
Im Juni 2020 stand für die FC Bayern Frauen der letzte Spieltag der Bundesliga-Saison 2019/20 an. Die Münchnerinnen kämpften noch um den zweiten Tabellenplatz und brauchten drei Punkte gegen die SGS Essen, um am Ende sicher vor der TSG Hoffenheim zu stehen. Keine leichte Aufgabe gegen die Nordrhein-Westfalen, die mit Lea Schüller eine der besten Torjägerinnen der Liga stellten. Am Ende gewannen die Spielerinnen von Cheftrainer Jens Scheuer aber souverän mit 3:0. Tore von Schüller gab es an diesem Tag nicht. Über ein halbes Jahr später, am vergangenen Sonntag, endete die Partie ebenfalls mit 3:0. Diesmal steht der Name der Nationalspielerin aber gleich doppelt auf dem Spielberichtsbogen – und zwar auf der Seite der Roten.
Stark steigende Leistungskurve
Mit ihren Bundesliga-Saisontreffern neun und zehn schoss Lea Schüller ihren Ex-Verein fast im Alleingang ab und bewies einmal mehr ihre starke Form. Mit satten 13 Toren (7x Liga, 5x Pokal, 1x CL) allein in ihren letzten sechs Spielen war die Angreiferin im Kalenderjahr 2021 bisher von kaum einer Abwehrreihe zu stoppen. Einzig gegen den SC Freiburg drehte die Stürmerin nicht selbst zum Jubeln ab - erzwang jedoch ein Eigentor der Freiburgerinnen. Warum es für die 23-Jährige im neuen Jahr so gut läuft, liegt für sie auf der Hand: „Ich habe in der letzten Vorbereitung sehr stark an meiner Fitness gearbeitet. Ich habe viele intensive Läufe gemacht und das Pensum meines Krafttrainings gesteigert. Jetzt fühle ich mich fitter, was mir auch mental hilft.“ Deshalb habe sie in den vergangenen Wochen auch gar nicht speziell an ihren Abschlussfähigkeiten gearbeitet, weil aus ihrer verbesserten Leistungsfähigkeit auch ein freier Kopf resultiert.
Großer Schritt
Mit ihrer Quote scheint die Nationalspielerin nun endgültig in München angekommen zu sein, nachdem sie im Sommer ihren Heimatverein in Richtung Süden verlassen hatte. Nach acht Jahren bei der Sportgemeinschaft und der Empfehlung von 62 Bundesliga-Toren in sieben Saisons schlug die damals 22-Jährige vergangenen Sommer ein neues Kapitel ihrer Karriere auf. Ein großer Schritt, vor allem wenn die Stürmerin die strukturellen Gegebenheiten beider Klubs vergleicht: „Essen ist ein kleiner Verein, bei dem man sich als Spielerin auch um viele Kleinigkeiten kümmern muss. Hier ist das ganz anders. Man muss sich nur noch um den Fußball kümmern, dass man gut trainiert und fit ist. Es ist einfach alles anders.“
Beim FC Bayern durfte sich Schüller zuerst nicht nur mit den neuen Strukturen vertraut machen, sondern musste sich nach langer Zeit auch erstmals wieder in ein neues Team eingliedern. Nach vielen Jahren beim selben Verein verließ die Angreiferin ihre Komfortzone und stellte sich der Konkurrenz in der bayerischen Landeshauptstadt – und das ganz bewusst: „Ich bin damals aus diesem Grund gewechselt. Ich brauche den Konkurrenzkampf. Wenn es einen großen Wettstreit um die Stammplätze gibt, ist das auch immer förderlich für die Mannschaft.“
Einen dieser Startelf-Plätze schnappte sich Schüller dann auch direkt bei ihrem ersten Pflichtspieltermin im Trikot des FCB. Dabei setzte sie sich in der stark besetzten FCB-Offensive durch und durfte im Champions-League-Viertelfinale gegen Lyon von Anfang an mitwirken. Eine Überraschung für die Torjägerin, die „nicht damit gerechnet“ hatte, dass sie so kurz nach ihrem Wechsel direkt ihr Debüt auf der internationalen Bühne feiern würde. Trotz der 1:2-Niederlage überwiegen für die Goalgetterin im Rückblick aber die positiven Erinnerungen an das knappe Ausscheiden in Bilbao. Dass sie zu Beginn trotzdem ihre Probleme hatte, sich im Bayern-Spiel zurechtzufinden, will Schüller aber auch knapp neun Monate später nicht verleugnen: „Wenn ich darüber nachdenke, wie gut ich jetzt in unser Spiel integriert bin und alle Abläufe kenne, war ich damals in vielen Momenten wirklich ratlos, wie ich agieren soll.“
Abschlussstark
Dass man als neues Mitglied in einer bestehenden Gemeinschaft Zeit und vor allem Spielminuten braucht, ist nur logisch. Die Eingewöhnung auf und neben dem Platz wurde Schüller aber nicht nur durch ihre Teamkolleginnen „sehr einfach gemacht“, sondern auch durch ihre häufigen Einsätze im Bundesliga-Wettbewerb. So stand Schüller in den ersten vier Saison-Spielen immer in der Startelf und war auch direkt mit zwei Treffern erfolgreich. Trotzdem war es für sie persönlich nicht ganz der Start, den sie sich bei ihrem neuen Arbeitgeber gewünscht hatte: „Ich war damals nicht richtig fit. Ich hatte bei Essen im Endspurt sehr viele englische Wochen und habe darüber auch mit dem Trainer gesprochen.“ Scheuer setzte sie daraufhin vermehrt als Joker ein oder gab ihr schon vor Spielende mit Auswechslungen eine Auszeit.
Heute hat sie diese Findungsphase überwunden und erntet nun die Früchte ihrer erfolgreichen Winter-Vorbereitung. Egal ob mit links, rechts oder per Kopf: Schüller ist vor dem Tor eiskalt und lässt im Jahr 2021 bisher fast keine Chance aus. „Meine Qualität liegt im Abschluss. Wenn ich gut drauf bin, brauche ich nicht so viele Möglichkeiten, um ein Tor zu erzielen“, so die beste Torschützin der FC Bayern Frauen. Dabei hilft ihr vor allem auch die Fähigkeit, mit beiden Beinen abschließen zu können. Sie habe zwar einen deutlich stärkeren rechten Fuß, aber hat viel an ihrem schwachen Fuß gearbeitet - sowohl während ihrer Zeit im Jugend-Bereich als auch im jetzigen Trainingsalltag. Außerdem helfe ihr die Körpergröße von 1,73-Metern bei hohen Hereingaben, wie sie beim letzten Tor gegen Essen bewies, als sie zum 3:0-Enstand einköpfte.
Revanchieren
Diese Qualitäten möchte sie nun auch in der entscheidenden Phase der Saison weiterhin bündeln, um ihrer Mannschaft mit Toren zu helfen. Ganz besonders hat sie dabei den Pokalwettbewerb ins Auge gefasst, mit dem sie noch eine persönliche Rechnung zu begleichen hat. Anfang Juli 2020 stand Schüller in ihrem letzten Spiel mit der SGS Essen gegen Wolfsburg in einem denkwürdigen Finale, in dem sie ihre eigene Geschichte schrieb. Zuerst erzielte sie nach zwölf Sekunden das schnellste Tor der Pokal-Historie, sah dann mit an, wie ihre Teamkollegin Irini Ioannidou ihr Team in der Nachspielzeit in die Verlängerung rettete und verwandelte in der Folge den zweiten Strafstoß im Elfmeterschießen. Am Ende musste sich Essen gegen die Niedersachsen aber trotzdem mit 2:4 geschlagen geben.
Eine emotionale Achterbahnfahrt, an die sich Bayerns Nummer 11 sehr gut erinnert: „Es war mein letztes Spiel für Essen und weil daraufhin viele Spielerinnen den Verein verlassen haben, war das für uns ein ganz besonderes Match.“ Deshalb habe sie der Ausgang im Nachhinein auch besonders traurig gestimmt, zumal sie noch nie gegen Wolfsburg gewonnen hatte. Das hat sich mit ihrer Zeit beim FC Bayern bereits am fünften Spieltag geändert. Ein Duell auf Pokal-Ebene ist bei der aktuellen Konstellation ebenfalls ein mögliches Szenario fürs Halbfinale. Dazu müssen die Bayern am Freitag (19.03., 18:30 Uhr, FC Bayern.tv live) jedoch erst die TSG Hoffenheim im Viertelfinale schlagen. Sollte das gelingen und auch der VfL gegen Bremen ins Halbfinale einziehen, möchte Schüller persönlich ähnlich erfolgreich agieren, wie im Endspiel des Vorjahrs – allerdings mit positivem Ausgang für sie und den FC Bayern.
Das DFB-Pokal-Viertelfinale der FCB-Frauen gegen die TSG Hoffenheim im kostenfreien Livestream: