Es liefen die letzten Minuten von der Uhr, die drückende, dampfende Hitze schob weit nach Sonnenuntergang noch immer das Thermometer nah an die 30 Grad Celsius, da begann das Publikum im randgefüllten World Cup Stadium in Seoul plötzlich, dieses Fußballspiel in eine regelrecht romantische Atmosphäre zu hüllen. Erst waren es einzelne Lichter von Mobiltelefonen, die die Menschen im weiten Rund der Spielstätte spontan anschalteten, dann machten es Hunderte ihnen gleich - am Ende leuchteten zehntausende Lampen von den Tribünen hinunter aufs Feld. Ein Anblick, wenn man so will, als seien die Sterne in diesem Moment eine Etage nach unten gerutscht.
Von den Fußballsternen, nach denen der FC Bayern auch in dieser Saison standesgemäß wieder greifen möchte, war jener 2:1 (1:0)-Sieg über Tottenham Hotspur ehrlicherweise noch ein gutes Stück entfernt gewesen. Zu wild war das Hin und Her vor allem ab Mitte der zweiten Hälfte der Begegnung gewesen, als beide Teams begannen, ihre Spieler derart munter auszutauschen, dass es selbst den erfahrenen Beobachtern Mühe bereitete, alle Auswechslungen auch korrekt in die Statistiken zu übertragen.
Ein schmeichelhaftes 1:0 zur Pause
Doch in Halbzeit eins, da waren sich Protagonisten wie Publikum einig, hatte der FC Bayern seinen Gegner mit offensivem Pressing derart eingeschnürt, dass das knappe 1:0 zur Pause - erzielt durch den 20 Jahre jungen Nachwuchsstürmer Gabriel Vidović nach nur vier Minuten - durchaus als schmeichelhaft bezeichnet werden konnte.
„Wir hätten zur Halbzeit höher führen müssen“, fand auch FC Bayern-Stürmer Thomas Müller, der zwischen den fleißigen Serge Gnabry und Mathys Tel das Angriffszentrum füllte: „Wenn ich daran denke, dass viele Spieler erst seit ein paar Tagen wieder im Training sind und wir dann so eine Halbzeit hinlegen, dann stimmt mich das zufrieden.“ Allein Gnabry hatte mehrfach die Chance besessen, das Ergebnis schon in der ersten Dreiviertelstunde in regelrecht schwindelerregende Höhen zu schrauben, doch dem 29-Jährigen fehlte nach flinken Dribblings das Abschlussglück. Einmal auch Tel, der allein vor dem fast schon bemitleidenswerten Guglielmo Vicario zwischen den Londoner Pfosten, den Ball nicht richtig traf. Die Überlegenheit der Münchner war mindestens so drückend wie die Abendhitze.
„Tottenham ist eines der am höchsten pressenden Teams in England“, erklärte der an der Linie sehr aktive Coach Vincent Kompany seine Taktik. „Für uns war es daher wichtig, ab dem Moment Gefahr auszustrahlen, in dem wir in Ballbesitz gelangten. Und das haben wir richtig stark umgesetzt.“
Sein Kapitän sah das ähnlich: „Wir sind gut reingekommen ins Spiel, haben Tottenham früh unter Druck gesetzt und hinten wenig zugelassen“, sagte Manuel Neuer. „Die hohen Ballgewinne haben zu vielen Torchancen geführt. Es macht einfach Spaß, wenn man sieht, dass sich die Mannschaft für die Arbeit belohnt. Insbesondere in der ersten Halbzeit war es sehr gut, was wir auf den Platz gebracht haben.“
Partie schien fast schon vorentschieden
Als auch der ins offensive Mittelfeld eingewechselte Leon Goretzka traf (56.), schien die Partie aufgrund der Kräfteverhältnisse bis dahin bereits vorentschieden. Doch Pedro Porro verkürzte mit einem wuchtigen Distanzschuss gegen Geburtstagskind Sven Ulreich, der zur zweiten Hälfte zwischen den Bayern-Pfosten stand, noch zum 2:1-Endstand aus Sicht des Rekordmeisters.
Laut wurde es im WM-Stadion von 2002 immer dann, wenn die beiden südkoreanischen Nationalspieler auf beiden Seiten in Ballnähe kamen - oder manchmal auch nur auf der Digitalwand der Arena gezeigt wurden: Minjae Kim beim FC Bayern und Heung-Min Son bei Tottenham. Joshua Kimmich spielte im defensiven, zentralen Mittelfeld neben Aleksander Pavlović. In der zweiten Hälfte tauschte der Neu-Coach seine Abräumer, Konrad Laimer und João Palhinha kamen aufs Feld. So erlebte der portugiesische Neuzugang sein Debüt im Bayerndress.
„Das Wichtigste heute war: Der gesamte Kader war bereit zu leiden unter den schwierigen Bedingungen“, sagte Kompany, der auf Jamal Musiala verzichtete, der sich noch im Aufbautraining nach dem EM-Urlaub befindet: „Du kannst in dieser Phase der Vorbereitung keine perfekte Leistung erwarten.“ Wohl aber eine, die durchaus ein Ausrufezeichen bei allen Zuschauern hinterlässt – und den Tross des FC Bayern morgen, wenn es gegen Mitternacht zurück in die bayerische Heimat gehen wird, sehr zufrieden aus Korea abheben lässt.
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