
Nach sieben Jahren Zweitklassigkeit ist der Hamburger SV zurück in der Bundesliga. Der Traditionsverein von der Elbe will sich im Oberhaus wieder etablieren – und setzt dabei weniger auf Spektakel, sondern auf defensive Stabilität. Bevor es am Samstagabend (18:30 Uhr) in der Allianz Arena zum Duell mit dem FC Bayern kommt, lohnt sich ein genauer Blick auf den Saisonstart, die zahlreichen Neuzugänge, die bevorzugte Aufstellung und die taktische Herangehensweise der Norddeutschen.
Holpriger Auftakt in Liga und Pokal
Aus den ersten beiden Bundesliga-Spielen holte der HSV einen Zähler. Dank der geordneten Defensive nahm der Aufsteiger in Mönchengladbach zum Auftakt einen Punkt mit nach Hause (0:0), im Derby gegen den FC St. Pauli hatte das über weite Strecken harmlose Team von Coach Merlin Polzin zuletzt das Nachsehen (0:2). Bislang stehen die Rothosen also noch ohne eigenen Treffer da. „Wir müssen lernen, noch gefährlicher zu werden“, sagte Kapitän Yussuf Poulsen nach der Partie gegen den Stadtrivalen. „Wir spielen phasenweise guten Fußball, kommen gut ins letzte Drittel, aber dann fehlt der entscheidende Pass oder die Flanke.“

Schon die Vorbereitung auf die erste Bundesliga-Saison seit sieben Jahren verlief etwas holprig. Lediglich gegen unterklassige Gegner wie den VfB Oldenburg (2:1) und den SC Weiche Flensburg 08 (2:1) waren die Hamburger überlegen, die meisten Testspiele wie etwa gegen den FC Kopenhagen (0:1), Sturm Graz (1:2), Olympique Lyon (0:4) oder RCD Mallorca (0:2) gingen verloren. In der Erstrundenpartie des DFB-Pokals mühte sich die Elf um Kapitän Poulsen beim Oberligisten FK Pirmasens zu einem 2:1-Sieg nach Verlängerung.
Großer Umbruch im Kader
Im Sommer holte sich der HSV in quasi allen Mannschaftsteilen Verstärkung hinzu. Angefangen auf der Torhüterposition, für die Daniel Peretz leihweise vom FC Bayern an die Elbe wechselte. Für die Innenverteidigung holte sich der ehemalige Bundesliga-Dino in Jordan Torunarigha (75 Spiele) reichlich Erstliga-Erfahrung ins Boot, zudem leihten die Hamburger mit Luka Vuskovic (18) ein vielversprechendes Talent von Tottenham Hotspur und mit Warmed Omari (25, Stade Rennes) einen gestandenen Profi aus der Ligue 1 aus. Giorgi Gocholeishvili (24, Schachtar Donezk) hat sich direkt auf der rechten Abwehrseite festgespielt.

Gleich vier Spieler verpflichtete der Aufsteiger für das zentrale Mittelfeld: Albert Sambi Lokonga (25) kam genauso wie Fábio Vieira (25, Leihe) vom FC Arsenal, dazu wurden Nicolai Remberg (25) von Holstein Kiel sowie Nicolás Capaldo (26) von RB Salzburg losgeeist. Im Sturmzentrum sollen Yussuf Poulsen (31, RB Leipzig) und Rayan Philippe (24, Eintracht Braunschweig) für neue Impulse sorgen. Den Neuverpflichtungen stehen jedoch auch einige prominente Abgänge gegenüber: In Ludovit Reis (zu Club Brügge), Davie Selke (zu Başakşehir) und Sebastian Schonlau (zu Vancouver) gab der HSV im Sommer drei Führungsspieler ab.
Polzin setzt auf Dreierkette
Merlin Polzin stellt seine Elf in einem 3-4-3-System auf. Vor Keeper Heuer Fernandes werden gegen den FCB voraussichtlich Warmed Omari, Luka Vuskovic und Jordan Torunarigha verteidigen. Im Mittelfeldzentrum könnte Polzin auf die beiden Neuzugänge Nicolai Remberg und Albert Sambi Lokonga vertrauen, flankiert von Miro Muheim (links) und Nicolás Capaldo (rechts), der den Gelb-Rot-gesperrten Giorgi Gocholeishvili vertreten könnte. Die Dreierreihe im Angriff wird wahrscheinlich aus Fabio Vieira, Ransford-Yeboah Königsdörffer und Jean-Luc Dompé bestehen. Aber auch Alexander Rössing-Lelesiit und Yussuf Poulsen sind Optionen für die Partie beim FC Bayern.

Defensive Stabilität als oberste Prämisse
Nach dem Aufstieg hat der HSV seine Spielweise klar angepasst: Priorität hat zunächst die defensive Stabilität. Ähnlich wie es Stadtrivale St. Pauli vor einem Jahr vorgemacht hat, setzt auch Hamburg auf Kompaktheit, weniger Ballbesitz und eine Ausrichtung, bei der die Null stehen soll. Coach Polzin ist sich bewusst, dass die Fans nach Jahren des offensiven Spektakels in der Zweiten Liga Umstellungen wahrnehmen – und nicht jede davon sofort auf Begeisterung stoßen dürfte.
Um die neue Spielidee umzusetzen, wurde der Kader deutlich verändert. Beim Bundesliga-Auftakt gegen Borussia Mönchengladbach standen gleich acht neue Gesichter in der Startelf, darunter fünf Sommerzugänge. Dass der HSV künftig häufiger den Gegner das Spiel machen lassen und selbst auf Umschaltmomente setzen wird, hat Polzin bereits angedeutet. So könnte Hamburg flexibel zwischen Vierer- und Fünferkette variieren, um defensiv noch stabiler zu stehen.

Der Trainer weiß allerdings auch: in vielen Partien der Bundesliga werden andere Mannschaften mehr Ballbesitz haben als seine Elf. Darauf gilt es, vorbereitet zu sein – auch durch mehr taktische Variabilität. Erste Ansätze, das Mittelfeldzentrum mit Neuzugängen wie Nicolás Capaldo und Nicolai Remberg zu verdichten, waren gegen St. Pauli bereits erkennbar. Doch während das für mehr Stabilität sorgt, fehlt den Hamburgern bislang noch die Kreativität, um ihr Offensivspiel konsequent ins letzte Drittel zu tragen.
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