Mats Wieffer und Kapitän Lutsharel Geertruida, die es beide aus der Feyernoord-Jugend bis in die niederländische Elftal geschafft hatten, den Club gen England beziehungsweise Leipzig. Es werden wohl nicht die letzten gewesen sein.
Die Liste der Spieler, die aus der Rotterdamer Jugend eine Weltkarriere gestartet haben, ist ebenso lang wie prominent: Zu nennen wären etwa Robin Van Persie, Georginio Wijnaldum oder auch Giovanni van Bronckhorst, Makaays Freund und die „vielleicht schönste Geschichte“ dieser Art aus Sicht des ehemaligen Bayern-Profis. Van Bronckhorst fing mit acht Jahren bei Feyenoord an und schaffte es in die erste Mannschaft. Nach mehreren Jahren im Ausland, unter anderem dem Champions League-Sieg mit Barcelona, beendete er seine Karriere bei seinem Jugendclub, wurde dort Trainer und erlöste Feyernoord 2017 nach 18-jähriger Leidenszeit mit dem Gewinn der Meisterschaft – gemeinsam mit dem Co-Trainer Roy Makaay.
Es war nicht der einzige Titel, den der frühere Ausnahmestürmer in seiner Zeit in Rotterdam gewonnen hat. In seinem ersten Jahr als Profi dort erreichte Feyenoord das Finale im KNVB-Pokal. Das ist ein weiterer Vorteil am De Kuip: Was das Berliner Olympiastadion für den DFB-Pokal ist, ist Feyenoords Stadion für sein niederländisches Pendant: in jedem Jahr Endspielort des nationalen Pokalwettbewerbs. „Es ist immer wunderschön, ein Pokalfinale zu spielen. Und wenn man es dann noch im eigenen Stadion spielt, ist es umso schöner“, sagt Makaay, der sich damals gerade von einem Bänderriss erholt hatte und beim 2:0 im Endspiel gegen Roda Kerkrade daher nur als Einwechselspieler fungierte. Seinen Anteil am Pokalsieg hatte er aber dennoch: „Ich war am Ende trotzdem Torschützenkönig des Pokalturniers“, sagt Makaay und ergänzt. „Torschützenkönig zu werden, ist schön, aber man will natürlich lieber Titel mit der Mannschaft gewinnen.“
Am Mittwoch wird Roy Makaay also wieder in dieses für ihn so besondere Stadion zurückkehren. Die Vorfreude auf das Duell seiner Herzensvereine ist groß. „Das war schon bei der Auslosung so“, sagt er. Bleibt nur die Frage, wem er denn die Daumen drücken wird. „Das ist einfach“, meint Makaay: „Wenn man für beide gespielt hat, dann kann man eigentlich nicht verlieren.“
Makaay zu Gast im Webradio
Ihr wollt noch mehr Einschätzungen unseres Experten zum Spiel in Rotterdam hören? Am Mittwoch wird Roy Makaay Halbzeitgast in unserem kostenlosen Webradio sein und seine Eindrücke zum Spiel schildern. Schaltet ein!
Den Nachbericht zur erfolgreichen CL-Generalprobe gegen den VfL Wolfsburg am Samstag lest Ihr hier:
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