16 Jahre beim FC Bayern München: Peter Kargus, das Torwarttrainer-Urgestein der FC Bayern Frauen, ist bereits seit März 2004 für die Torhüterinnen des Bundesligisten tätig. Warum der Job nicht immer leicht ist, wie er sich fit hält und welche Momente ihm besonders in Erinnerung geblieben sind? fcbayern.com sprach mit dem 56-Jährigen und hat die Antworten.
Das Interview mit Peter Kargus
fcbayern.com: Peter, du bist bereits seit 16 Jahren bei den FC Bayern Frauen als Torwarttrainer aktiv. Welche Momente sind dir besonders im Gedächtnis geblieben?
Peter: „Was mir immer in Erinnerung bleiben wird sind zwei Momente. Zum einen mein erster Kontakt zum Frauenfußball des FC Bayern München: Damals war Sissy Raith Trainerin und hat einen Torwarttrainer gesucht. Wir haben vorab telefoniert und sie hat gefragt, ob ich sie kenne oder bereits Kontakt zum Frauenfußball hatte. Da habe ich gesagt, nein eigentlich nicht. Bevor wir uns dann das erste Mal getroffen haben, hat sie gemeint: 'Ich habe rote Haare, du wirst mich dann schon erkennen…'
…und sie hat wirklich ausgeschaut wie der Pumuckl - unverkennbar. Nachdem die Gespräche gut verlaufen sind, habe ich mich neben dem Job als Torwarttrainer auch noch zum Co-Trainer entwickelt und somit waren wir beide ein weiblich/männliches Trainer-Gespann bei den FC Bayern Frauen.“
„Da hat man gemerkt, dass man im Frauenfußball ist“
Peter: „Zum anderen, das werde ich auch nie vergessen: Es war Vatertag, alle meine Spezl‘n hatten wahrscheinlich schon zwei Maß im Biergarten getrunken und ich bin immer noch in Schäftlarn am Fußballplatz gesessen. Es hatte dreißig Grad, war sau heiß und ich hatte richtig Durst und Sissy hat gefühlt mehr als eine Stunde lang eine Ansprache am Mittelkreis gehalten. Irgendwann habe ich dann gesagt ‚Sissy, ich will dich nicht unterbrechen, aber heute ist Vatertag und ich will jetzt endlich in den Biergarten‘. Da hat man gemerkt, dass man im Frauenfußball ist.“
Man sagt ja oft, dass Torhüter besondere Charaktere sind. Was hast du in deiner Zeit so erlebt?
Peter: „Es gibt immer spezielle Typen und ich habe schon viele Torhüterinnen trainieren dürfen. Es ist natürlich wichtig das du eine gewisse Chemie zwischen Trainer und Torhüter findest. Da wir ja ein Team im Team sind muss jeder gerne ins Training und zum Spiel kommen um das Maximale erreichen zu können.
Was natürlich immer ein Highlight ist, sobald eine Torhüterin aus dem Ausland kommt und nur Englisch spricht, treffen eindeutig zwei Welten aufeinander: tiefstes Bayrisch und Englisch (grinst).“
Wie hat sich der Frauenfußball beim FC Bayern in den vergangenen 16 Jahren verändert?
Peter: „Zu meinen Anfängen haben wir oft am Abend um halb 8 an der Säbener Straße trainiert, weil der Platz vorher nicht verfügbar war. Später sind wir von der Spielstätte in Schäftlarn nach Aschheim gezogen, wo wir unsere sportliche Heimat gefunden haben. Das war quasi der erste Weg vom Amateur- zum richtigen Profiverein. Jetzt am Campus haben wir wirklich Top-Bedingungen, da würden sich andere die Finger abschlecken. Wir haben dort alles, was wir brauchen. Es gibt heute noch Vereine in der Frauen-Bundesliga, die im Winter teilweise nicht trainieren können, weil der Boden gefroren ist – das gibt’s bei uns dank Rasenheizung nicht mehr. Aber auch sportlich standen wir lange Zeit nicht da, wo wir jetzt sind. Lange haben wir im Mittelfeld um den vierten oder fünften Platz gekämpft. Erst mit Günther und dann vor allem mit seinem Sohn Tom Wörle gelang der Durchbruch. 2008/09 hat uns nur ein Tor zur Meisterschaft gefehlt. Im letzten Saisonspiel gegen Crailsheim haben wir alles nach vorne geschmissen und 3:0 gewonnen. Aber das entscheidende vierte Tor wollte einfach nicht fallen. Das war bitter! 2012 konnten wir dann mit dem DFB-Pokal den ersten Titel seit langem holen, bevor wir uns 2015 und 2016 die Meisterschaft sicherten."
Austausch mit Tom Starke
Am Campus hast du mit den ehemaligen Bundesligatorhütern Simon Jentzsch und Tom Starke ja zwei namhafte Torwarttrainer-Kollegen. Wie sieht der Austausch unter euch aus?
Peter: „Wir sind ja in einer Kabine. Sowohl vorher mit Uwe Gospodarek als auch jetzt mit Tom Starke und Simon Jentzsch ist der Austausch wirklich gut. Wenn ich eine Frage habe, kann ich jederzeit zu ihnen kommen. In der vergangenen Saison habe ich zum Beispiel den Tom gefragt, ob er mir beim Training zuschauen würde und dann hat er mir und den Mädels einiges gezeigt – ich finde das wirklich toll. Wer hat denn schon diese Möglichkeit?“
Immer offen für Neues
Auch das Torhüterspiel hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Wie hältst du dich persönlich immer auf dem neuesten Stand?
Peter: „Meiner Meinung nach hat sich das Torwartspiel gar nicht so stark verändert. Es gab schon immer unterschiedliche Typen. Ich selbst zum Beispiel war Stürmer, bevor ich im Tor stand. Deswegen war ich schon immer etwas offensiver, als viele andere Torhüter. Ich hatte meine Stärken beim Ablaufen von Bällen in die Tiefe und beim Abfangen von Flanken, ebenso das Mitspielen war für mich kein Problem. Auch heute wird die Rolle des Torhüters ganz unterschiedlich interpretiert.
Was sich zu meiner Zeit mit Sicherheit geändert hat ist im Bereich der Athletik, die Belastung in den Trainingseinheiten, das Verhalten auf kurzer Distanz im 1:1 und das Aufbauspiel. Ich bin immer offen für neue Ideen. Im Trainingslager in Doha habe ich mir zum Beispiel die Trainingseinheiten von RB Salzburg und Zenit St. Petersburg angeschaut und versucht, etwas daraus mitzunehmen. Außerdem kommt es ja auch im Rahmen der Lizenzverlängerungen immer wieder zu einem Austausch mit anderen Kollegen.“
„Als Team auftreten“
Jeder Trainer und auch Torwarttrainer hat ja ein Stück weit seine eigene Philosophie. Was ist deine?
Peter: „Grundsätzlich ist es für mich wichtig, dass ein Torwart Ruhe ausstrahlt und somit auch die Abwehr stabilisiert – alle Spieler müssen wissen, dass sie sich im entscheidenden Moment auf den Torwart verlassen können. Aber ich entwickle das Konzept immer in Zusammenarbeit mit meinen Torhüterinnen, denn am wichtigsten ist, dass wir zusammen vorankommen und erfolgreich sind und als Team auftreten. Da jeder Mensch einen anderen Charakter hat, muss man auch mit jedem anders umgehen und auf die jeweiligen Bedürfnisse eingehen.“
Du bist 56 Jahre alt und insbesondere als Torwarttrainer muss man ja doch viel aktiv mitmachen, richtig? Wie hältst du dich fit?
Peter: „Ich halte mich durch die Arbeit mit den Mädels am Platz fit. Das ist auch für mich wie Training. Dadurch, dass ich einen 40-Stunden-Job habe und die Arbeit als Torwarttrainer beim FC Bayern nebenher ausübe, bliebe mir keine Zeit, zusätzlich Sport zu machen.“
Ist es schwierig, Traineramt und Hauptberuf unter einen Hut zu bekommen?
Peter: „Ja, das ist natürlich nicht ganz einfach und ohne die Hilfe meines Chefs und meiner Kollegen wäre das nicht möglich. Ich fange morgens um sechs an und fahre bei Vormittagseinheiten um neun Uhr an den Campus zum Training, danach geht es wieder zurück zur Arbeit. Da muss man auch aufpassen, dass man die Arbeitszeiten nicht überschreitet. Früher, als wir nur einmal am Tag, also am Abend trainiert haben, war das noch leichter. Aber jetzt sind die Spielerinnen eben alle Profis.“
Große und gegenseitige Wertschätzung
Peter: „Hinzu kommt natürlich auch, dass der Verein absolut hinter mir steht und das bereits seit 16 Jahren. Karin Danner und ich sind seit dieser Zeit ein Team und das ist wirklich außergewöhnlich im Fußball. Es gibt von beiden Seiten eine große Wertschätzung und anders wäre eine so erfolgreiche Zusammenarbeit nicht möglich. Wenn sich der Verein jedoch irgendwann einen Vollzeit-Torwarttrainer wünscht werde ich nicht im Weg stehen, denn wir waren und sind immer offen und ehrlich zueinander.“
Und bleibt am Ende auch noch Zeit für die Familie?
Peter: „Dadurch, dass meine Frau selbst als Spielerin beim FC Bayern tätig war und die Abläufe im Verein bestens kennt, weiß sie, wie das ganze läuft und hat immer Verständnis für mich. Aber auch das ist nicht immer einfach, denn auch unser Sohn hat einen Anspruch auf seinen Papa.“
Leidenschaft und Bewegungstherapie
Du bist dem Fußball bereits seit deiner Kindheit verbunden. Wie lange kannst du dir noch vorstellen, als Torwarttrainer aktiv zu sein und was kommt danach?
Peter: „Ich entscheide das immer Jahr für Jahr zusammen mit dem Verein und solange das für beide Seiten so passt, mache ich gerne weiter. Aber natürlich würde es mir fehlen. Das merke ich ja schon, wenn zwei drei Wochen kein Training ist. Zum einen ist es eine Leidenschaft und zum anderen meine Bewegungstherapie (lacht).“
Neben Peter Kargus ist auch FCB-Co-Kapitänin Carina Wenninger bereits eine gefühlte Ewigkeit bei den Münchnerinnen. Das große Portrait über die Rekordspielerin. 👇
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