Weniger als sieben Minuten benötigte Michael Olise beim FC Bayern in der Pressekonferenz zu seiner Vorstellung. Nun setzt der 21 Jahre junge Franzose weitere rekordverdächtige Marken beim Rekordmeister: Beim 5:0 (2:0)-Kantersieg zum Wiesn-Auftakt bei Werder Bremen am Samstag war Olise an allen ersten vier Treffern irgendwie unmittelbar beteiligt. Der FC Bayern feierte so seinen vierten Sieg im vierten Bundesligaspiel – drei davon wohlgemerkt auswärts. So viel Dominanz in fremden Stadien zu einem frühen Zeitpunkt in der Saison zeigte der FCB zuletzt vor fast zehn Jahren in der Saison 2015/16.
Werder Bremen muss Staunen
Staunen musste über die erneut enorm spielstarken, eiskalten und dominanten Münchner aber vor allem der SV Werder Bremen. Das Selbstbewusstsein, mit dem der Rekordmeister an einem sonnigen Spätsommersamstag in den Norden gekommen war, das spürte man bis hinauf in den Oberrang des Weserstadions: Kein Zweikampf, kein Kopfballduell, kein Sprint gab der FC Bayern jemals verloren, sondern kämpfte sich von Beginn an hochkonzentriert in die ungleiche Partie. Mit einem 6:1-Sieg aus Kiel und dem 9:2 über Zagreb in der Champions League in der stolzgeschwellten Brust angereist, zeigten die Gäste niemals auch nur den Hauch eines Zweifels, diese torreiche Serie auch im Bundesliga-Traditionsduell gegen Bremen fortsetzen zu wollen.
Vincent Kompany, Bayerns Chefcoach, rotierte mit Konrad Laimer und Kingsley Coman für Raphael Guerreiro und Serge Gnabry frische Kräfte in die Startelf. Die etwas größere Überraschung aber spielte sich zwischen den Pfosten ab, wo Sven Ulreich für Manuel Neuer kurzfristig begann, um kein Risiko einzugehen, nachdem der Stammkeeper beim Aufwärmen eine leichte Reaktion im Oberschenkel verspürt hatte.
Der Überlegenheit der Mannschaft aber tat das keinen Abbruch: Es spielte vom Anpfiff weg nur der FC Bayern. Mit hohem Pressing und langen Ballbesitzphasen drückte der Rekordmeister zunehmend aufs Heimtor, pumpte, so schien es, minütlich immer mehr Luft in den Ballon, der sich zunehmend bis zum Zerreißen spannte. Zwar traf der starke Laimer nach acht Minuten nur die Querlatte, doch es war schon da nur noch eine Frage der Zeit, wann die Gäste in Führung gehen würden: Nach Ballverlust von Mitchell Weiser gegen Alphonso Davies schob Harry Kane den Ball weiter zu Michael Olise, der den Ball am Bremer Schlussmann Michael Zetterer vorbeispitzelte. Nur neun Minuten später tauschte Olise die Rollen und wurde zum Vorbereiter: Jamal Musiala musste ein traumhaftes Solo des Franzosen, der seine Mitspieler stehen ließ wie bessere Trainingshütchen, nur noch über die Linie bugsieren (32.). „Wir verstehen uns super, wir sprechen viel“, verriet Jamal Musiala nach Schlusspfiff über seinen neuen Mitspieler: „Je mehr Partien wir zusammen bestreiten, desto mehr Chemie bekommen wir.“ Keine gute Nachricht für die Abwehrreihen im europäischen Vereinsfußball.
„Das ist Bayern München!“
Und auch Werder rettete sich wie ein angeknockter Boxer reichlich taumelnd in die Halbzeitpause und kam tatsächlich zunächst etwas geordneter wieder aus der Kabine. Einen Torschuss jedoch konnte sich die Heimmannschaft weiterhin nicht erarbeiten – übrigens die vollen 90 Minuten lang nicht. Was auch an der starken Defensivarbeit der Bayern lag: „Minjae und Upa haben das heute überragend gemacht“, lobte Bayern-Sportdirektor Max Eberl hinterher. Doch es war das Defensivverhalten insgesamt, im Verbund, das es zu Loben galt, auch weil überhaupt kein Gegentor fiel. Denn: „Als sich dann Bremen einmal durchgespielt hat, klärt wohlgemerkt Michael Olise im eigenen Strafraum – das ist Bayern München!“, freute sich Eberl.
Besser noch: Auf der anderen Seite besorgte Harry Kane im Gegenzug mit seinem 41. Bundesligator die Entscheidung in Minute 57 – wieder hatte, na klar, der herausragende Michael Olise aufgelegt. Hatte Bremen zuvor noch so etwas wie ein wenig Mut gefasst, brach die Hintermannschaft der Grün-Weißen nun angesichts der gewaltigen Bayern-Überlegenheit in sich zusammen wie ein Kartenhaus am Stammtisch im Paulaner-Festzelt auf der Theresienwiese: „Wenn du dauernd hinterherläufst“, analysierte Max Eberl, „geht die Lust irgendwann verloren.“ Werder-Coach Ole Werner meinte zerknirscht: „Wir waren heute, bei der Qualität des Gegners, in allen Belangen unterlegen.“
Zwei Treffer, zwei Assists
Was ihm nicht gefallen konnte: Der FC Bayern bekam nun erst so richtig Lust am Toreschießen. Nach einem Abpraller schob der Mann des Tages den Ball zum 4:0 ins Netz: Michael Olise war damit mit zwei Treffern und zwei Assists an allen Gästetoren beteiligt (60.). Gleichzeitig war es sein fünftes Tor im dritten Spiel. Wer hingegen nicht ganz so viel vom Trefferzählen hält, dem lieferte der Angreifer eben noch einen anderen Topwert: Olise gewann starke 65 Prozent seiner Zweikämpfe. „Heute haben wir die null gehalten“, freute sich auch Coach Vincent Kompany, „auch wegen der Angreifer.“ Er könne es sich nicht besser wünschen, „als es heute gelaufen ist“, so der Belgier.
„Die Jungs wollen zocken“
Der eingewechselte Serge Gnabry setzte zehn Minuten nach seiner Einwechslung den Schlusspunkt zum 5:0 und damit die nächste Bestmarke: 20 Pflichtspieltore in einer Woche gelangen dem FC Bayern zuletzt im August 2021 (3:2 gegen Köln, 12:0 beim Bremer SV, 5:0 gegen Hertha). Und es wäre beinahe noch der 21. Treffer hinzugekommen: Joshua Kimmich traf kurz vor Schluss den Pfosten. „Wir haben Jungs, die zocken wollen, die Fußballspielen wollen“, freute sich Sportdirektor Max Eberl mit Blick auf den Wiesn-Besuch mit der Mannschaft am Sonntag auf dem Oktoberfest, „nach so einem Sieg kann morgen auch das ein oder andere Bier getrunken werden.“ Michael Olise, soviel ist klar, wird hierbei wohl ausnahmsweise keine neue, rekordverdächtige Marke beim Rekordmeister setzen.
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