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Viktoria Schnaderbeck

Hinter dem Horizont: Viktoria Schnaderbeck im Gespräch

Mit Bayern wurde sie zweimal Meister und war viele Jahre Österreichs Kapitänin – aber Viktoria Schnaderbeck weiß, dass alles schnell vorbei sein kann. Heute berät sie Aktive mit einem nachhaltigen Ansatz. Im Kern die Frage: Wofür möchte ich stehen? (Bilder: Priscillia Grubo)

Vieles im Leben ist eine Frage der Perspektive. Viktoria Schnaderbeck denkt immer wieder an ein Erlebnis vor einigen Jahren in Tansania zurück. Damals spielte sie für den FC Bayern und reiste in der Winterpause nach Ostafrika, weil ihr die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen am Herzen liegt. An einem Tag besuchte sie Liberata, ein junges Mädchen, das mit ihren Eltern und Großeltern eine einstündige sandige Holperfahrt entfernt vom nächsten Ort in einer Hütte in den Hügeln über dem Viktoriasee lebt.

Liberata träumte davon, Fußballerin zu werden, sie hatte sich auf ein T-Shirt mit eigener Schrift „Ronaldo“ geschrieben und den Namen des mehrfachen Weltfußballers in den Lehmboden des Wohnzimmers geritzt. Zunächst war das Mädchen damals noch schüchtern, erinnert sich Viki Schnaderbeck – „aber dann hat Liberata plötzlich meine Hand genommen und mich stolz herumgeführt: durch die zwei Räume der Hütte, raus, über die Felder bis runter zum See, wo sie täglich ihr Wasser holen“. Das Erlebnis blieb deshalb so im Gedächtnis, weil Viki Schnaderbeck extrem beeindruckte, wie stolz das Mädchen und die Familie auf das waren, was sie sich aufgebaut hatten. Und plötzlich war der privilegierte Gast aus Europa der, den man an die Hand nehmen musste, um zu zeigen, was im Leben wirklich wichtig ist – und dass es auch essenziell ist, Träume zu haben.

Viktoria Schnaderbeck, 32, nimmt im Besprechungsraum im ersten Stock der FCB-Zentrale an der Säbener Straße Platz. Es hat sich viel verändert, stellt sie fest, früher saß sie mit ihren Teamkolleginnen gemeinsam mit Luca Toni oder Franck Ribéry in der Kantine neben dem Trainingsplatz – inzwischen wurde
alles umgebaut. „Aber im Inneren ist der FC Bayern derselbe Verein geblieben, das ist etwas Besonderes“, sagt Schnaderbeck, die bei ihrem Besuch viele Hände von alten Bekannten schütteln muss.

Viktoria Schnaderbeck

Viktoria Schnaderbeck stammt aus einer Fußball-Großfamilie. Ihr Bruder und ihre Cousine spielten bei Sturm Graz, ein Cousin in der Zweiten österreichischen Liga, Cousin Sebastian Prödl unter anderem bei Werder Bremen und dem FC Watford.

Mit 16 kam sie einst aus ihrer Heimat Österreich nach München, lief in 131 Pflichtspielen im FCB-Trikot auf, wurde zunächst DFB-Pokal-Siegerin und dann zweimal Deutsche Meisterin, ehe sie 2018 zum FC Arsenal nach London wechselte. Im vergangenen Jahr beendete sie bei den Tottenham Hotspurs ihre aktive Karriere – und startete gleich in die nächste durch. Heute ist sie es, die andere an die Hand nimmt und Perspektivwechsel bespricht.

Auszeit in Australien und Asien

Der Übergang war fließend – und soll Schule machen: Nachdem Viktoria Schnaderbeck das letzte Mal auf dem Platz gestanden hatte, verabschiedete sie sich für ein paar Monate für eine Auszeit nach Australien und Asien. Mit im Gepäck: große Pläne. Zum einen gelang es der langjährigen Kapitänin des österreichischen Nationalteams, mit ihrer Fußballkarriere abzuschließen, zum anderen stand sie mit Expertinnen und Experten zu Hause im regen E-Mail-Austausch. Im Herbst bekam ihre Vision Konturen, eine Sportmarketing-Agentur zu gründen, im März legte sie offiziell los. Ihre Agentur betreut Spitzensportlerinnen und -sportler in ihrer Vermarktung und berät sie hinsichtlich ihrer Karriere nach der Karriere. 

Viki Schnaderbeck weiß, wie es ist, in einem EM-Halbfinale für ihr Heimatland aufzulaufen. Sie kennt das Gefühl, vor 20.000 Bayern-Fans am Marienplatz oben auf dem Rathausbalkon Meisterschalen hochzuhalten. Aber sie ist in ihrer Karriere auch oft verletzt gewesen: Etliche Operationen am Knie, bereits in jungen Jahren stand sie vor dem Aus, mehrfach. Ihr ist es nicht fremd, sich fragen zu müssen: Wo stehe ich eigentlich im Leben? Wie bin ich aufgestellt? „Ich durfte meinen Traum leben – aber als Leistungssportler kann es sein, dass man urplötzlich aufwacht“, sagt Schnaderbeck. „Ich dachte mir, es muss doch etwas geben, dass man nicht in ein Loch fällt.“ Der Gedanke, plötzlich bei null anfangen zu müssen, habe sie damals ziemlich entsetzt, gibt sie zu, und auch die Gespräche mit ihren aktuellen Klienten bestätigen sie: „Es nimmt dir viel Druck, wenn du dich auf deinen Sport konzentrieren kannst und gleichzeitig Wege weißt, die dir offenstehen.“ Sie hätte sich früher da ab und zu auch jemanden an ihrer Seite gewünscht, der diese Wege aufzeigt, um schon einmal erste mögliche Schritte gemeinsam zu skizzieren.

Lina Magull im Portfolio

Die langjährige FCB-Spielerin hat mit ihrer Agentur vor einem Jahr klein angefangen. „Du musst bodenständig sein, hart an dir arbeiten und in Vorleistung gehen, ehe du die Früchte erntest“, sagt sie. Und im Prinzip ist das auch das Motto, das sie Sportlerinnen und Sportlern erklärt, wenn sie Interesse an einer Zusammenarbeit haben. Inzwischen zählt ihr Team fünf Mitarbeitende, die insgesamt sieben Athletinnen und Athleten betreuen – nicht nur aus dem Fußball, sondern auch im Eisschnelllauf oder Rollstuhltennis. Neben der klassischen Vermarktung, bei der man hilft, Netzwerke aufzubauen und Partnerschaften zu vermitteln, ist das Alleinstellungsmerkmal bei Viki Schnaderbecks Agentur die Beratung, eine nachhaltige Marke aufzubauen, die auch hinter dem Horizont der aktiven Karriere zu erkennen sein soll. 

"ES SOLL AM ENDE NICHT EINFACH HEISSEN: GLÜCKWUNSCH ZUR KARRIERE!"

Viktoria Schnaderbeck

Die Basis für das gemeinsame Vorgehen ist immer gegenseitiges Vertrauen – und hier trifft das vielleicht noch mehr zu als in anderen Bereichen. Die Sportlerinnen und Sportler müssen Bereitschaft mitbringen, sagt Viki Schnaderbeck, „es muss menschlich passen und es muss klar sein, dass man auch eine Verpflichtung und Verantwortung hat, der man gerecht werden muss“. Wenn hier Missverständnisse aufkommen, „funktioniert es nicht, dann macht es keinen Sinn – dann verpufft alles, was wir zusammen aufbauen wollen“.

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Viktoria Schnaderbeck mit ihren Teamkolleginnen bei der Meisterschaftsfeier 2016.

Mit ihrer ehemaligen FCB-Kollegin Manuela Zinsberger, die seit vier Jahren das Tor des FC Arsenal hütet, begann Viki Schnaderbeck als Testballon ihre zweite Karriere. Inzwischen zählen unter anderem Lina Magull vom FC Bayern, Alexander Schlager von Red Bull Salzburg, der österreichische Rollstuhltennis-Profi Nico Langmann sowie die Eisschnelllauf-Weltmeisterin Vanessa Herzog zu ihrem Portfolio. Diversität und eine inklusive Ausrichtung sind ihr wichtig, und bereits als aktive Fußballerin hat sie immer über die Kreidelinien ihres Sports geschaut. „Wir leben in unserem Sport in einer ziemlichen Blase, sind wirklich verwöhnt – in Randsportarten brauchst du noch mehr Extrawillen, um an dir zu arbeiten. Das imponiert mir persönlich ungemein“, erzählt sie. „Das sind alles Charaktere, die etwas erreichen wollen – auch über den Sport hinaus.“

Für die Zukunft soll alles Schritt für Schritt weitergehen. Viki Schnaderbeck hält auch Keynotes zu Themen wie Teamfähigkeit, Leadership und dem Verarbeiten von Rückschlägen, und bei allen Vorträgen in Deutschland, Österreich, der Schweiz oder London erweitert sich ihr Netzwerk. Die Idee, sich als Speakerin ein zweites Standbein aufzubauen, hatte sie bereits während ihrer Karriere, als sie wieder einmal eine Operation auskurierte. „Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, herauszufinden, dass man auch für etwas anderes brennen kann, außerhalb seines Sports“, sagt sie. „Das ist nicht leicht, dafür brauchst du eine gewisse intrinsische Motivation.“ Was nicht passieren soll, sei folgendes Szenario: „Dass es am Ende deiner Karriere einfach heißt: ,Glückwunsch zu allem, was du erreicht hast, wirklich schön‘ – und du dich aber dann gleichzeitig fragst: Und was bringt mir das jetzt?“ Es gibt noch mehr, hinter dem Horizont, es muss noch mehr geben. Alles eine Frage der Perspektiven.

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