Seit 40 (!) Spielen sind die FC Bayern Frauen in der Bundesliga ungeschlagen, im DFB-Pokal-Halbfinale ereilte so dennoch das Aus. Im BAYERN MAGAZIN sprach Trainer Thomas Wörle über die Lehren des 1:2 (1:0) beim SC Sand, aber auch über den Endspurt in der Meisterschaft. Schon am Sonntag (ab 14 Uhr) könnte die Titelverteidigung perfekt sein, wenn die Bayern (gegen Frankfurt) mehr Punkte holen als Wolfsburg (gegen Leverkusen).
Thomas, wie groß ist die Enttäuschung nach dem Pokal-Aus noch?
Wörle: „Groß. Wir sind verdient ausgeschieden, aber jeder von uns hat gemerkt, dass das nicht wir waren auf dem Platz in Sand. Natürlich kann man gegen den starken Tabellenvierten in Sand verlieren, keine Frage. Das ist in dieser Saison schon der einen oder anderen sehr guten Mannschaft passiert. Aber wir sind an diesem Tag unter Wert geschlagen worden.“
Ihr habt vor dem Spiel alle vor dem Gegner gewarnt. Warum hat es trotzdem nicht gereicht zum Weiterkommen?
Wörle: „Zum einen haben wir es an diesem Tag nicht annähernd geschafft, unsere optimale Leistung auf dem Platz zu bekommen. Zum anderen sind wir auf einen sehr starken, robusten und gierigen Gegner getroffen. Wir haben verdient verloren.“
Was konkret hat gefehlt an diesem Tag?
Wörle: „Sand hat sowohl seine leichte Außenseiterrolle als auch seinen Heimvorteil perfekt ausgespielt. Sie waren wild entschlossen und wurden von den Zuschauern zusätzlich angepeitscht. Auch meine Mannschaft war hochmotiviert. Wir wollten unbedingt ins Finale nach Köln, waren aber nicht in der Lage, diese Motivation in Leistung umzumünzen. Wir haben uns ein Stück weit von den Bedingungen und der entschlossenen Gangart des Gegners beeindrucken lassen und haben unser höchstes Gut, nämlich eine kompakte, aggressive und druckvolle Arbeit gegen den Ball, vermissen lassen. Ohne ein entschlossenes, willensstarkes und robustes Dagegenhalten hast du in einem Pokalhalbfinale bei solch speziellen Bedingungen keine Chance.“
Du hast in deiner Trainerarbeit immer Wert auf die Physis gelegt. Bestätigen die Partie in Sand und die Erfahrung in der Champions League diesen Aspekt?
Wörle: „Ja. Wenn man sich die Mannschaften ansieht, die in den letzten Jahren den Frauenfußball in Europa dominiert haben, sieht man neben großer fußballerischer und individueller Qualität auch eine unheimliche Athletik, Robustheit und Zweikampfhärte. Nur einen gepflegten Ball zu spielen, reicht auf höchstem Niveau nicht. Dazu müsste das technisch-spielerische Niveau nochmal deutlich höher sein. Das haben wir in dieser Saison am eigenen Leib gespürt. In der Champions League gegen Twente, im Testspiel gegen Arsenal London, aber auch im Pokal gegen Sand.“
Wie kann man den Abstand zu den europäischen Topklubs weiter verringern?
Wörle: „Wir müssen uns in den genannten Bereichen konsequent weiterentwickeln. Aber natürlich müssen wir den Kader auch punktuell weiter verstärken. Wir brauchen noch mehr individuelle Topqualität. Das ist für mich der entscheidende Unterschied zu den europäischen Topklubs. Da haben wir noch deutlich Nachholbedarf. Aber das ist auch kein Problem. Schließlich haben wir es erst in der vergangenen Saison geschafft, in die Gruppe der deutschen Topteams vorzudringen und brauchen noch ein paar Jahre kontinuierliche Weiterentwicklung. Man merkt auch: Je höher es geht, je dünner die Luft wird, desto mehr kommt es auch auf gewisse Eigenschaften an, die wir noch nicht in Hülle und Fülle haben. Wir brauchen mehr Spielerinnen, die absolut von sich überzeugt sind und es lieben, bei großen Herausforderungen Verantwortung zu übernehmen. Persönlichkeiten eben, die den Unterschied machen.“
In der Bundesliga führt ihr die Tabelle mit zwölf Punkten Vorsprung an. Man könnte glauben, dieses Jahr war einfacher als das letzte...
Wörle: „Ganz im Gegenteil. In den vergangenen Jahren haben wir immer aus einer Underdog-Stellung heraus agieren können. Jetzt sind wir als amtierender Deutscher Meister in die Saison gegangen. Wir werden mit Argusaugen beäugt und haben es deutlich schwerer. Die Gegner studieren uns genau, spielen und verteidigen härter, haben immer das Spiel des Jahres gegen uns. Gegen Bayern München. Gegen den Deutschen Meister. Jeder will zudem unsere Serie knacken. Deswegen bin ich auch so stolz auf die Mannschaft. Sie hat das Meisterjahr bislang herausragend bestätigt. Diese Leistung ist nochmal höher einzuordnen als die des vergangenen Jahrs.“
Nach der Länderspielpause startet ihr gegen Frankfurt in den Saison-Endspurt. Wie schwer wird dieses Spiel gegen den Tabellendritten?
Wörle: „Uns erwartet eine große Herausforderung. Frankfurt steht als amtierender Champions-League-Sieger wieder im Champions-League-Halbfinale und ist gut in Form. Sie haben vier der letzten fünf Spiele deutlich für sich entschieden und müssen gegen uns gewinnen, um im Rennen um einen Champions-League-Platz zu bleiben. Alles andere hilft ihnen nicht. Aber wir spielen zuhause und haben die Qualität und Mentalität, genau jetzt ein gutes Spiel zu machen.“
Melanie Behringer hat sich leider einen Kapselriss im Sprunggelenk zugezogen. Wird sie gegen Frankfurt wieder spielen können?
Wörle: „Die Verletzung ist leider schon in den Tagen vor dem Pokalspiel passiert. Gegen Sand hat sie dann auf die Zähne gebissen und sich in den Dienst der Mannschaft gestellt. Wir hoffen, dass sie gegen Frankfurt wieder fit ist.“
Eventuell könnt ihr am Sonntag schon die Titelverteidigung perfekt machen.
Wörle: „Darüber denke ich nicht nach. Nach der Enttäuschung in Sand wollen wir gegen Frankfurt einfach wieder unser wahres Gesicht zeigen.“