Constantin Mirbach
Anfang des Jahres verstarb Franz Beckenbauer. Die Lichtgestalt. Der Kaiser. Ihm zu Ehren hat die Kurt Landauer Stiftung ein Bronzedenkmal in Auftrag gegeben. Wie kommt die Künstlerin voran? Welche Gedanken begleiten sie bei der Arbeit? Unser Mitgliedermagazin „51" hat Matilde Romagnoli in ihrer Werkstatt besucht.
„Schau’n mer mal, dann seng ma scho.“ Matilde Romagnoli schüttelt belustigt den Kopf, als sie erzählt, welche Ausdrücke sie in München neu gelernt hat. Seit zehn Jahren lebt die Italienerin in der bayerischen Landeshauptstadt, da bleibt es nicht aus, mit der einen oder anderen Beckenbauer‘schen Lebensweisheit in Berührung zu kommen. Doch jetzt hat der Kaiser für sie eine ganz andere Dimension angenommen. Fast drei Meter hoch steht er neben ihr. Das überlebensgroße Tonmodell ist noch nicht ausgearbeitet, es ist noch nicht zu erkennen, dass es Beckenbauer ist, aber Matilde Romagnoli sieht ihn längst vor sich. „Je mehr ich ihn kennenlerne, desto mehr fasziniert er mich“, sagt sie und lacht. „Ich glaube, man konnte sich schnell in ihn verlieben.“
Matilde Romagnoli steht in der Werkstatt der Kunstgießerei München, in einem Hinterhof der Schleißheimer Straße, mitten in der Stadt. Die Wände sind schwarzgrau vom Ruß und vom Staub, auf den Regalen, Werkbänken, am Boden, überall stapeln sich Figuren, Büsten, Gussformen und Werkzeuge. Ein einziges kreatives Durcheinander. Die Gießerei gibt es seit 1905, sie ist also fast so alt wie der FC Bayern. Es ist ein Ort der Tradition. Ein Ort, an dem die Zeit wohltuend stillsteht.
Ihre Liebe zum Bronzeguss entdeckte sie in München
Gerade riecht es nach feuchtem Ton. Denn mitten in der Halle steht das Tonmodell, das irgendwann zum Bronzedenkmal des Kaisers werden wird. Matilde Romagnoli klettert auf eine Leiter und klatscht einen Batzen der dunklen Masse auf Beckenbauers Nacken. Mit einem Werkzeug schabt sie einen Teil wieder ab, mit ihren Händen formt sie das weiche Material. Die Künstlerin ist mitten im Modellierprozess, arbeitet gerade an der Muskulatur des Kaisers. Zuvor hat sie ein Metallskelett zusammengeschweißt, es mit Hart- und Bauschaum ummantelt und die sogenannten „Landmarken“ gesetzt, um der Figur eine grobe Form zu geben. Danach wurde alles mit Gitterdraht umwickelt, jetzt wird der Ton aufgetragen.
„Ich mag den ganzen Schaffensprozess mit seiner Komplexität und seinen Kontrasten. Das Material ist mal weich, mal hart, mal kalt, mal heiß“, sagt Matilde Romagnoli. Die 31-Jährige hat in München ihre Liebe zum Bronzeguss entdeckt. „Als ich zum ersten Mal das Gießen erlebt habe, habe ich sofort alles verstanden“, erzählt sie. „So eine Bronzestatue ist wie ein Vulkan, nur andersherum. Sie spuckt die Lava nicht aus, sondern nimmt sie in ihr Inneres auf. Und diese Energie kannst du spüren, auch wenn die Bronze erkaltet ist.“ Die Energie des Kaisers.
Romagnoli: Auftrag „eine große Ehre"
Anfang Juli war Beckenbauer in das Leben von Matilde Romagnoli getreten, genauer gesagt war es die Kurt Landauer Stiftung. Ob sie nicht das Bronzedenkmal für Franz Beckenbauer machen möchte? „Ich habe sofort zugesagt“, erzählt die Künstlerin. „Es ist wunderbar, dass ich das machen darf, eine große Ehre – und eine Herausforderung. Aber ich mag Herausforderungen“, sagt sie und streicht sich eine lange Haarsträhne aus dem Gesicht. Ihre Hände sind schmutzig vom Ton.
„So eine Bronzestatue ist wie ein Vulkan, nur andersherum. Sie spuckt die Lava nicht aus, sondern nimmt sie in ihr Inneres auf. Und diese Energie kannst du spüren, auch wenn die Bronze erkaltet ist.”
Matilde Romagnoli
Für die Kurt Landauer Stiftung ist es nicht das erste Bronzedenkmal. 2019 verewigte die Stiftung den legendären FCB-Präsidenten Kurt Landauer auf dem Vereinsgelände an der Säbener Straße, 2023 folgte Gerd Müller vor der Allianz Arena. Genau dort soll im Herbst 2025 auch die Statue von Franz Beckenbauer ihren Platz bekommen. Auf einem Sockel stehend wird das Denkmal rund vier Meter hoch sein. „Beckenbauer war sein ganzes Leben lang ein Bayer. Er hat unseren Verein repräsentiert und in die Welt hinausgetragen“, erklärt Georg Mooshofer, warum die Stiftung nach Beckenbauers Tod Anfang des Jahres das nächste Denkmalprojekt gestartet hat. „Der FC Bayern war sein Leben“, ergänzt Christian Kröll, „er hat viele richtige Entscheidungen für den Verein getroffen, als Spieler, als Trainer und als Präsident.“ Beim FC Bayern schätzt man die Initiative der Fans. „Wir freuen uns sehr, dass unsere Fans um die Kurt Landauer Stiftung auch für Franz Beckenbauer ein Denkmal errichten, um dafür zu sorgen, dass sein Andenken auf ewig sichtbar, greifbar, erlebbar – und lebendig bleibt“, sagt Michael Diederich, der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des FC Bayern.
Beckenbauer's Denkmal: Stiftung hatte eine ganz konkrete Idee
Dass die Künstlerin aus Italien kommt, wo Beckenbauer mit dem WM-Titel 1990 zur „Lichtgestalt“ des deutschen Fußballs wurde, ist eine schöne Randnotiz. Auch dass eine Künstlerin das Kaiser-Denkmal schafft. Frauen spielten in Beckenbauers Leben immer eine besondere Rolle, angefangen mit seiner Mutter. „Wir haben gesucht, aber keine Frau gefunden, die jemals eine Fußballerstatue gemacht hat“, sagt Christian Kröll, „Matilde ist die erste.“
Die Mailänderin verstand sofort, was der Kurt Landauer Stiftung vorschwebte. Eine Figur, die ausdrückt, was der Kaiser war: überlegener Spielmacher, Dirigent, Maestro. Die Stiftung hatte eine ganz konkrete Idee: Beckenbauer, der mit dem Fuß auf dem Ball dasteht und alles im Blick hat. „Die Pose spiegelt seine Weitsicht und Spielintelligenz wider“, sagt Kröll. „Man sieht, wie er im Kopf schon drei Schritte weiter ist.“ Romagnoli gefiel das sofort. Die Figur besitze eine Spannung, sagt sie. „Er stoppt den Ball und überlegt, wohin er ihn als Nächstes spielen soll. Es ist ein kurzer Pausenmoment. Man spürt, gleich passiert was.“
Statue wird mit Spenden finanziert
Sobald das Tonmodell fertig ist, wird die Gießerei die nächsten Arbeitsschritte übernehmen. Das Modell muss in mehrere Teile zerlegt werden, weil es zu groß ist, um es in einem Stück zu gießen. Von jedem Einzelstück wird eine Silikonform angefertigt, anschließend eine Wachsform, an die Gusskanäle gesetzt werden. Schließlich entsteht eine Gussform aus hitzebeständiger Schamotte, das Wachs in der Form wird ausgeschmolzen, und in den entstandenen Hohlraum fließt die flüssige Bronze. Es ist ein jahrtausendealter Prozess.
Wie zuvor bei Kurt Landauer und Gerd Müller will die Stiftung das Denkmal wieder nur mit Spenden finanzieren. Der FC Bayern habe finanzielle Hilfe angeboten, dafür sei man dankbar, aber man werde kein Geld vom Verein annehmen, betonen die Vertreter der Stiftung. „Mit dem Denkmal haben wir Fans die Möglichkeit, ein aktiver Teil von Bayern München zu sein. Es ist, wie im Stadion zu stehen, mitzusingen und eine Choreo zu machen“, sagt Christian Kröll. Das höre man auch immer wieder von den Spendern. „Dass sie irgendwann mit ihren Kindern vor dem Denkmal stehen wollen und sagen können: Schau, da haben wir mitgemacht.“ Das ist unser Kaiser.
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© Bilder: Constantin Mirbach
Die Geschichte ist in der aktuellen Ausgabe des Mitgliedermagazins 51 erschienen:
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