
Die laufende Saison des 1. FC Union Berlin gleicht einer Achterbahnfahrt: Wilde und umkämpfte Spiele wechseln sich ab mit torarmen Begegnungen. Trainer Steffen Baumgart hat die Mannschaft frühzeitig stabilisiert, setzt wieder auf eine kompakte Dreier- oder Fünferkette und baut auf physische Präsenz, Disziplin sowie schnelles Umschaltspiel. Vor dem Bundesliga-Duell mit dem FC Bayern am Samstag (15:30 Uhr) werfen wir einen Blick auf die aktuelle Form und die taktische Ausrichtung der Köpenicker – von der Defensive über das Mittelfeld bis zum Angriff.
Ein Überblick über Ergebnisse und Formstärke
Für die Fans der Eisernen gab es in der laufenden Saison bislang viel Aufs und Abs. Drei Siege, zwei Remis und vier Niederlagen stehen zu Buche, zwei Ligaerfolge am Stück gelangen der Baumgart-Elf bislang nicht. Gegen die zu diesem Zeitpunkt schwächelnden Gladbacher (3:1) gewannen die Berliner zwar, dann unterlagen sie jedoch denkbar knapp bei Werder Bremen (0:1). Im DFB-Pokal erreichte die Mannschaft um Kapitän Christopher Trimmel dank eines 2:1-Erfolgs nach Verlängerung gegen Arminia Bielefeld mit Ach und Krach das Achtelfinale, wirklich richtungsweisend war auch die Nullnummer zuhause gegen Freiburg nicht. Mittelfeldspieler András Schäfer sprach von einem kampfbetonten Spiel, „in dem wir aber auch eine kämpferische Leistung gezeigt haben.“ Rani Khedira fasste die Partie ebenso treffend zusammen: „Das war ein klassischer Abnutzungskampf zwischen beiden Mannschaften. Leider gab es recht wenig Torraumszenen, speziell auf unserer Seite.“
Baumgarts Systemwechsel: Stabilität statt Spielfreude

Das ist in dieser Spielzeit bei Union längst nichts Neues. Nach einem kurzen Ausflug in eine offensivere Spielidee hat Steffen Baumgart wieder zu bewährten Strukturen gefunden. Statt des mutigeren 4-4-2 setzt der Trainer inzwischen erneut auf eine Dreier- beziehungsweise Fünferkette, die den Berlinern mehr Stabilität und Sicherheit verleiht. Der Schritt zurück ist kein Rückschritt, sondern Ausdruck von Pragmatismus – ein Bekenntnis zu dem, was Union stark gemacht hat. Baumgart hat erkannt, dass sein aktueller Kader besser zu dieser kompakten Ausrichtung passt: robuste Innenverteidiger, physisch starke Außen und eine Mannschaft, die über Geschlossenheit und Disziplin kommt.
Die Verteidigung: Baumgarts pragmatischer Kurs
Im Zentrum steht wieder die Defensive als Fundament. Union will schwer zu bespielen und in den Räumen eng gestaffelt sein. „Wir wollen die Mannschaft sein, über die der Gegner sagt: ‚tut weh‘“, hatte der Cheftrainer vor der Saison angekündigt. Zweikampfhärte gehört unter Baumgart klar zur Identität. Union führt die Foulstatistik mit 135 Vergehen an – ein Ausdruck ihres kompromisslosen, intensiven Stils. Dass die Berliner mit 22 Gelben Karten den dritthöchsten Wert der Bundesliga aufweisen, passt ins Gesamtbild: Union spielt mit hoher Intensität, nimmt Zweikämpfe an – und notfalls auch eine Verwarnung in Kauf.

Der Spitzname „die Eisernen“ kommt nicht von ungefähr. Diogo Leite ist mit 1,89 Metern Körpergröße noch der „kleinste“ der drei Innenverteidiger, während Leopold Querfeld (1,90) und Danilho Doekhi (1,91) in der Luft ebenso wenig anbrennen lassen. Bisher haben die Berliner 190 Kopfball-Duelle gewonnen – nur drei Clubs liegen in dieser Statistik noch vor den Köpenickern. Union verteidigt nicht nur bei langen Bällen meist tief und kompakt, sondern macht es dem Gegner auch im flachen Kombinationsspiel schwer: Die Räume zwischen den Linien sind eng, schnelle Kombinationen über das Zentrum selten möglich und die Angriffe werden konsequent auf die Außenbahnen gelenkt.
Das Mittelfeld: Strukturgeber und Flankenspezialisten
Dort agieren in Routinier Christopher Trimmel auf rechts und Neuzugang Derrick Köhn beziehungsweise Tom Rothe auf links Schienenspieler, die offensiv vorwiegend über scharfe Flanken Akzente setzen. Im eigenen Aufbau agiert Union dagegen bewusst risikoarm. Mit 72,9 Prozent haben die Köpenicker die niedrigste Passquote aller Bundesliga-Teams. Während Rani Khedira in erster Linie als defensiver Anker im Mittelfeldzentrum fungiert, besticht Aljoscha Kemlein durch sauberes Passspiel und Ballkontrolle.

Kreativität und Spielfreude sind in der taktischen Philosophie Unions allerdings zweitrangig, entscheidend ist die Stabilität. Das zeigte sich zuletzt auch beim Pokalerfolg in Bielefeld: Die Mannschaft stand tief, arbeitete konsequent gegen den Ball und wartete geduldig auf Umschaltmomente. Die Berliner setzen in dieser Phase auf Verlässlichkeit statt Verspieltheit – mit klaren Abläufen, hoher Intensität und dem Ziel, dem Gegner das Spiel so unangenehm wie möglich zu machen. Der Fokus liegt auf Ballgewinnen im Mittelfeld oder nach zweiten Bällen, um dann schnell umzuschalten.
Der Angriff: Überfallartige Konter als Stilmittel
Der Ballbesitz ist kein Selbstzweck – vielmehr sucht Baumgarts Team den direkten Weg nach vorne, sobald sich die Gelegenheit bietet. Erste Anlaufstelle für der meisten Vorstöße ist der robuste Mittelstürmer Andrej Ilić (1,89 Meter). Flankiert wird der Zielspieler meistens von Ilyas Ansah (1,94 Meter) und Oliver Burke (1,88 Meter), die ihre Athletik und körperliche Präsenz in Tiefenläufen ausspielen. Die gesamte Angriffsreihe holten die Verantwortlichen um Horst Heldt im Sommer neu dazu – und bewiesen damit ein glückliches Händchen.

Ilić ist mit vier Assists bislang der beste Vorlagengeber der Köpenicker. Geschickt schirmt er den Ball ab und setzt anschließend mit präzisen Steilpässen Ansah und Burke in Szene, die mit vier beziehungsweise drei Treffern Unions offensive Lebensversicherung bilden. Bei solchen Spielzügen zirkuliert der Ball nie lange in den eigenen Reihen: Im Schnitt liegen nur rund 37 Prozent der Spielanteile bei Union – so wenig wie bei keiner anderen Bundesliga-Mannschaft. Gelangen die Berliner erst einmal an die Kugel, geht es schnurstracks nach vorne.
Union bleibt auch in dieser Saison ein Gegner, der sich nicht einfach bespielen lässt. Wer die Köpenicker unterschätzt, wird schnell merken, dass sie unangenehm, physisch stark und taktisch gut strukturiert auftreten. Für den FC Bayern heißt das: Konzentration von der ersten Minute an, wenn es darum geht, die Lücken in der stabilen Berliner Abwehr zu finden.
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