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Beckenbauer: „Das Leben funktioniert nur, wenn man zusammenhält“

Vor 40 Jahren hat Franz Beckenbauer seine Stiftung gegründet. Im Interview mit dem Club-Magazin „51“ spricht der Ehrenspielführer des FC Bayern über seine Beweggründe, Dankbarkeit, Glück, Schicksal, die Situation in der Ukraine - und die Freiheit, Menschen helfen zu können. 

Das Interview mit Franz Beckenbauer

Herr Beckenbauer, wie entstand die Idee, eine Stiftung zu gründen?
Beckenbauer: „Ich habe damals für den Hamburger SV meine letzte Bundesliga-Saison als aktiver Profi gespielt. Der Mannschaftsarzt Dr. Friedrich Nottbohm kam mit der Idee auf mich zu, eine Stiftung zu starten und die Einnahmen aus meinem Abschiedsspiel als Grundkapital zu verwenden. So wurde die Franz Beckenbauer-Stiftung gegründet. Die 800.000 D-Mark, die aus dem Spiel zusammenkamen, habe ich dann noch auf eine Million D-Mark aufgestockt, damit es eine runde Sache wurde.“

Ich wollte einfach etwas Nachhaltiges schaffen - es war mir ein Bedürfnis, langfristig Menschen in Not zu helfen.

Franz Beckenbauer

Warum war Ihnen diese Stiftung wichtig? Sie haben als Kind selbst arme Zeiten erlebt, wobei es auch sehr glückliche Zeiten gewesen sind...
„Wenn ich an meine Kindheit denke und an die Zeit, in der ich aufgewachsen bin, empfinde ich nichts als Dankbarkeit. Nach dem Krieg hatte niemand wirklich viel, aber gerade bei uns im Viertel haben ja immer alle irgendwie zusammengeholfen. Wir Kinder lernten beim Fußball und auch generell, dass das Leben nur funktioniert, wenn man zusammenhält. Was die Stiftung betrifft: Ich wollte einfach etwas Nachhaltiges schaffen - es war mir ein Bedürfnis, langfristig Menschen in Not zu helfen.“

Was bedeutet es Ihnen persönlich, anderen zu helfen?
„Ich denke und habe früh gelernt, dass Helfen ein wichtiger Teil unseres Lebens ist. Viele sprechen immer von Menschlichkeit - ja, was ist Menschlichkeit? Menschlichkeit ist, andere wahrzunehmen in ihren Sorgen und Nöten - und dann für den anderen da zu sein. Wem es möglich ist, für den ist es in meinen Augen eine Verpflichtung, sozial schwächeren Menschen zu helfen. Ich für meinen Teil habe dann beschlossen, dass eine Stiftung das für mich am besten geeignete Organ ist. Aber man kann natürlich auch auf anderen Wegen helfen.“

Ist diese Stiftung auch ein Ausdruck von Dankbarkeit?
„Ja, ganz sicher, bestimmt. Ich hatte in meinem Leben viel Glück - und ich konnte mir alles erarbeiten, wovon viele nur träumen. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Du musst selbst etwas tun, aber du musst gleichzeitig Chancen im Leben bekommen. Ich empfinde auch Dankbarkeit in Bezug auf meine Gesundheit - ich war als Spieler kaum verletzt, auch deshalb konnte ich meinen Weg machen.“

Freiheit ist ein wichtiges Gut, weil sie einem immer die Wahl lässt, zu entscheiden, wie man die Welt angeht.

Franz Beckenbauer

Auch im Leben ist Libero eine schöne Rolle, sagten Sie mal… Ist diese Stiftung Teil dieser Haltung - man hat die Freiheit, etwas zu gestalten?
„Interessante Frage… Grundsätzlich ist man in einer Stiftung zweckgebunden, aber selbstverständlich hast du, wenn du so eine Stiftung gründest, zunächst einmal die Freiheit, dich dazu zu entschließen, etwas bewirken zu wollen. Ich möchte die Parallele zum Libero auf dem Platz nicht überstrapazieren, aber generell empfinde ich es als Glück, wenn einem das Leben Möglichkeiten schenkt, mit denen man anderen helfen kann. Freiheit ist ein wichtiges Gut, weil sie einem immer die Wahl lässt, zu entscheiden, wie man die Welt angeht.“

Wie geht es Ihnen, wenn Sie aktuell Bilder vom Krieg in der Ukraine sehen?
„Diese Bilder und Nachrichten, die uns aus der Ukraine erreichen, sind einfach schrecklich. Viele Menschen sterben, werden verletzt oder müssen traumatisiert flüchten - aus ihrer Heimat. Zum Glück ist die Solidarität mit diesen Menschen in der westlichen Welt sehr groß, und wenn viele Menschen helfen, werden wir es schaffen, das unvorstellbare Leid der Geflüchteten, zumindest so gut es nur irgendwie geht, zu lindern.“

Wird Ihre Stiftung hier aktiv?
„Die Stiftung wird nach ihren Möglichkeiten diesen Menschen in Not helfen, in der Einzelfallhilfe besonders den Menschen mit Behinderung oder kranken Personen.“

Das Wichtigste in dieser schwierigen Zeit ist, niemals den Glauben an das Gute zu verlieren und sich Mut, Vertrauen und Motivation zu bewahren.

Franz Beckenbauer

Wie schafft man es, sich einen positiven Blick auf die Welt zu bewahren?
„Angesichts der vielen schlechten Nachrichten aus aller Welt und speziell nun aus der Ukraine könnte man leicht das Gefühl bekommen, der Einzelne erreiche nichts. Dieser Resignation möchten wir auch mit der Stiftung entgegenwirken: Jeder Mensch kann Gutes bewirken - jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten. Ich möchte mir keine Welt der Verzagten vorstellen, in der nichts mehr vorangeht, weil sich alle einreden, man könne nichts erreichen. Ich selbst habe in meinem Leben oft genug erlebt, was man alles bewirken kann, wenn man sich mit Leidenschaft für seine Ziele engagiert.“

Wie viel ist Ihrer Meinung nach im Leben Schicksal - und was kann man selbst bewirken, verändern?
(lächelt) „Eine hochphilosophische Frage. Ich denke, das Wichtigste in dieser schwierigen Zeit mit Corona, den Sorgen um das Klima und nun diesem schrecklichen Krieg in der Ukraine ist, niemals den Glauben an das Gute zu verlieren und sich Mut, Vertrauen und Motivation zu bewahren. Schicksal ist Schicksal - aber wenn jeder Mensch danach strebt, Gutes zu tun, kann das nie verkehrt sein für diese Welt.“

Was stimmt Sie zuversichtlich für die Zukunft?
„Zurzeit hört man oft ein Zitat von Mahatma Gandhi, der sagte, dass in der Geschichte der Menschen die Wahrheit und die Liebe am Ende immer gewonnen haben, auch wenn das Böse eine Zeit lang unbesiegbar schien. Das sollte einem immer bewusst sein. Für unsere Stiftung konkret stimmt mich zudem zuversichtlich, dass sie auch in der Zukunft für die Menschen da sein wird. Auch wenn ich selbst nicht mehr so aktiv sein kann wie früher, wird es weitergehen. Darauf können sich Menschen in Not verlassen. Wir können selbstverständlich immer nur einen kleinen Teil beitragen. Aber ich habe über die Jahrzehnte gelernt, dass jede Hilfe zählt. Das macht mich glücklich - und das stimmt mich zuversichtlich für die Zukunft.“

Spendenkonto:
Franz Beckenbauer-Stiftung
HypoVereinsbank München
IBAN: DE 68700202700036474700
BIC: HYVEDEMMXXX

Das ausführliche Interview gibt es im FC Bayern-Mitgliedermagazin „51“: