Spazieren über den Marienplatz, Bowling mit Phonzy Davies, Tipps von Joshua Kimmich: Omar Richards hat München nach seinem Wechsel vom FC Reading in seinen ersten neun Monaten lieben gelernt. Im Club-Magazin „51“ erzählt der Brite, wie er heimisch geworden ist.
Das Interview mit Omar Richards
Omar, als du nach München gekommen bist, wolltest du unbedingt die Berge sehen. Hat das inzwischen geklappt?
Richards: „Oh ja! Ich war in Garmisch. Die Landschaft dort ist so schön, so anders als in Süd-London, wo ich aufgewachsen bin. Es kommt mir fast surreal vor. Ich hätte nie gedacht, dass es mir so gut gefallen würde, in der Natur unterwegs zu sein. Das ist etwas Neues, das ich hier an mir entdeckt habe. Ich mag auch den Marienplatz sehr und finde die Leute in München sehr herzlich. Jeder ist hilfsbereit. Die Stadt ist so anders als London. Hier ist alles sauber, das Leben ist weniger stressig.“
Es war dir wichtig, schnell Deutsch zu lernen. Warum?
„Ich bin jetzt ein Münchner, möchte mich so gut wie möglich integrieren. Dazu muss ich Deutsch lernen. Für mich ist es auch eine Frage des Respekts gegenüber dem Land und den Menschen hier. Es reicht mir nicht, nur den Trainer und die Mannschaft zu verstehen. Ich möchte auch zurechtkommen, wenn ich allein in der Stadt unterwegs bin.“
Du willst nicht nur die Sprache, sondern auch die deutsche Kultur und Geschichte kennenlernen. Vor Kurzem hast du das Konzentrationslager in Dachau besucht.
„Ich will einfach wissen, wo ich lebe, wovon ich jetzt ein Teil bin. München ist voller Geschichte, dazu gehört auch Dachau. Wir haben im Deutschunterricht darüber gesprochen. Als ich gehört habe, dass man das Konzentrationslager besuchen kann, wollte ich das unbedingt machen. Um herauszufinden, was dort passiert ist. Um es selber zu sehen und ein Gefühl dafür zu bekommen. Danach hatte ich sehr gemischte Gefühle, habe mir viele Gedanken gemacht. Ich habe mich auch gefragt: Wie kann ich mich in einem Land so wohlfühlen, in dem das passiert ist? Darüber musste ich nachdenken. Was mir gefällt, ist, wie in Deutschland mit der eigenen Geschichte umgegangen wird. Dass darüber gesprochen wird, dass man solche Orte besuchen kann und dass man sich der eigenen Verantwortung bewusst ist.“
Du bist ein nachdenklicher Typ. Julian Nagelsmann schätzt auch deine Arbeitsmoral, deinen Fleiß. Woher kommt deine Einstellung?
„In meinem Leben wurde mir nichts geschenkt, ich habe mir alles erarbeitet. Auf dem Platz war es mir früher fast peinlich, wenn ich den Ball verloren habe. Ich wollte ihn immer so schnell wie möglich zurückerobern. Ich will auch immer gewinnen. Dafür tue ich alles.“
Und was machst du, um mal zu entspannen?
„Privat bin ich ganz anders als auf dem Platz, relaxt und relativ unkompliziert, würde ich sagen. Ich verbringe gerne Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden, schaue Filme oder spiele an der Konsole. Was ich auch gerne mache, ist Bowling. Bei mir ums Eck habe ich eine gute Bahn gefunden. Manchmal bin ich dort mit ein paar Jungs aus der Mannschaft, Alphonso oder Jamal zum Beispiel.“
Wer von euch ist Bayerns Bowling-Meister?
„Phonzy hat einen starken Arm, aber die Genauigkeit ... (grinst). Ich selbst bin auch ein ganz ordentlicher Bowler, denke ich.“
Wie bist du aufgewachsen?
„Mein großer Bruder ist elf Jahre älter als ich. Ich wuchs daher vor allem mit meinem jüngeren Bruder auf. Wir waren immer auf dem Bolzplatz, wie alle Kinder in der Gegend. Dort habe ich etwas Wichtiges gelernt: den Ball eng am Fuß zu kontrollieren. Denn wenn du den Ball hattest, haben dich alle gejagt. Und wehe, sie haben dich erwischt, dann wurdest du kompromisslos vom Ball getrennt. Das konnte ganz schön wehtun.“
Wie war es, als du zum ersten Mal in der Kabine an der Säbener Straße warst?
„Ich habe meinen Namen am Spind zwischen Serge Gnabry und Leroy Sané entdeckt. Das war unglaublich. Es hat eine Weile gedauert, bis ich gemerkt habe, dass das ja alles ganz normale Menschen sind, egal was sie auf dem Rasen draufhaben. Alle haben mich herzlich aufgenommen. Am Anfang waren auch noch ein paar Spieler im Urlaub. Aber irgendwann war die Mannschaft zum ersten Mal komplett. Ein Superstar nach dem anderen kam herein - da wurde mir endgültig klar: Wow, ich bin wirklich bei Bayern München!“
Gibt es jemanden in der Mannschaft, der sich besonders um dich gekümmert hat?
„Joshua Kimmich. Vom ersten Tag an bis heute. Er fragt nach, wie es mir geht, gibt mir Tipps, was ich verbessern kann. Das schätze ich sehr. Joshua ist wie ein großer Bruder für mich. Er versteht, dass es nicht so leicht ist, in ein fremdes Land zu ziehen, von einem kleinen Team zu einem der besten Clubs Europas zu wechseln.“
Kannst du beschreiben, wie du den Unterschied zwischen Zweiter englischer Liga und dem FC Bayern auf dem Rasen erlebst?
„Das Tempo im Spiel ist ganz anders. Alles geschieht gleichzeitig, wenn du nur einmal blinzelst, hast du etwas verpasst. Bei Bayern muss jeder auf derselben Welle reiten, die Spieler arbeiten als Team extrem zusammen. Und natürlich ist die Qualität jedes einzelnen Spielers außergewöhnlich. Im Training oder im Spiel gibt es immer wieder Momente, wo ich denke: Brillant, das ist Magie! Dann schreie ich fast auf, weil ich kaum glauben kann, was mein Mitspieler da gerade gemacht hat. Ich will unbedingt auch dieses Level erreichen. Und um das zu schaffen, bin ich genau am richtigen Ort. Ich habe das Gefühl, dass ich jeden Tag dazulerne, dass ich meinem Spiel ständig neue Elemente hinzufüge, einfach weil ich diese Qualität um mich habe. Ich denke, dass ich schon jetzt ein besserer Spieler bin als im letzten Sommer.“
Das komplette Interview gibt es in der April-Ausgabe des FC Bayern-Magazins „51“.
Im Video seht Ihr das erste Interview auf Deutsch von Omar Richards:
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