Nach 28 Jahren in der Verantwortung verabschiedet sich Karin Danner vom FC Bayern. Keine prägte den Frauenfußball des Clubs so wie die Abteilungsleiterin. Sie hinterlässt ein bestelltes Feld – eine Spielwiese für Träume, die Realität werden. Das Mitgliedermagazin „Säbener 51" hat gemeinsam mit Danner nochmal einen Blick in die Vergangenheit geworfen.
Karin Danner lehnt sich an ein Straßenschild: ein zufriedener Seufzer entweicht ihr, sie schaut sich zum wiederholten Mal um, man merkt ihr an, dass sie gerade vor ihrem inneren Auge Gegenwart und Vergangenheit gegenschneidet. Wo heute das Straßenschild steht, stand früher eine Telefonzelle, in der sie als junge Frau viel Zeit verbracht hat. Von München in ihren Heimatort Marnheim sind es rund 400 Kilometer, und vor über 45 Jahren waren die Lieben daheim anders als heute wesentlich weiter als einen Videocall per Tastendruck oder eine schnelle WhatsApp entfernt. Wenn jemand die Zelle länger belegte und permanent Münzen nachwarf, trommelte Karin Danner auch mal an die Scheibe, er solle jetzt auflegen. „Das war die einzige Verbindung nach Hause“, erzählt sie und schüttelt selbst ein wenig ungläubig den Kopf: Telefonzellen sind Zeichen einer ganz anderen Zeit. Das Schild, an dem Karin Danner lehnt, zeigt ein Einbahnstraßensymbol. Damals stand es hier noch nicht – aber der Zufall hat es als einen Wegweiser im Gestern wie im Heute platziert: Für Karin Danner gab es ihr Leben lang nur eine Richtung. Nach vorne. Dorthin, wo der Erfolg ist.
Mit 18 Jahren für den Fußball nach München
Es ist ein Mittwochvormittag im Mai, und Karin Danner spaziert die Konrad-Celtis-Straße in München-Sendling entlang. Mit 18 Jahren zog sie hier bei der Familie von Gustl Hausberger ein, sie wollte sich beim FC Bayern durchsetzen – was ihr mehr als gelang, als Spielerin wie vor allem dann in ihrer zweiten Karriere: Als Managerin beziehungsweise Abteilungsleiterin schrieb sie Geschichte. Das erste Kapitel wurde hier aufgeschlagen, zu einer Zeit, als Telefonzellen hoch frequentiert waren und sich noch keine Autos auf dem Mittleren Ring stauten – weil es ihn damals gar nicht gegeben hat. Sie denkt bis heute gern an diese Zeit zurück, sagt Karin Danner: Die Hausbergers wurden schnell ihre Ersatzfamilie, und in dem Zimmer ganz oben unter dem Dach fühlte sie sich genauso wohl wie in der Stadt an sich, was für sie als „Landpomeranze“, wie sie sich selber rückblickend bezeichnet, keine Selbstverständlichkeit gewesen ist. Zu Hause hatten sie alle vor München gewarnt: „Madl, pass auf, da geht’s anders zu als bei uns!“ Wenn sie bei Besuchen in Marnheim vorbeischaute, erkundigten sich viele besorgt, andere neugierig. „Und ich wollte sie alle stolz machen.“
Eine, die sich nie hat unterkriegen lassen
Karin Danner wurde als Managerin eine Pionierin. Aber schon als Spielerin biss sie sich durch: Auf dem Platz ohne Probleme, das hatte sie gewusst, weil sie Selbstvertrauen hatte – und auch daneben, weil sie den Willen hatte, es allen zu beweisen. Durch die Bayern bekam sie einen Arbeitsplatz bei Sport Scheck vermittelt, der ihr 800 Mark im Monat bescherte. Bei einer Miete von 250 Mark musste sie ab und an Teamkolleginnen um 20 Mark anpumpen („in drei Tagen kommt das Gehalt, dann kriegst du es zurück“), und so kam sie bestens über die Runden. Wenige hundert Meter weiter die Straße entlang gab es eine kleine Bar, das „Josys“ – dort feierte sie mit ihren Teamkolleginnen Schritte nach vorne, kleine wie große Siege, sie sangen gemeinsam Udo Jürgens und überlegten, „wie wir den nächsten Gegner knacken“. Heute ist dort eine Kindertagesstätte eingerichtet, daneben bietet der Salon „Haarbinchen“ unter anderem Extensions an. Karin Danner muss das Fotoshooting kurz unterbrechen, ihre Frisur wird wieder zurechtgezupft – eine widerspenstige Strähne stellt sich immer wieder im Wind auf. „Der Teufel aus der Pfalz bin ich“, sagt sie und lacht. Sie hat sich nie unterkriegen lassen. „Es war schön, wie wir damals unser Leben selbst in die Hand genommen haben.“
Es konnte nie genug Fußball geben
Über der Wittelsbacherbrücke türmen sich dunkle Wolken auf, doch an diesem Tag belassen sie es ausnahmsweise bei einer Drohkulisse. Die Isar macht ihrem Namen „Die Reißende“ in diesem Frühjahr alle Ehre, der permanente Regen spült die Wassermassen spektakulär durch die Innenstadt, und Karin Danner stapft dennoch unverdrossen durch die sumpfigen Wiesen. Sie trägt eine weiße Hose, „Flecken sind doch egal“, meint sie – es zieht sie zu dem kleinen Bolzplatz in den Isarauen, wo sie früher auf Höhe des Schyrenbads gekickt haben, weil ihnen die ein bis zwei Trainingseinheiten pro Woche nicht ausreichten. „Für uns gab es nur Fußball, Fußball, Fußball“, erzählt sie. Heute sind hier hölzerne Torpfosten in die Erde gerammt, damals mussten Klamotten und Taschen als Begrenzungen herhalten. Karin Danner hat sich mit Lydia Köhl verabredet, die einst den Kasten ihrer Mannschaft bewachte und später auch ihre Vorgängerin als Managerin war. Auf Karin ist immer Verlass, erzählt sie – „und sie ist hartnäckig wie keine Zweite. Karin musste ihr ganzes Leben kämpfen. Keine andere hätte das geschafft, was sie geschafft hat.“ Die beiden kicken sich ein bisschen einen Ball zu, den Lydia mitgebracht hat, dann möchte die Teamgefährtin von einst noch einen Vergleich loswerden: „Für mich ist Karin der Uli Hoeneß des Frauenfußballs. Sie hat alles neu erfunden – und sie ist immer für einen da. Uli Hoeneß und Karin Danner kann man unter einen Hut nehmen.“
"FC Bayern mit Herzblut und Leidenschaft"
Okay, da steht ein großer Name jetzt mitten auf dem Platz in den Isarauen – und ein großer Vergleich. In diesem Moment wird einem der Aufdruck auf Karin Danners T-Shirt an diesem Tag erst so richtig bewusst. „The worst mistake is not to make any way“, steht da zu lesen – keine Entscheidung zu treffen ist der größte Fehler, den man machen kann. Das ist ein Spruch, den man auch Uli Hoeneß aufs Shirt drucken könnte, wenn er nicht meistens hellblaue Hemden tragen würde. Wie fühlt sich der Vergleich an? Auch Präsident Herbert Hainer hatte sich in einer Videobotschaft genauso geäußert. „Na ja“, sagt Karin Danner, „so was macht mich sehr stolz. Uli war immer mein Vorbild, und es würde mich freuen, wenn er zwischen uns die eine oder andere Parallele sieht. Wir sind beide Herzensmenschen, wir sind beide umtriebig und lassen nicht locker, wenn uns etwas wichtig ist. Ich hoffe, er hat gespürt, dass auch ich für den FC Bayern mit Herzblut und Leidenschaft kämpfe.“
Vom Träumen zur Wirklichkeit
Kampf – schon wieder, auch Lydia Köhl hat es bereits erwähnt, dass Karin Danner immer viel aufbringen musste, um ihre Ziele zu erreichen. Hier hat sie sicher noch mehr Kraft benötigt als Uli Hoeneß, denn im Frauenfußball galt es, Hürden zu überwinden, die im Männerbereich niemand auch nur im Traum aufgestellt hätte. Inzwischen steht Karin Danner in ihrem Büro am FC Bayern Campus – in einem modernen Bürogebäude eines insgesamt modernen Trainingsgeländes. Wenn sie an ihre eigene Zeit als Spielerin denkt, „dann sind das zu heute Unterschiede wie Schwarz und Weiß, wie Tag und Nacht“, sagt sie. Damals trainierten sie an der Säbener Straße noch auf roter Erde, mit ausrangierten Bällen der Männer, „und wenn der Platzwart uns mal wohlgesonnen war, hat er uns hin und wieder Leiberl besorgt“. Damals sei „auch kein Geld geflossen, im Gegenteil“, erzählt sie. „Wir mussten alles selbst finanzieren.“ Heute beschäftigen sie in der Frauenabteilug einen ganzen Trainer- und Betreuerstab, damals hatten sie einen Coach: „Der war für das Spiel verantwortlich, Medizinmann und auch mal Seelenstreichler.“
Aus Damenfußball wird der Frauenfußball
Im FC Bayern Museum hat die Frauenabteilung einen eigenen Bereich, der stetig wächst. Karin Danner steht vor einem Bild, das sie als Spielerin zeigt, „Strategin“ steht daneben in großen Buchstaben. „Wir haben unser Hobby ausleben dürfen“, sagt sie, „in den 70ern sagte man noch ,Damenfußball‘ – wir wurden belächelt.“ Zwar kamen schon damals 20.000 Zuschauerinnen und Zuschauer zu Spielen, beispielsweise im Dantestadion, „aber das war mehr aus Neugier, weil die Leute einfach wissen wollten, was da für Frauen kicken“. Heute sei das anders, sagt sie: „Heute wissen die Fans genau, was sie zu sehen bekommen, sie gehen bewusst zum Frauenfußball.“ Die steigenden Zuschauerzahlen bestätigen, dass sich etwas rasant entwickelt, Karin Danner spricht von einem „Quantensprung“. Es sei immer ihr Traum gewesen, einmal im Olympiastadion zu spielen, das schaffte sie als Spielerin im Rahmen der Bayerischen Meisterschaft. Dann kam die nächste Vision: Spiele in der Allianz Arena. „Und jetzt hatten wir hier schon 24.000 Zuschauer – wir setzen Meilensteine“, sagt sie, „es geht immer weiter nach vorne. Ab jetzt gehen wir nicht mehr zurück.“ Darauf wird sie auch ein Auge haben, wenn sie künftig alles aus dem Ruhestand beobachtet – und wer sie kennt, weiß, es wird sowieso ein Unruhestand.
Ein letzter Blick zurück
Zum Schluss geht der Blick ein letztes Mal zurück, auf diesen langen Weg mit vielen Hindernissen. „Es ist Wahnsinn, was wir für Kämpfe ausfechten mussten“, sagt Karin Danner, „aber es hat sich gelohnt: Ich bin stolz, dass ich bei Bayern so lange durchgehalten habe, ich danke da auch Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge und dem ganzen Verein für die Unterstützung – gemeinsam haben wir eine tolle Erfolgsgeschichte geschrieben.“ Der Frauenfu ßball, sagt Karin Danner, „ist inzwischen voll etabliert, die Wertschätzung ist ehrlich und nachhaltig – wir sind zu 100 Prozent gleichgestellt“. Das fasst das Lebenswerk von Karin Danner gut zusammen.
Ein paar Tage nach dem „51“-Abschiedsgespräch feiern die Münchnerinnen im Stadion des FC Bayern Campus die insgesamt fünfte Deutsche Meisterschaft der Vereinshistorie, das Männerteam steht auf dem Weg zur Schalenübergabe Spalier, später geht es gemeinsam zum Rathausbalkon vor 20.000 Fans. Es ist das passende Abschiedsgeschenk für Karin Danner nach 28 Jahren in der Verantwortung: Karin Danner, die Bayern-Macherin.
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