
Als am späten Mittwochabend das eigene 3:0 gegen Vålerenga Oslo längst feststand, wollte bei den FC Bayern Frauen noch niemand vom Rasen gehen. Die Spielerinnen blieben eng zusammen, die Arme umeinandergelegt, die Blicke suchten Orientierung - nicht mehr auf dem Spielfeld, sondern auf ein paar Smartphones.
In Enschede lief noch die Nachspielzeit. Twente gegen Real Madrid. Ein einziges Tor konnte entscheiden, ob dieser Abend ein schöner Sieg in der UEFA Women’s Champions League oder ein europäischer Meilenstein werden würde. Die Luft knisterte über dem Campus-Stadion. Sie entlud sich in kollektivem Jubel: Abpfiff in Enschede. Unentschieden.
Die Münchnerinnen standen damit als Tabellenvierter der Ligaphase direkt im Viertelfinale. In diesem Moment brach alles aus dem Team heraus: Umarmungen, Jubel, Erleichterung. Von den Rängen schallte es: „Super Bayern! Super Bayern! Hey! Hey!“ Das Team sang mit und hüpfte Arm in Arm im Takt. „Ein grandioser Tag!“, schwärmte Direktorin Bianca „Jay“ Rech.
Es war einer dieser Augenblicke, in denen spürbar wurde, wie weit diese Mannschaft in wenigen Monaten gekommen ist.
Der eigene Sieg war an diesem Abend Pflicht und gleichzeitig ein Ausrufezeichen. Momoko Tanikawa eröffnete die Partie (2. Minute), Stine Ballisager erhöhte gegen ihren ehemaligen Verein (11.) und Pernille Harder (59.) setzte mit ihrem 50. Pflichtspieltor im Bayern-Trikot den Schlusspunkt. Drei Treffer, die den aufmerksamen, konzentrierten und zielstrebigen Auftritt der Münchnerinnen widerspiegelten.
Strukturiert, kontrolliert und klar
Und doch war es weniger das Ergebnis als die Art und Weise, wie Bayern inzwischen spielt, die auffiel. Auch wenn das eine oder andere Tor hätte mehr fallen müssen, die Mannschaft wirkte strukturiert, kontrolliert und klar.
Der Spielaufbau hatte Tiefe, die Außenverteidigerinnen schoben mutig nach, im Zentrum entstanden immer wieder Dreiecke, über die Bayern das Tempo variabel bestimmen konnte. Tanikawa verkörperte das neue Selbstverständnis wie kaum eine andere: früh im Pressing, aggressiv im Gegenpressing, kreativ im letzten Drittel. Harder ließ sich zwischen die Linien fallen, Linda Dallmann wirbelte auf dem Flügel, während Klara Bühl mit Breite und Tempo immer wieder Räume öffnete. Es war ein Auftritt, der zeigte, dass diese Mannschaft inzwischen nicht nur kämpft, sondern taktisch, individuell und kollektiv reift.
„Das Wichtigste ist, dass wir ein Team haben, das in der Lage ist, ein Spiel zu dominieren und sich Chancen herauszuspielen. Ich bin stolz auf das Team und den Staff dahinter“, stellte Trainer José Barcala klar.

Diese Ligaphase begann für den FC Bayern allerdings mit einer der bittersten Europapokal-Erfahrungen der jüngeren Vergangenheit, dem 1:7 gegen Barcelona - ein Start, der vieles infrage stellte. Heute wirkt er wie der Beginn einer Entwicklung, die das Team zusammengeschweißt hat.
Barcala hebt „Charakter“ hervor
Barcala brachte diese Reise auf den Punkt: „Wir haben im Verlauf immer wieder Charakter gezeigt und sind von Spiel zu Spiel gewachsen. Die Erwartungen sind hoch in diesem Verein, und wir haben ein fantastisches Team. Wir gehen alle zusammen in die richtige Richtung. Wir können in dieser Saison Großes erreichen, aber wir müssen demütig bleiben.“
Der Tenor war deutlich: Dies ist eine Mannschaft, die sich nicht beschwert, sondern lernt. Die Spiele gegen Barcelona und auch gegen Atlético (2:2) haben Spuren hinterlassen, aber nicht als Wunden, sondern als Orientierungspunkte.

Dallmann ordnete es sachlich, aber optimistisch ein: „Es lief nicht alles richtig in der Ligaphase, aber man sieht, wie wir stetig als Team zusammenfinden. Vielleicht haben wir es gebraucht, um zu lernen.“ Es ist dieser Realismus, gepaart mit dem Selbstvertrauen, der in der Mannschaft gewachsen ist.
Auch Tanikawa, offiziell zum „Player Of The Match“ gekürt und Sinnbild einer positiven Gesamtentwicklung, sprach von einer Mischung aus Zufriedenheit und Anspruch. „Wir haben uns das Viertelfinale verdient, aber es ist noch nicht zu Ende. Wir wollen weiter gewinnen! “ Ihr Satz wirkte wie ein Versprechen, aber auch wie ein Ausblick: Diese Mannschaft will mehr als nur ein gutes Kapitel - sie will eine Erfolgsgeschichte schreiben.

Für die Bayern war es ein weiterer Moment, der zeigte, wie breit und tief dieses Team mittlerweile aufgestellt ist. Führungsspielerinnen liefern, junge Kräfte wachsen, die Mischung stimmt.
Große emotionale Bedeutung
Und so steht der FC Bayern am Ende dieser Ligaphase da, wo er nach diesem langen Jahr stehen wollte: stabil, gereift und mit einer klaren Idee, wie viel mehr in dieser Saison möglich ist. Die direkte Qualifikation fürs Viertelfinale ist sportlich wichtig, aber emotional noch bedeutsamer. Sie ist die Bestätigung dafür, dass dieses Team schwierige Wege nehmen musste, um nun vielleicht etwas leichter gehen zu können.
Bis zum nächsten Auftritt auf internationalem Parkett bleibt nun etwas Zeit. Die Viertelfinal-Hinspiele finden am 24./25. März statt, die Rückspiele eine Woche später. Zum Jahresabschluss tritt der FCB in der Google Pixel Frauen-Bundesliga am Montag (18 Uhr) beim Tabellenfünften Bayer 04 Leverkusen an. „Wir haben eine sehr souveräne Hinrunde gespielt, immer mehr ins Verständnis kommen. Wichtig ist, dass wir in Leverkusen noch einen nachlegen“, bekräftigte Dallmann.
Gute Ausgangslage für 2026
Überwintert wird ohnehin an der Tabellenspitze. Vor dem 14. Spieltag haben die FC Bayern Frauen sechs Punkte Vorsprung auf Verfolger VfL Wolfsburg (Tabelle). Im DFB-Pokal steht am 11. März das Viertelfinale beim Hamburger SV auf dem Programm. Die Perspektive ist da, die Bayern haben sich diese erarbeitet. Und die Reise, auf der sie sich befinden, hat gerade erst richtig Fahrt aufgenommen.
Der Spielbericht zum Duell gegen Vålerenga Oslo:

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