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Beckenbauer im Interview: „Der FC Bayern ist eine einzige Erfolgsstory“

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Beckenbauer: „Der FC Bayern ist eine einzige Erfolgsstory“

Am Freitag feiert Franz Beckenbauer seinen 75. Geburtstag. Giesing, FC Bayern, New York – wo wurde er groß? Der Kaiser spricht hier über seine Kindheit, die Zukunft des Klubs – und seine Definition von Glück. Das ganze Interview ist in unserem Mitglieder-Magazin „51“ zu lesen.

Das Interview mit Franz Beckenbauer

Herr Beckenbauer, 75 Jahre – was bedeutet diese Zahl für Sie?
Ich muss sagen, dass mich dieses Alter zum ersten Mal in meinem Leben ein bisschen nachdenklich macht. Alle anderen Geburtstage sind leichter an mir vorübergangen. Aber ich denke, das gehört zum Leben dazu, dass man zwangsläufig mal an den Punkt kommt, an dem man darüber nachdenkt, dass das Leben endlich ist: Wann ist es so weit, dass du entschwindest? Und in welche Sphären? Das Weltall da draußen ist groß genug – es gäbe jedenfalls genug Möglichkeiten, wohin es einen verschlagen könnte (lächelt). Aber wenn ich zurückblicke, bin ich sehr zufrieden. Und das ist das Wichtigste.“

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Wenn Sie einmal zurückschauen auf Ihre Anfänge, damals als junger Bub im Münchner Stadtteil Giesing, was fällt Ihnen als Erstes ein?
Mein Elternhaus und der Fußballplatz direkt vor unserer Tür. Das waren sicher die wichtigsten Leitschienen in meinem Leben. Meine Großmutter ließ meine Eltern, meinen Bruder und mich damals bei sich leben, und für damalige Verhältnisse war unsere Vierzimmerwohnung relativ großzügig. Unser größtes Glück war unser Nachbar gegenüber: der SC 1906 München. Fußball hatte in den 50ern nicht diese Popularität wie heute – aber für uns war er das Lebenselixier. Wir hatten die schönste Kindheit überhaupt.“

Welche Werte wurden Ihnen damals vermittelt?
Meine Eltern haben uns ihre Werte täglich vorgelebt. Es war eine arme Zeit, kurz nach dem Krieg. Es gab nichts, keiner hatte was, es brauchte auch keiner auf den anderen neidisch zu sein. Rücksichtnahme war gefragt, Respekt untereinander und dass man sich gegenseitig unterstützte. Wenn wir gerauft haben – das kam ja schon vor – und einer am Boden lag, haben wir ihn wieder hochgezogen, statt ihm noch einen Tritt zu verpassen. Das war der Zeitgeist, so erinnere ich mich jedenfalls daran, und ich denke, es haben alle damals so empfunden: Man hat sich um den gekümmert, der am Boden lag. Es ging viel um Menschlichkeit und Fürsorge. Man schaute, dass es dem anderen auch irgendwie gut ging.“

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Stimmt es, dass Sie damals „Stumpen“ gerufen wurden?
(lacht) „Ja, das kam von meinem Vater. Er hatte mich so genannt, weil ich immer der Kleinste war. Daher kam im Übrigen auch meine Schnelligkeit: Ich wusste schon als Kind in den Straßen, dass ich schnell laufen musste, wenn es mal brenzlig wurde. Meine Schnelligkeit war meine Gabe, um mich aus allen Schwierigkeiten rauszuhalten. Ich musste manchmal in den Keller, um Holz zu holen. Es war dunkel dort unten und verwinkelt, und hinter jeder Ecke habe ich unheimliche Gestalten gesehen – da bin ich jedes Mal im Sprint wieder raus, das war im Nachhinein das beste Training.“

Wie kam es, dass Sie damals eigentlich zum TSV 1860 wollten?
Man muss das mit der damaligen Zeit erklären: Ich bin in Giesing aufgewachsen, und das ist 60er-Gebiet. Der FC Bayern kam aus Schwabing – das war für uns weit, weit weg. Ludwig Zausinger, Kurt Mondschein, später kam Petar „Radi“ Radenkovic dazu – das waren unsere Helden. Dann hatten wir mit unserer 1906-Schülermannschaft aber ein Spiel gegen 1860. Deren Mittelläufer war nicht sehr freundlich zu mir, und im Spielverlauf kam irgendwann mein Jähzorn durch. Er gab mir dann eine Watschn, und da stand für mich fest: Ich geh nicht zu 1860! Es war keine schlechte Entscheidung im Nachhinein, denke ich.“

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Was bedeutet für Sie Glück?
Glück ist kein Dauerzustand. Aber es gibt glückliche Momente im Leben. Wenn man sie lange festhalten und sie wiederholen kann: Das ist großes Glück.“

Wie sehen Sie Ihren FC Bayern heute?
Ich denke, ich kann diesem Verein sehr, sehr beruhigt zuschauen. Die Weichen sind gestellt. Von den 60ern bis heute ging es immer bergauf. Es gab mal Rückschläge, etwa dass man mal nicht Meister wurde, und die eine oder andere schmerzhafte Niederlage – aber was ist das schon? Dieser Klub stand immer wieder auf, und er ist insgesamt eine einzige Erfolgsstory, da dürfen wir alle stolz sein. Ich bin davon überzeugt, dass es so weitergehen wird. Auch diese schreckliche Corona-Pandemie wird das nicht ändern. Der FC Bayern bleibt in seiner Stabilität unübertroffen.“

Was imponiert Ihnen auf dem Rasen?
Im Grunde alles. Hansi Flick hat der Mannschaft wieder Leben eingehaucht. Davor hatte man den Eindruck, manche Spieler wollten gar nicht mehr so richtig. Es ist sein größter Verdienst, dass alle wieder in Schwung sind und einfach Freude vermitteln. Mir macht dieser Fußball unheimlich viel Spaß. Hansi hat eine sehr menschliche Seite, er weiß genau, wie man all die Weltmeister und Serien-sieger erreicht, wie man mit ihnen sprechen muss. Er wird von den Spielern akzeptiert, das zahlt sich auf dem Platz aus. Das Triple kam jetzt nicht von ungefähr.“

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Der FC Bayern wurde nun achtmal in Folge Meister, holte das zweite Triple seiner Geschichte – können Sie sich erklären, warum diese Gier nicht aufhört?
Früher sagte man immer, dass du nach zwei, drei Meisterschaften die Mannschaft austauschen musst, weil sie dann nicht mehr bereit ist, noch einmal alles zu investieren. Heute sind die Spieler aber stringenter. Achtmal Meister in Serie, das ist die ganz hohe Kunst, ein Zeichen von herausragender Mentalität und herausragendem Willen. Da kann ich nur applaudieren. Großartig. Und ich habe nicht den Eindruck, dass diese Burschen schon satt sind. Das Triple ist sicher ein Ansporn.“

Wie sehen Sie den Verein für die Zukunft aufgestellt?
Oliver Kahn und Hasan Salihamidžić leisten mit Herbert Hainer erfolgreiche Arbeit. Sie zeigen, dass sie das Zeug dazu haben, die großen Fußstapfen von Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge auszufüllen. Ich traue ihnen absolut zu, dass sie den Weg, den Uli und Kalle vorgegeben haben, im gleichen Stil, mit dem gleichen Einsatz und der gleichen Freude fortsetzen. Da habe ich keine Zweifel. Die ersten Schritte hätten kaum besser sein können.“

Fotocredit Titelbild: Christian Kaufmann.

Die ungekürzte Fassung könnt ihr im aktuellen 51 lesen. Hier findet ihr außerdem unter anderem Interviews mit Neuzugang Leroy Sané und Karl-Heinz Rummenigge: