Es ist nicht lange her, da erlebte das kleine Heidenheim an der Brenz seine bisher allergrößte Nacht. Der FC Chelsea war in den kleinen Ort zwischen Stuttgart und Augsburg nach Schwaben gereist. Zwar unterlag Heidenheim unglücklich mit 0:2 (0:0), und doch war es der vorläufige Höhepunkt einer märchenhaften Geschichte vom Dorfverein, der es in die große Fußballwelt geschafft hat. Und viele fragten sich einmal mehr, wie so etwas überhaupt noch möglich ist: Einen Mäzen gibt es beim 1. FC Heidenheim nicht. Dafür haben sie Holger Sanwald und Frank Schmidt.
Frank Schmidt: Der Volker Finke von Heidenheim
Schmidt ist geboren in Heidenheim an der Brenz und trainiert seit 2007 den 1. Fußball-Club Heidenheim. Zuvor war er selbst Verteidiger, beim kleinen TSV Vestenbergsgreuth, mit dem er dem FC Bayern einen schmerzhaften Abend bescherte. Am 14. September 1994 bewachte Schmidt im Pokal erfolgreich Jean-Pierre Papin. Dann ging er irgendwann zurück in seine Geburtsstadt, kickte mit dem FCH vor 150 Zuschauern in der fünftklassigen Verbandsliga. 2007 wurde Schmidt Trainer der Mannschaft und sagte, sein Ziel sei es, der Volker Finke von Heidenheim zu werden. Heute ist er der dienstälteste Bundesligacoach. Aus der damaligen viertklassigen Oberliga führte Schmidt den FC Heidenheim 2009 in die 3. Liga, 2014 in die 2. Liga und 2023 in die Bundesliga. Und wieder hinterließ er da beim FC Bayern schmerzhafte Erinnerungen an eine 2:3-Niederlage nach 2:0-Führung. Spätestens mit Tabellenplatz 8 wurde der 1. FC Heidenheim zu einem Phänomen und eine ganze Republik fragte sich: Wie ist so etwas möglich?
Holger Sanwald und die mittelständische Erfolgsstory
Womit man wiederum bei Holger Sanwald ist. Vor über 30 Jahren übernahm der 57-Jährige ehrenamtlich den Abteilungsleiterposten. Seine erste Aufgabe: den Bezirksligaabstieg abwenden. Als das gelungen war, suchte Sanwald, so erzählte er das mal, das Telefonbuch nach den besten Fußballern der Region ab. Und schnell war die Vision von der Oberliga geboren. Während Trainer Frank Schmidt mit beachtlicher Ruhe und Konzentration aufs Wesentliche im schwäbischen Hinterland einen immer erstaunlicheren Fußball etablierte, kümmerte sich Sanwald um die Sponsoren. Manche von damals sind heute noch dabei. Er tat das derart erfolgreich, dass die „Sportschau“ es eine mittelständische Erfolgsstory nannte. „Ich wundere mich noch immer über unseren Aufstieg“, sagte Holger Sanwald, „das alles war nie mein Ziel.“ Mittlerweile ist er Vorstandsvorsitzender des 1. FC Heidenheim und seit Ende 2017 Teil des DFB-Vorstands.
Erste Duftmarke in der Allianz Arena bei Pokal-Spektakel
Dabei hatte sich das Phänomen Heidenheim auch in der Allianz Arena schon einmal angekündigt, als es der Außenseiter als Zweitligist bis ins Viertelfinale des DFB-Pokals 2018/19 geschafft hatte. Neun Tore sahen die Zuschauer in München, eine Partie „an Dramatik nicht zu überbieten“, urteilte der „kicker“ damals. Die überraschende 1:2-Pausenführung drehte der FC Bayern bis zu einem 4:2 (65.), ehe Heidenheim zwölf Minuten später wieder ausglich. Robert Lewandowski entschied die Partie letztlich noch mit einem Elfmetertor. Doch auch damals nach der Beinahe-Sensation hob in Heidenheim niemand ab. Im Gegenteil, es blieb die Bodenständigkeit und Ruhe, die den Verein weiter reifen ließ. Der Erfolg kam, wenn man so will, viel mehr als logische Konsequenz solider Arbeit. So sah es jedenfalls Uli Hoeneß, angesprochen von Journalisten auf den 1. FC Heidenheim und Holger Sanwald: „Vom Stürmer in der Landesliga bis zum Vorstandsvorsitzenden in der ersten Liga – das ist Learning by Doing, wie es mir imponiert. Mir gefallen Typen, die anpacken, ihren Weg gehen und etwas aufbauen“, so Hoeneß.
Und so blieb es bis heute. Die Auslosung der Gruppenphase zur Conference League, deren Erreichen der bislang größte Erfolg des Vereins ist, verfolgten die Mannschaft und ihr Trainer gar nicht. Es war Training angesetzt. Frank Schmidt lässt gern hart trainieren, mit Liegestützen, Kniebeugen und Waldläufen. Die Heidenheimer rennen mehr, das sagt die Statistik, als jede andere Mannschaft in der ersten Liga. „Wir schätzen Herzblut, Körperlichkeit und Wucht“, beschreibt es Holger Sanwald. Und trotzdem werden aus kantigen Fußballern auch in Heidenheim manchmal Juwelen, wie in der vergangenen Saison Jan-Niklas Beste und Tim Kleindienst, heute bei Benfica Lissabon und in Mönchengladbach, die auch für die Nationalmannschaft auflaufen.
FCB-Talent Wanner reift in Heidenheim und Europa
Seit dieser Saison spielt auch Paul Wanner in Heidenheim. Mit 16 wurde er jüngster Spieler des FC Bayern in der Bundesliga und in der Champions League. Über Elversberg wurde er aus München nun zum FCH verliehen. „Dass der mit 18 solche Sachen macht, haben wir auch nicht gewusst, aber wir haben es gehofft“, sagt Holger Sanwald über Wanner. „Ich bin so glücklich, ich halte ihn für eines der größten Talente, die wir im deutschen Fußball haben.“ Wanner reift nun in Heidenheim. Und in Europa.
Die Fakten zur Partie gegen Heidenheim:
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