
Er gewann 2001 mit dem FC Bayern die Champions League, wurde 1998 mit der Équipe Tricolore Weltmeister und zählt zu den prägendsten Linksverteidigern seiner Generation. Heute lebt Bixente Lizarazu im Baskenland im Südwesten Frankreichs und bleibt dem Fußball eng verbunden: Er arbeitet als TV-Experte und Kommentator für Spiele der französischen Nationalmannschaft, analysiert Partien der Champions League und der Ligue 1, berichtet über PSG und schreibt regelmäßig für die französische Sportzeitung L’Équipe. Vor dem Königsklassen-Kracher zwischen dem deutschen Rekordmeister und Paris Saint-Germain hat der 55-Jährige mit fcbayern.com über die Pariser Stärken, die entscheidenden Faktoren für den FC Bayern und einen Münchner Spieler, der ihn besonders beeindruckt, gesprochen.
Das Interview mit Bixente Lizarazu
Wenn Sie auf das aktuelle PSG-Team blicken: Was macht diese Mannschaft derzeit so stark, und in welchen Bereichen gibt es noch Luft nach oben?
Bixente Lizarazu: „Paris hat in den letzten sechs Monaten der vergangenen Saison fantastisch gespielt und war sehr erfolgreich. In dieser Saison hingegen hatten sie einige Probleme und haben in der Liga Punkte liegengelassen. Letzte Saison haben sie wirklich starke Leistungen gezeigt, aber die Spieler haben dabei viele Kräfte gelassen, was Verletzungen nach sich zog. Luis Enrique musste deshalb umstellen, um einigen Spielern eine Pause zu ermöglichen – nicht nur den Verletzten, sondern auch anderen Stammkräften, da die Sommervorbereitung kürzer war. Sie hatten nur drei Wochen Urlaub und mussten bereits eine Woche später den UEFA-Supercup bestreiten. Enrique versucht, das bestmöglich zu managen, aber er kann nicht auf alle Spieler zurückgreifen.“
Weil Leistungsträger wie Ousmane Dembélé oder Désiré Doué fehlen, erhalten bei PSG derzeit viele junge Talente eine Chance.
„Das ist die Strategie von Paris Saint-Germain: Der Verein hat beschlossen, keine weiteren erfahrenen Spieler zu verpflichten. Stattdessen setzt man auf die bestehende Mannschaft und auf Talente aus der eigenen Jugend. Diese Spieler brauchen Zeit, um sich zu entwickeln – wie überall. Marquinhos ist zurück, ebenso João Neves und Vitinha. Im Angriff war normalerweise Ousmane Dembélé die Nummer neun, doch nun wird wohl mit Senny Mayulu ein junges Talent die Rolle übernehmen. Momentan zeigt das Team wieder gute Leistungen, erreicht aber noch nicht die Bestform, die es gegen Ende der vergangenen Saison hatte.“
PSG zeigt in dieser Saison zwei Gesichter: Während die Leistungen in der Liga eher schwanken, haben sie in der Champions League alle drei Spiele gewonnen. Welches Paris erwarten Sie gegen Bayern?
„Das ist schwer zu sagen. In Barcelona haben sie auch mit vielen jungen Spielern gewonnen (2:1; Anm. d. Red.) – mit Warren Zaïre-Emery, Mayulu und Ibrahim Mbaye standen gleich drei junge Spieler in der Startelf. Aber es wirkt, als wäre die Motivation, die PSG in der Champions League an den Tag legt, nicht die gleiche wie in Ligaspielen. Gegen Nizza am Wochenende haben sie erst in der 94. Minute das Siegtor erzielt. Am Dienstag müssen sie auf einem höheren Niveau spielen als zuletzt. Alle Begegnungen zwischen Bayern und PSG in den letzten Jahren waren hart umkämpft.“

Auf welche Spieler von PSG sollte der FC Bayern Ihrer Meinung nach besonders achten?
„Die Außenverteidiger, Nuno Mendes und Achraf Hakimi, sind fantastische Spieler. Auf sie muss Bayern besonders aufpassen, weil sie offensiv viel Gefahr ausstrahlen. Sie sind physisch stark und sehr schnell. Im Mittelfeld wird es ein großer Kampf um den Ball werden, weil PSG mit Neves und Vitinha zwei überragende Mittelfeldspieler in den eigenen Reihen hat. Normalerweise wird Zaïre-Emery an deren Seite spielen, aber auch mit Fábian Ruiz haben Pressing und Ballkontrolle in der vergangenen Saison hervorragend funktioniert. Ich denke, Vitinha wird der Schlüsselspieler im Mittelfeld sein.“
Wie viel Durchschlagskraft hat die Offensive derzeit?
„Bradley Barcola hat in letzter Zeit viel gespielt und wirkt momentan sehr müde; gegen Nizza war er nicht gut aufgelegt. Ich bin nicht sicher, auf welchem Level er am Dienstag agieren wird. Dembélé wird meiner Einschätzung nach nicht spielen können, da er immer noch mit einem Muskelproblem zu kämpfen hat und gerade erst von einer Verletzung zurückgekehrt ist. Es ist also unmöglich, dass er mit vollem Einsatz auflaufen kann. Natürlich ist es ohne Dembélé und Doué (ebenfalls verletzt; Anm. d. Red.) nicht dasselbe. In der Verteidigung und im Mittelfeld spielt das Team beinahe auf Top-Level, in der Offensive aber nicht, weil viele wichtige Spieler verletzt ausfallen.“
Wie stark ist der FC Bayern derzeit im Vergleich zu den europäischen Topteams?
„Es ist schwierig, das zu diesem Zeitpunkt der Saison einzuschätzen. Natürlich gehört Bayern zu den Teams, die die Champions League gewinnen können. Sie sind in einer sehr guten Verfassung und haben 15 Spiele in Folge gewonnen. Selbst bei Rotation spielen sie auf hohem Niveau, und der Teamgeist ist fantastisch. Aber es ist eine lange Saison. Bis zum Ende weiß man nie genau – das Level, das man im November zeigt, muss man nicht zwangsläufig noch in der entscheidenden Phase im März oder April haben.“
„Es ist wie ein Sprintfinale. Du musst die ganze Saison über gut sein – und wenn der März beginnt, musst du sehr gut sein, um Titel zu gewinnen.”
Bixente Lizarazu
Haben Sie das selbst schon erlebt?
„Ich erinnere mich, als wir 2001 die Champions League gewonnen haben, haben wir im Winter noch gegen Lyon verloren (0:3; Anm. d. Red.). Wir haben keine gute Leistung abgeliefert. Aber danach, in der entscheidenden Phase, waren wir sehr gut. Als ich bei Bayern war, begann die wichtigste Zeit des Jahres immer im März. Es ist wie ein Sprintfinale. Du musst die ganze Saison über gut sein – und wenn der März beginnt, musst du sehr gut sein, um Titel zu gewinnen. Du brauchst eine besondere Mentalität dafür.“
Gibt es einen Spieler beim FC Bayern, der Sie aktuell besonders beeindruckt?
„Ich liebe es, Michael Olise zuzusehen. In der Nationalmannschaft brauchte er zunächst eine Eingewöhnungsphase – aber inzwischen merkt man, dass er sich bei Frankreich wohlfühlt und selbstbewusst spielt. Bei Bayern spielt er auf dem Flügel, bei Frankreich gefällt er mir am besten auf der „Zehn“. Dort haben wir lange einen Spielmacher wie ihn vermisst. Mir gefällt er auf beiden Positionen – es hängt von der taktischen Ausrichtung ab.“
Sie standen selbst mit Weltklasse-Offensivspielern wie Zinédine Zidane oder Thierry Henry auf dem Platz. Was macht Olise für Sie zu einem außergewöhnlichen Spieler?
„Ich möchte ihn nicht vergleichen. Er ist Michael Olise – und er macht es wirklich sehr gut. Man sieht, wie frei er agiert. Ich liebe es, wenn er der Schlüsselspieler in der Offensive ist und seine Mitspieler perfekt in Szene setzt. Er ist ein kreativer, technisch starker Spieler und hebt sich von den anderen ab. Seine Bewegungen sind geschmeidig, er wirkt dabei stets entspannt. Er ist noch jung, wird immer besser und kann für seinen Trainer eine Lösung auf zwei Positionen sein – mal sehen, wie er sich entwickelt.“
Paris hat sich radikal verändert – und PSG gleich mit. Während die Metropole auf nachhaltige Mobilität und grüne Architektur setzt, verabschiedete sich der Vorzeigeclub vom Starkult und holt plötzlich Titel im Kollektiv. Vor dem Champions League-Duell haben wir vor Ort entdeckt, wie Fußball und Stadtleben neu erfunden werden:
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