
Endlich! Nach einem Jahr Verletzungspause brennt Lena Oberdorf auf ihre ersten Spiele im FCB-Trikot. Auf einem Spaziergang zur Allianz Arena hat die 23-Jährige dem FC Bayern-Mitgliedermagazin „51“ von ihrem langen Weg zurück erzählt.
Lena, wie groß ist die Vorfreude auf dein Bundesliga-Comeback?
Lena Oberdorf: „Extrem! Die letzten Monate waren schon lange, aber die Saisonvorbereitung nach der Reha tut mir noch mal gut. Mit jedem zusätzlichen Training verringert sich das Risiko, sich erneut zu verletzen. Jetzt wurde es aber Zeit, und ich dachte mir: Ich will endlich raus auf den Platz!“
Wie sehr musst du dich nach einem Jahr Verletzungspause noch bremsen?
„Schon ein bisschen. Im Training merke ich, wie ungeduldig ich bin, wenn die Bälle nicht so kommen, wie ich es von mir gewohnt bin. Ich versuche aber, mich so gut wie möglich von den Erwartungen – meinen eigenen und denen von außen – zu distanzieren. Ich muss mir Zeit geben, um wieder auf mein altes Niveau zu kommen. Das geht nicht von heute auf morgen.“

Ist es nicht schwierig, diese Erwartungen auszublenden? Wenn du dein Comeback feierst, werden alle auf dich schauen.
„Klar will ich gewinnen, der Mannschaft helfen, den Trainer stolz machen. Mein Anspruch an mich selbst ist, immer das Beste zu geben. Aber ich habe gemerkt, dass Fußball endlich ist. Plötzlich kann es vorbei sein. Deswegen habe ich mir geschworen, Fußball so gut es geht auch einfach zu genießen. Denn sonst macht es keinen Spaß und dann spielt man auch nicht gut.“
Erinnerst du dich noch an den Moment, in dem die Verletzung passiert ist? Die 69. Minute im EM-Qualifikationsspiel gegen Österreich am 16. Juli 2024.
„Das werde ich nie vergessen. Ich habe es knacken gehört, Knochen auf Knochen, das war schon heftig. Ich glaube, Dunsti (Barbara Dunst, d. Red.) hat es auch gehört, sie war in dem Moment meine Gegenspielerin. Das muss ich sie mal fragen, sie spielt ja jetzt auch bei Bayern. Mir war jedenfalls sofort klar, dass etwas Schlimmes passiert war.“

Du wurdest dann schnell operiert. Wie lief die Reha?
„Es war hart, richtig hart. Erst mal hatte ich sechs Wochen Krücken. Und dann war ich permanent im Gym, habe ständig in den Spiegel gestarrt und zugesehen, wie sich mein Knie beugt. Diese Zeit hat viel Kraft gekostet, auch mental. Es hat Monate gedauert, bis ich wieder draußen laufen konnte. Und wenn du dann endlich wieder mit dem Team trainierst, bist du immer noch lange nicht so weit, wieder zu spielen.“
Klingt nach einer richtigen Geduldsprobe.
„Und ich war noch nie ein geduldiger Mensch. Es war die Hölle. Zum Glück hatte ich viele tolle Menschen um mich, die mir die Zeit erträglich gemacht haben. Meine Familie, meine beste Freundin Rena, auch die ganze Mannschaft hat mich aufgefangen und unterstützt. Oder Kathi Naschenweng, die auch verletzt war und die komplette Reha mit mir gemacht hat. An Tagen, an denen man gesagt hat „Boah, nee, bloß nicht!“, haben wir uns gegenseitig motiviert. Es war für uns beide ein Glück, dass wir uns hatten, wir sind richtige Freundinnen geworden.“
Ein besonderer Moment ist immer die Rückkehr ins Mannschaftstraining.
„Das war ein unglaublich schöner Moment. Ich hatte es so vermisst, mit den Mädels auf dem Rasen zu stehen. Ich habe mir geschworen, dass ich mich in Zukunft auch an schlechteren Tagen immer aufs Training freuen werde. Inklusive in der Saisonvorbereitung, wenn die eine oder andere Einheit mal anstrengender sein kann.“

In den Jahren vor der Verletzung ging es für dich immer nur nach oben. Die Verletzung hat dich jetzt ein Jahr ausgebremst, du hast Olympia und zuletzt die EM verpasst. Beim Double-Sieg des FC Bayern konntest du auch nur zusehen. Was hat das mit dir gemacht?
„Ich habe mir recht schnell gesagt, dass es vielleicht so sein musste. Damit ich mal kurz durchatmen kann. Seit ich 16 bin, stehe ich im Fokus. Ich habe das immer so weggewischt, Witze darüber gemacht. Aber wenn ich ehrlich bin, war das alles schon stressig. Allein die Wochen vor der Verletzung: die verlorene Meisterschaft mit Wolfsburg, der Wechsel zu Bayern, der Pokalsieg mit Wolfsburg gegen Bayern, Olympia, die neue Saison … Man kam eigentlich nicht zur Ruhe, und der Weg war weiter vorgezeichnet. Doch dann war von einer Sekunde auf die andere alles weg. Plötzlich war ich planlos.“
Was war das für ein Gefühl, keinen Plan mehr zu haben?
„Am Anfang hat mich das total überfordert. Schon im Urlaub fällt es mir immer schwer, mit der freien Zeit umzugehen. Als dann ein bisschen Ruhe eingekehrt ist, habe ich erst mal gecheckt, was in den vergangenen Jahren alles mit mir passiert ist. Ohne die Verletzung hätte ich nie diese Pause gehabt. Auch die Zusammenarbeit mit unserem Teampsychologen Martin Walz hat mir geholfen. Für so etwas hast du sonst nie Zeit.“
Es war also auch eine Zeit der Selbstreflexion. Was hast du dabei über dich gelernt?
„Es war sehr interessant. Mit Martin habe ich zum Beispiel eine innere Aufstellung gemacht, um all die Rollen zu analysieren, die man so hat im Leben. Ich bin ja Fußballerin, Tochter, Schwester, Freundin und so weiter. Und in jeder Rolle ist man anders. Als Fußballerin auf dem Platz bin ich zum Beispiel aggressiv, da will ich unbedingt gewinnen – im Privaten bin ich ganz anders, ruhig, introvertiert, fast schüchtern gegenüber Leuten, die ich nicht kenne. Wenn wir Monopoly spielen, ist es mir relativ egal, wer gewinnt, Hauptsache, wir haben eine gute Zeit.“

Hast du dich neu entdeckt im letzten Jahr?
„Ich habe auf jeden Fall einiges über mich gelernt. Zum Beispiel, dass ich über die Jahre viele Teile meiner Persönlichkeit vernachlässigt habe. Ich habe mich fast nur über Fußball definiert. Dabei bin ich als Mensch doch nicht weniger wert, nur weil ich in einem Spiel drei Fehlpässe gespielt habe. Ich war immer total auf Leistung fixiert. Fußball war Arbeit. Zusammen mit Martin konnte ich meine Perspektive zurechtrücken – und jetzt kann ich den Fußball wieder genießen.“
Wenn man so hört, was seit der Verletzung alles passiert ist – war es ein verlorenes Jahr?
„Überhaupt nicht! Das sagt ja auch mein Tattoo hier (sie zeigt auf ihren Unterarm, d. Red.): „Good Shit Happens“. Weil auch so viele gute Dinge passiert sind in diesem Jahr. Aber jetzt wird es höchste Zeit, auf den Rasen zurückzukehren. Ich kann es wirklich kaum mehr erwarten.“
Den kompletten Spaziergang gibt es in der August-Ausgabe des FC Bayern-Mitgliedermagazins „51“.
In wenigen Wochen gibt Lena Oberdorf ihr Bundesliga-Debüt für den FC Bayern – vor mindestens 40.000 Fans!
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