Wörle zieht Bilanz: 'Mehr geht fast nicht'

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Die FC Bayern Frauen sind derzeit das Maß aller Dinge im deutschen Frauenfußball. Im Sommer gewann das Team von Trainer Thomas Wörle zum ersten Mal seit 1976 die Deutsche Meisterschaft, mit zwölf Punkten Vorsprung überwintern die Münchnerinnen erneut an der Tabellenspitze. Und: Im ganzen Kalenderjahr 2015 kassierten die FCB-Frauen keine einzige Niederlage! Im Gespräch mit fcbayern.de zieht Wörle Bilanz.

Das Interview mit Thomas Wörle:

fcbayern.de: Tom, die Weihnachtszeit ist da. Wie sieht das aus, wenn du es dir mal richtig gut gehen lässt?
Wörle: „Das Schönste für mich ist, wenn ich Zeit für meine Familie habe. Wenn ich nicht unterwegs bin, nichts vorbereiten muss. Wenn ich mal in aller Ruhe Zeit mit meiner Frau verbringen und mit den Kindern spielen kann. Das genieße ich wirklich. Und darauf freue ich mich jetzt.“

fcbayern.de: Es ist auch die Zeit gekommen, um zurückzuschauen. Was siehst du, wenn du auf das Jahr 2015 blickst?
Wörle: „Es kommt eine große Freude auf. Wir können stolz sein auf das, was wir geschafft haben. Es war ein Jahr ohne wirkliches Tief. Natürlich gab es die Enttäuschung mit dem Aus in der Champions League. Aber wir konnten gleich wieder antworten. Und es spricht für sich selbst, dass wir im ganzen Jahr 2015 keine einzige Niederlage hinnehmen mussten.“

fcbayern.de: War dieses dramatische und unglückliche Champions-League-Aus - ohne Niederlage - der kritischste Moment des Jahres?
Wörle: „In dieser Saison mit Sicherheit. Die Enttäuschung war erstmal groß. Bereits drei Tage später stand aber schon das schwere Spiel gegen Freiburg an. Wir wollten sofort wieder ins Positive kommen. Die Mannschaft wusste um die Bedeutung dieses Spiels und hat großartig reagiert. Schließlich haben wir mit einem Sieg geantwortet und das Champions-League-Aus innerhalb kürzester Zeit sportlich verarbeitet. Ähnlich war es auch in der Rückrunde der vergangenen Saison. Da haben wir nach einem Unentschieden in Duisburg sofort zuhause gegen Potsdam mit einem Sieg reagiert. Das waren die Schlüsselmomente des Jahres.“

fcbayern.de: Dennoch: Tut das Aus in der Champions League noch weh?
Wörle: „Nein. Aber wir hatten schon ein paar Wochen daran zu nagen. Wir konnten es nicht fassen, dass wir es mit zwei guten Spielen nicht geschafft hatten, eine Runde weiterzukommen. Wir hatten uns auch unheimlich auf diesen Wettbewerb gefreut und wollten unbedingt mehr Erfahrung auf diesem internationalen Level sammeln. Im Rückblick hatte das Aus aber auch etwas Positives. Wir haben neue Kraft daraus geschöpft, weil wir bereit waren, daraus zu lernen. Ich weiß nicht, ob wir so in Bundesliga und DFB-Pokal marschieren hätten können, wenn wir noch in allen Wettbewerben vertreten gewesen wären.“

fcbayern.de: Was waren denn für dich die Gründe für das Aus?
Wörle: „Es hat uns insgesamt die Reife und auch die Abgezocktheit vor dem Tor gefehlt. Wir hatten sowohl in Enschede als auch zuhause ausreichend Torchancen, um beide Spiele für uns zu entscheiden. Aber kein Vorwurf an die Mannschaft. Man muss bedenken, dass es für sieben Spielerinnen unserer Startelf die ersten Champions-League-Spiele waren. Wir brauchen Zeit und genau solche Erfahrungen, um den Entwicklungsprozess weiter voranzutreiben. Twente hatte in den beiden Jahren zuvor bereits wichtige Erfahrungen in der Königsklasse gesammelt. Das hat man gemerkt.“

fcbayern.de: Höhepunkt des Jahres war der Gewinn der Meisterschaft und die Feier auf dem Rathausbalkon. Welche Bilder sind dir im Kopf geblieben?
Wörle: „Als wir nach dem Sieg im entscheidenden Spiel gegen Essen auf dem Rasen standen und warten mussten, bis das Spiel der Wolfsburger gegen Frankfurt zu Ende war - und dann die Info kam, dass wir Deutscher Meister sind. Das war ein ganz, ganz bewegender Moment, der mir immer in Erinnerung bleiben wird.“

fcbayern.de: Würdest du sagen, das Jahr 2015 war das bislang beste Jahr deiner Trainerkarriere?
Wörle: „Das war das beste Jahr für uns alle. Wir mussten im ganzen Jahr 2015 keine einzige Niederlage hinnehmen. Zudem sind wir Deutscher Meister geworden, befinden uns aktuell erneut an der Tabellenspitze und stehen im DFB-Pokal Halbfinale. Mehr geht fast nicht. Ich muss der Mannschaft ein Riesenkompliment machen.“

fcbayern.de: Was ist denn die größte Entwicklung, die deine Mannschaft in der zurückliegenden Hinrunde gemacht hat?
Wörle: „Die Stabilität und Konstanz, die wir hinlegen. Meine Mannschaft ist sich sehr einig darin, wie sie erfolgreich sein kann. Eben gemeinsam. Sie verteidigt gemeinsam und greift gemeinsam an. Jede Spielerin hat sich diesem wichtigen Teamgedanken verschrieben. Zudem hat die Mannschaft einen großen Glauben an die eigene Leistungsfähigkeit entwickelt, die sie in jedem Spiel aufs Neue unter Beweis stellen will. Mein Team hat bisher nicht nachgelassen, sondern ist fokussiert und gierig Spiel für Spiel angegangen. Außerdem haben wir unter anderen mit Melanie Behringer und Nora Holstad dominante Führungsspielerinnen, die diese innere Haltung vorleben.“

fcbayern.de: Ist es eine neue Qualität deiner Mannschaft, dass sie enge Spiele am Ende für sich entscheidet?
Wörle: „Das kann man schon sagen. Durch all die erfolgreichen Spiele in den vergangenen eineinhalb Jahren ist der Glauben an die eigene Stärke gewachsen. Das bringt uns die nötige Ruhe und Geduld in schwierigen Spielen.“

fcbayern.de: Ihr überwintert mit zwölf Punkten Vorsprung an der Tabellenspitze der Bundesliga. Was kann jetzt eigentlich noch schief gehen?
Wörle: „Es ist sehr positiv, wie wir im Moment dastehen. Wir haben damit eine tolle Basis für 2016 gelegt. Mehr nicht. Wir werden wieder hart arbeiten, um bestmöglich aus der Winterpause zu kommen. “

fcbayern.de: Auf zahlreiche Spielerinnen musstest du in der Hinrunde verletzt verzichten. Wirst du nach der Winterpause wieder mehr Optionen haben?
Wörle: „Es wird sich erstmal nicht allzu viel tun. Mana Iwabuchi wird uns nach der Winterpause wieder zur Verfügung stehen. Zudem hoffen wir, dass Katharina Baunach im Laufe der Vorbereitung wieder voll angreifen kann. Bei Sarah Romert und Lena Lotzen müssen wir uns noch etwas in Geduld üben.“

fcbayern.de: Wie steht es um Sommer-Neuzugang Vero Boquete?
Wörle: „Vero ist eine begnadete Fußballerin. Aber leider war sie vier Monate verletzt. Deswegen war es für sie noch gar nicht möglich, ihr Können abzurufen. Die körperliche Basis hat einfach gefehlt. In der Wintervorbereitung werden wir hart daran arbeiten.“

fcbayern.de: Auch Sara Däbritz ist im Sommer neu zur Mannschaft gestoßen. Wie siehst du ihre Entwicklung?
Wörle: „Sara wurde als aussichtsreiches Talent geholt, nicht als fertige Spielerin. Uns war klar, dass sie Zeit braucht, um zu reifen. Gerade in den letzten Wochen hat sie gezeigt, dass sie den ersten Anpassungsprozess vollzogen hat. Damit habe ich so schnell nicht gerechnet. Sie ist auf einem sehr guten Weg. Nach dem Urlaub gilt es, draufzupacken.“

fcbayern.de: Apropos Urlaub: Was wirst du machen?
Wörle: „Erst einmal werde ich die ruhige Weihnachtszeit zuhause mit der Familie genießen. Dann werden wir eventuell noch ein paar Tage mit den Kindern in den Schnee fahren. Ich freue mich sehr darauf.“

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