
Wörle: „Das ist mir bis heute unbegreiflich“
Das hatten sich die FC Bayern Frauen anders vorgestellt. Schon in der ersten Runde der Women's Champions League war für sie Endstation – trotz eines 2:1-Sieges gegen die FC Chelsea Ladies im Rückspiel im Grünwalder Stadion Anfang Oktober (Hinspiel 0:1). Am Ende fehlte ein Tor zum Weiterkommen. Ein Tor, das auch fiel, aber von der Schiedsrichterin nicht gegeben wurde – eine von insgesamt drei Fehlentscheidungen der Unparteiischen in beiden Partien zu Lasten der Münchnerinnen.
Im Interview spricht Trainer Thomas Wörle über das bittere Aus und den Saisonstart insgesamt. In der Allianz Frauen-Bundesliga ist seine Mannschaft nach vier Siegen in fünf Spielen auf Tuchfühlung mit den Topteams. Nur ein Zähler fehlt zu den punktgleichen Spitzenreitern aus Wolfsburg und Freiburg. Am Sonntag (14 Uhr) starten die Münchnerinnen mit einem Auswärtsspiel in Jena aus der Länderspielpause.
Herr Wörle, wie sehr schmerzt das Champions-League-Aus noch?
„Es tut schon noch weh. Wir haben nicht ein Jahr lang hart gearbeitet, um dann nur zwei Spiele in der Champions League zu machen. Natürlich wussten wir, dass wir mit Chelsea den stärksten Gegner bekommen haben, der möglich war. Die sind in der englischen Liga noch ohne Punktverlust und ohne Gegentor. Trotzdem waren wir in beiden Spielen die dominante Mannschaft, hatten zusammengenommen ein Torschussverhältnis von 39:13.“
Dennoch hat es nicht gereicht zum Weiterkommen.
„Wir haben uns mit viel Aufwand in beiden Spielen genügend Torchancen herausgespielt, haben es aber nicht geschafft, diese Überlegenheit ins Ergebnis umzumünzen. Wir waren nicht kaltschnäuzig, nicht effizient genug vor dem gegnerischen Tor. Das ist alles, was wir uns selbst vorwerfen müssen.“
War das 0:1 im Hinspiel in London eine zu große Bürde?
„Das war sicherlich aufgrund der Auswärtstorregelung kein optimales Ergebnis. Fürs Rückspiel hatten wir uns dann vorgenommen, drei Tore zu machen – und wir machen drei Tore! Trotz 0:1-Rückstand hat die Mannschaft nie aufgehört zu kämpfen und nach vorne zu spielen. Wir machen das 1:1, das 2:1 und das 3:1 – ein klares Tor! Dennoch hat es die Schiedsrichterin nicht gegeben. Das ist mir bis heute unbegreiflich! Zuvor hat sie uns einen klaren Handelfmeter verweigert. Wir haben alles versucht, um weiterzukommen. Die Mannschaft hat eine beispiellose Laufleistung vollbracht. Hätten wir unsere zahlreichen Torchancen effizienter genutzt, dann bräuchten wir uns jetzt nicht über irgendetwas anderes unterhalten. Wir hatten es selbst in der Hand, das wissen wir. Die drei klaren Fehlentscheidungen der Schiedsrichterinnen in den zwei K.o.-Spielen sind aber auch nicht wegzudiskutieren. Eigentlich haben wir zuhause die notwendigen drei Tore erzielt, um in die nächste Runde zu kommen.“
Wie ist die Mannschaft mit dieser Enttäuschung umgegangen?
„Die Mannschaft war platt, körperlich und mental. Sie hatte alles reingelegt, ist noch nie so viel gelaufen wie in diesem Spiel. Und drei Tage später stand schon das nächste wichtige Spiel gegen Sand auf dem Programm. Wir haben gleich am nächsten Tag versucht, das Erlebte gemeinsam zu verarbeiten, uns wiederaufzurichten und den Kampf wiederaufzunehmen. Wenn man hinfällt, dann muss man wieder aufstehen und sich zurückkämpfen. Das hat die Mannschaft dann klasse gemacht.“
Drei Jahre in Folge hat Ihre Mannschaft jetzt Champions League gespielt. Wo stehen die Bayern-Frauen im europäischen Vergleich?
„Was das Ergebnis betrifft, haben wir es leider nicht geschafft, den anvisierten nächsten Schritt zu machen. Aber leistungsmäßig war das definitiv ein klarer Schritt nach vorne. Wir haben uns in beiden Spielen sehr stabil und dominant präsentiert. Um weiter an die Topteams in Europa heranzurücken, müssen wir international als Mannschaft noch weiter reifen.“
Inwiefern hat sich die Leistung der Mannschaft weiterentwickelt?
„Wir haben es geschafft, spielerisch den nächsten Schritt zu machen. Gegen Chelsea ist es uns auf hohem Niveau gelungen, den Gegner so zu bearbeiten, dass wir die richtigen Räume gefunden haben, um es bis ins letzte Drittel zu schaffen. Gleichzeitig haben wir uns meist kompakt um den Ball organisiert, um den Gegner in seiner Hälfte einzuschnüren. Die Anzahl der Torchancen, die wir uns in der Bundesliga und in der Champions League erarbeitet haben, ist ein Indiz dafür, dass wir uns im Herausspielen von Torchancen verbessert haben. Jetzt gilt es, den nächsten Schritt zu gehen und die Quote bei der Chancenverwertung zu erhöhen. Insgesamt ist unser Spiel reifer geworden, auch durch die Champions-League-Erfahrung der letzten Jahre.“
Das klingt, als sei der große personelle Umbruch im Sommer geglückt.
„Es sieht aktuell ordentlich aus, aber wir befinden uns in einem Umbruchsjahr, das ist ein Entwicklungsprozess. Die englischen Wochen vor der Länderspielpause haben uns geholfen, Fahrt aufzunehmen, unseren Spielstil zu stabilisieren. Von den fünf Spielen haben wir vier gewonnen, die Ausbeute war also gut. Wir hatten ja auch noch gar nicht so viel Zeit miteinander. Nur zwei Wochen vor dem ersten Punktspiel, danach gab es schon zwei Länderspielpausen, bei denen ein Großteil unserer Spielerinnen unterwegs war. Erschwerend kommt hinzu, dass aktuell acht Spielerinnen verletzt sind, darunter einige Stammspielerinnen, die uns auch gegen Chelsea gefehlt haben.“
Wie schwer wird es, sich wieder für die Champions League zu qualifizieren?
„Das ist in dieser Saison mindestens so schwer wie in der vergangenen. Die Konkurrenzsituation in der Liga hat sich weiter verschärft. Wolfsburg ist der absolute Topfavorit auf die Meisterschaft. Dahinter kämpfen wir mit dem seit 15 Spielen ungeschlagenen SC Freiburg, Turbine Potsdam und dem 1.FFC Frankfurt um den zweiten Platz. Aber um das zu schaffen, müssen wir hart weiterarbeiten und von mehr Verletzungspech verschont bleiben.“