
Der Fußball schreibt seine eigenen Geschichten. Okay, ein paar Euro wandern ins Phrasenschwein. Aber: Dass es an diesem herrlichen Abend im SAP Garden in München zu diesem Moment kommt, konnte man sich nicht ausdenken! Es lief die zweite Halbzeit des Halbfinals im „Beckenbauer Cup“ zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund, als Arjen Robben vor Roman Weidenfeller an den Ball kam, die Kugel mit links am BVB-Keeper vorbei legte - und zum 2:1 im Champions League-Finale ins Tor schoss! Wobei, vergesst den letzten Teil, da schwang zu viel Nostalgie mit, aber was stimmt: Es war ein absolutes Déjà-vu, denn Robben traf im Legenden-Turnier zu Ehren Franz Beckenbauers tatsächlich zum 1:0 und jubelte im hitzigen Spiel anschließend frenetisch. Jubel-Arjen sozusagen. Bayern-Herz, was willst du mehr!
Doch der Reihe nach: Dass dieser Abend ein besonderer werden könnte, wurde schon vor dem Anstoß beim „Beckenbauer Cup“ klar. Die über 9.000 Zuschauenden im restlos ausverkauften SAP Garden sorgten beim legendären Song „Gute Freunde kann niemand trennen“ von Franz Beckenbauer und der neuen Stadionhyme des FC Bayern bereits vor dem Start für Gänsehaut. „Das ist eine tolle Bühne für Franz und für unser 125-jähriges Jubiläum, es ist ein großartiger Tag heute. Wir denken an Franz und feiern heute ein Fußball-Fest“, sagte der FCB-Vorstandsvorsitzende Jan-Christian Dreesen, bevor er zu Beginn des Turniers eine Schweigeminute zu Ehren des in der vergangenen Woche verstorbenen ehemaligen FCB-Präsidenten Fritz Scherer ankündigte.
Nach der anschließenden Lichtershow - zu Ehren einer Lichtgestalt - im Rund der faszinierenden Halle dann der vorläufige Höhepunkt zum Start: Die Bayern-Mannschaft wurde vorgestellt - und die Lautstärke erreichte zum ersten Mal ein Niveau wie bei Toren in der Allianz Arena. Insbesondere als zwei Legenden den Kunstrasen betraten, die einst eine gefürchtete Flügelzange bildeten: Arjen Robben (41) und Franck Ribéry (41).

Die Rückkehr von Robbéry
Die Nostalgie war vielen Besuchern an diesem Montagabend ins Gesicht geschrieben, als sie auf dem riesigen Videowürfel eingeblendet wurden: Zum ersten Mal seit ihrem emotionalen Abschied im Mai 2019, der schlichtweg perfekt war mit der Meisterschaft im letzten Saisonspiel gegen Frankfurt und Toren von Rib und Rob, lief das kongeniale Duo wieder gemeinsam im Trikot ihres Herzensvereins auf. „Franz gehört zu Bayern, er ist der Kaiser. Wenn einer es verdient, dann Herr Beckenbauer. Das ist eine große Ehre für uns, dabei zu sein“, sagte Mr. Wembley Robben, der in den Pausen reichlich Autogramme schrieb, die Gegner bei ihren Spielen beobachtete oder sich mit Teamkollegen oder den gegnerischen Spielern austauschte. Publikumsliebling Ribéry, dessen bedingungslose Liebe für den deutschen Rekordmeister legendär ist, sagte über das Turnier: „Franz war eine große Persönlichkeit und hatte ein elegantes Auftreten. Er war sehr wichtig für Bayern und für den Fußball. Ich bin immer glücklich, Arjen zu sehen. Wir telefonieren immer mal wieder. Ich werde unsere Zeit nie vergessen, das bleibt das ganze Leben.“
So verwunderte es nicht, dass Ribéry nach dem ersten Turniertor überhaupt im Auftaktspiel gegen Ajax Amsterdam in den Armen des Niederländers feierte. Da ging den Bayern-Fans im SAP Garden und bei MagentaSport vor den Endgeräten das Herz auf! Wenn man Arjen Robben über den Abend weiter verfolgte, fiel eines ganz klar auf: Sein Ehrgeiz ist ungebrochen. „Ich dachte ehrlicherweise, dass manche Teams auch langsam machen. Aber es geht gut zur Sache. Aber wir machen es für Franz Beckenbauer und die Stiftung, das ist das Wichtigste.“ Robben & Co. mussten beispielsweise im letzten Gruppenspiel gegen Real Madrid - mit Iker Casillas, Pepe & Co. - um den Halbfinal-Einzug kämpfen, es ging hoch her. Da war Robbéry natürlich mittendrin. Nach zwei Ribéry-Assists und Toren von Mark van Bommel und Thomas Linke zogen die von Philipp Lahm trainierten Bayern-Legenden ins Halbfinale gegen den BVB ein. „Wir sind weiter, das ist das Wichtigste. Wenn man spielt, will man auch gewinnen. Es ist Wahnsinn, was das für eine tolle Veranstaltung ist“, sagte der ehemalige Aggressive Leader van Bommel. „Das kann nur Bayern München. Franz war der Kaiser und alle haben ihn geliebt.“
Der Cup aus Fan-Sicht

Und wie erlebten die Fans diesen einzigartigen Abend mit Rafinha, Claudio Pizarro & Co. im SAP Garden? Die Bayern-Fans Thomas und Luno wollten sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, das Legenden-Turnier in der neuen Halle im Münchner Olympiapark zu verfolgen. Ein besonderer Abend war es für Luno, der ehemalige Weltklasse-Spieler wie Lothar Matthäus und Giovane Élber, die weit vor seiner Zeit aktiv waren, live auf dem Platz sehen konnte. „Ich bin ja noch ein Kind und freue mich darauf, die älteren Spieler noch einmal aufblühen zu sehen“, sagte Luno vor dem Start.
Thomas war es ein großes Anliegen, dem „Kaiser“ die Ehre zu erweisen. Sportlich erhoffte er sich den einen oder anderen Geniestreich eines bestimmten Flügelduos - sein Wunsch wurde erfüllt. „Robben und Ribéry noch einmal zu sehen, ist ein Highlight. Das wird wahrscheinlich das letzte Mal sein, dass sie zusammen auflaufen“, sagte der Münchner, der seit 40 Jahren zum deutschen Rekordmeister hält. „Robben hat sich durch das Champions League-Finaltor unsterblich gemacht für den Verein.“ Auch Ribéry habe die Mannschaft über Jahre geprägt und den FCB-Fans nachhaltig viel Freude bereitet. „Sie haben über Jahre zusammen auf der rechten und linken Seite beeindruckt mit der Art und Weise, wie sie Fußball gespielt haben.“ Zudem bot der Legenden-Kick den beiden Bayern-Fans die Chance, den nagelneuen SAP Garden kennenzulernen – „im Rahmen eines solchen Turniers ist das natürlich eine gute Möglichkeit“, sagte Thomas.
„Eigentlich wäre ich um Urlaub gewesen, aber ich wollte unbedingt dabei sein. Ich habe Franz Beckenbauer viel zu verdanken. Heute geht es um Spaß und eine gute Sache. Der Franz schaut von oben zu und freut sich, dass so viele Leute da sind. Ich finde toll, dass der FC Bayern das für die Stiftung von Franz Beckenbauer macht. So viele ehemalige Spieler, nicht nur vom FC Bayern, nehmen sich heute Zeit, um einem der Größten im Fußball die Ehre zu erweisen und seine Geschichte fortzuschreiben – auch wenn er leider nicht mehr unter uns ist.”
Lothar Matthäus
Beide jubelten der Mannschaft zu, als sie im Halbfinale gegen die Legenden von Borussia Dortmund in einem Spiel auf Messers Schneide das bessere Ende für sich hatten. In einer kampfbetonten, abwechslungsreichen Partie hieß der Sieger am Ende FC Bayern - dank Toren von Robben und Diego Contento. Robben zum Sieg: „Es war schwierig, Dortmund hat einige jüngere Spieler. Die Fans machen Spaß und eine tolle Atmosphäre.“
Der Cup aus Schiedsrichterinnen-Sicht

Vor dem großen Finale zwischen dem FC Bayern und Real Madrid - dem europäischen Klassiker - sprachen wir mit jemandem, ohne die ein solches Kleinfeldturnier nicht durchzuführen wäre: die Referees, in diesem Fall Schiedsrichterin Kathrin Lehmann. Sie gehörte zur fünfköpfigen Schiedsrichtergruppe, die die Begegnungen des Cups leitete. Die ehemalige Torhüterin der FC Bayern Frauen und Wahlmünchnerin pfeift normalerweise A-Klassen-Spiele – heute teilte sie das Feld mit Legenden wie Lothar Matthäus oder Pepe. „Es ist schon ein cooles Gefühl, wenn man mit solchen Weltstars auf dem Platz steht“, sagte sie: „Natürlich war ich ein bisschen nervös.“
Vor allem Robben und Ribéry hätten ihr imponiert, „wie sie das Spiel beherrschen – aber auch, wie verspielt sie noch sind“, schmunzelte die gebürtige Züricherin, die zwischen Rasen und Eis pendelt: Normalerweise ordnet die 45-Jährige als Expertin im Schweizer Fernsehen das Fußballgeschehen ein und ist zudem beim ESC Planegg in der Eishockey-Bundesliga der Frauen aktiv. Am Montagabend erlebte sie die Duelle im SAP Garden hautnah mit. „Man sieht, wer noch ehrgeizig ist“, sagte Lehmann, „ein Robben ist nach wie vor sehr ehrgeizig.“ Bevor die Schiedsrichterin vom SAP Garden wieder auf die Amateurplätze Münchens wechseln wird, genoss sie die Atmosphäre in der ausverkauften Halle sichtlich. „Der Beckenbauer Cup ist etwas sehr Ehrenhaftes und unglaublich Spezielles“. Natürlich will sie Familie und Freunden von diesem besonderen Erlebnis erzählen – und allen, die gerne Schiedsrichterin oder Schiedsrichter werden möchten. „Das sind Highlights, die auch jungen Leuten zeigen: Es ist cool, Schiri zu sein.“

Das große Finale
Lehmann leitete anschließend das kleine Finale zwischen Stuttgart und dem BVB (2:1), bevor das Highlight-Spiel des Abends folgte: Der Bayern-Hit „Stern des Südens“ leitete es ein - das große Finale. Bayern München gegen Real Madrid. Quasi ein kleines „Finale dahoam“ für den FC Bayern. Die Partie wurde zu einer Machtdemonstration der FCB-Legenden, die nach Toren von Giovane Élber (zwei), van Bommel und Rafinha mit 4:0 die Oberhand behielten und den erstmalig und einmalig ausgetragenen „Beckenbauer Cup“ souverän gewannen. „Es war ein unheimlich toller Abend mit einer fantastischen Stimmung. Wir haben hochwertige Spiele gesehen, am Ende hat die beste Mannschaft gewonnen. Wichtig war vor allem, dass es den Fans gefallen hat. Es sind alle happy und total begeistert“, sagte FC Bayern-Präsident Herbert Hainer am Ende der Veranstaltung, bevor er einen Spendenscheck an die „Franz Beckenbauer Stiftung“ übergab.

Was von diesem Abend bleibt, sind unzählige Momente, die Franz Beckenbauer gefallen hätten. Die europäische Fußball-Elite kam in München zusammen - und bedankte sich. „Es bedeutet uns viel, zu Ehren von Franz Beckenbauer hier zu sein. Ich bin stolz, ein Teil davon zu sein und freue mich, dass so viele tolle Spieler gekommen sind“, sagte etwa Real Madrids Iker Casillas, während Verteidiger Pepe hinzufügte: „Es war eine unglaubliche Atmosphäre. Franz Beckenbauer hat genau das alles verdient, er ist eine große Legende.“
Casillas wurde am Ende als Torhüter des Turniers geehrt und Kevin Großkreutz vom BVB holte sich mit vier Treffern die Torjäger-Trophäe, bevor die FCB-Legends den Siegerpokal in die Luft reckten. Aber da war dann noch eine Auszeichnung offen: der Spieler des Turniers. Der Mann mit der Nummer 10 des FC Bayern nahm den Preis unter tosendem Applaus entgegen, lächelte zurückhaltend, nachdem er auf dem Platz mal wieder brilliert hatte. Wie in besten Zeiten. Doch er wäre nicht Arjen Robben, wenn er diesen individuellen Moment nicht mit seinem Team - und Kumpel Ribéry - teilen wollte. „Diese Auszeichnung teilen wir uns“, sagte er zum Abschluss ins Mikro in Richtung des Franzosen. Wieder so ein Moment für die Bayern-Seele.
Am Ende eines einzigartigen und unvergesslichen Abends im Zeichen von Franz Beckenbauer gingen die Fans überglücklich nach Hause. Und so schloss FCB-Präsident Herbert Hainer mit den Worten: „Ich bin sicher, dass Franz zugeguckt hat. Das hätte ihm gefallen. Franz hat die Menschen immer zusammengebracht. Sein Credo war: 'Fußball verbindet die Menschen auf der ganzen Welt auf eine friedfertige Weise.' Das war heute absolut der Fall.“
Der ausführliche Spielbericht zum Beckenbauer Cup:
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