Als Europameisterin kam Georgia Stanway (24) im vergangenen Sommer nach München und greift jetzt mit den FCB-Frauen nach dem Meistertitel. Der FC Bayern sei wie für sie gemacht, findet die Engländerin. Exklusiv aus dem Mitgliedermagazin „Säbener 51": ein Gespräch über Brüder, blaue Flecken und Bohnen auf Toast.
Das Interview mit Georgia Stanway
Georgia, die letzten Wochen der Saison stehen an. Ihr seid Tabellenführer in der Bundesliga – und Ende Mai Meister?
„Dafür geben wir alles. Jedes Spiel ist jetzt ein Finale. Wir müssen einfach den Ball laufen lassen, Freude und Selbstbewusstsein ausstrahlen und ein Spiel nach dem anderen gewinnen. Ich denke, wenn jede Einzelne von uns in Top-Form ist, dann können wir unschlagbar sein.“
„Ich denke, wenn jede Einzelne von uns in Top-Form ist, dann können wir unschlagbar sein.”
Georgia Stanway
In einem Interview hast du gesagt, dass ihr „fieser“ werden müsst. Wie meinst du das?
„Ich finde, dass wir als Mannschaft manchmal etwas zu brav sind. Für den Gegner muss es unangenehm sein, gegen uns zu spielen, weil er nicht an den Ball kommt, weil er sich nicht befreien kann, weil er merkt, wie stark wir sind. Vor ein paar Wochen haben wir in der Bundesliga Wolfsburg 1:0 besiegt, da hat das so gut geklappt wie noch nie. Sobald eine von uns am Boden lag, haben die anderen einen Kreis um sie gebildet. Um solche Details geht es, aber auch darum, dass wir aneinander hohe Anforderungen stellen, dass wir in der Lage sind, konstruktiv Kritik zu üben und anzunehmen.“
Ist der Fußball in England fieser als in Deutschland?
„Ich glaube schon, dass es in England etwas rabiater zugeht. Wahrscheinlich weil das einfach unsere Natur ist (lacht). Wir Engländer sprechen oft, bevor wir denken. In Deutschland ist es eher umgekehrt. Die Mannschaften in der Bundesliga spielen viel taktischer, viel strukturierter und disziplinierter. Dadurch sind sie schwerer zu knacken.“
Du bist mit drei Brüdern aufgewachsen. Da musstest du bestimmt lernen, dich zu wehren.
„Das kann man sagen (lacht). Ich bin in einer Familie groß geworden, in der es immer darum ging, Erster zu sein. Der Erste beim Essen, der Erste im Auto, um vorne sitzen zu können. Alles war immer ein Wettbewerb. Im Alter von vier bis zwölf habe ich auch immer in einer Jungen-Mannschaft gespielt, immer als einziges Mädchen. Da habe ich gelernt, die Ellenbogen auszufahren und mich in den Matsch zu werfen. Das war schon prägend. Ich wollte immer die Beste sein.“
Auch für den FC Bayern geht es immer ums Gewinnen. Du fühlst dich hier also wie zu Hause?
„Total. Ich hasse es, zu verlieren. Und wenn es manchmal doch passiert, bin ich die Erste, die zurück auf den Rasen will, um die Dinge wieder zurechtzurücken.“
„Im Alter von vier bis zwölf habe ich auch immer in einer Jungen-Mannschaft gespielt, immer als einziges Mädchen. Da habe ich gelernt, die Ellenbogen auszufahren und mich in den Matsch zu werfen.”
Georgia Stanway
Wenn Mitspieler oder Trainer über dich sprechen, fallen immer Worte wie Mentalität, Mut, Power oder Ehrgeiz. Das klingt nach einem kleinen Mädchen, das nicht stillsitzen kann.
„Oh ja! Und das ist heute immer noch so. Wenn ich in meiner Wohnung bin, bin ich ständig am Rumwerkeln, putze die Schubladen oder sorge für Ordnung in der Küche. Ich komme eben aus einer sehr aktiven Familie. Meine Eltern sind beide Sportlehrer. Meine Mama war Läuferin, mein Vater hat Fußball gespielt, meine Brüder auch. Wir haben auch alle Cricket gespielt. Sport gehörte bei uns einfach jeden Tag dazu. Aber auch wenn ich es nicht mag, musste ich lernen, dass es meinem Körper manchmal guttut stillzusitzen.“
Erzähl uns ein bisschen von deiner Kindheit. Du bist in Barrow im Nordwesten Englands aufgewachsen.
„Barrow liegt quasi am Ende der Welt. Man kann nicht weiterfahren, weil dahinter die Irische See kommt. Ich habe es geliebt, dort groß zu werden. Strand, Berge, Seen, gutes Essen… Es gibt alles, was man braucht. Die Leute sind so hilfsbereit, nur dank ihrer Hilfe konnte ich es bis hierher schaffen. Ich bekam eine freie Mitgliedschaft im Fitnessstudio, einen Zuschuss zu den Benzinkosten, eine Werkstatt hat mir sogar ein Auto zur Verfügung gestellt, als ich den Führerschein hatte. Eigentlich gab es keinen Grund, von Barrow wegzugehen, aber für den Fußball musste ich das tun. Jetzt möchte ich etwas zurückgeben. Leider hatte ich bisher noch keine Zeit dafür, weil ich letzten Sommer nach der EM direkt nach München gekommen bin und seitdem nicht mehr zu Hause war. Aber im Sommer werde ich zurückkehren und vielleicht ein paar Schulen besuchen.“
Deine Mutter soll mit dir trainiert und danach überall blaue Flecken gehabt haben.
„(lacht) Ja, ihr hättet sie schreien hören sollen. Damals habe ich in Blackburn gespielt und hatte eine Phase, in der ich das Tor nicht mehr getroffen habe. Ich war total frustriert. In den Sommerferien ist meine Mutter dann sechs Wochen lang mit mir zum Fußballplatz gelaufen, hat sich ins Tor gestellt, und ich habe geschossen. Sie hat es gehasst, aber sie wollte mir unbedingt helfen. Meine Mutter ist einfach crazy, ich bewundere sie sehr.“
Für Bayern sind dir schon einige sehenswerte Tore aus der Distanz gelungen. Woher kommt die Power in deinem rechten Fuß?
„Das frage ich mich auch manchmal. Denn egal, wie viel ich im Kraftraum arbeite, da tut sich bei mir nicht viel (lacht). Wahrscheinlich ist mir diese Power ein bisschen angeboren. Außerdem glaube ich, dass es mehr eine Frage der Technik als der Kraft ist.“
Perfekt getroffen! Im Heimspiel gegen Bayer 04 Leverkusen erzielte Georgia Stanway das FC Bayern Tor des Monats Dezember:
Vielleicht liegt es auch an den Bohnen auf Toast, die du vor jedem Spiel isst?
„Die geben auf jeden Fall Kraft. Zum Glück habe ich ein Geschäft in München gefunden, wo ich meine Bohnen bekomme. Es müssen nämlich Heinz Beanz sein, das sind die besten. Wenn mich meine Eltern oder Freunde besuchen, bringen sie mir auch immer ein paar Dosen mit. Hier in Deutschland schmecken sie aber irgendwie anders.“
Die Women’s Super League in England gilt im Moment als Vorzeigeliga im Frauenfußball. Du aber hast England verlassen, um zum FC Bayern zu kommen. Warum?
„Nach sieben Jahren bei Manchester City fühlte ich, dass es Zeit für den nächsten Schritt war. Ich wollte raus aus meiner Komfortzone. Und ich glaube, es war das Beste, was ich tun konnte. Die Entscheidung für den FCB war einfach. Ich war total beeindruckt vom Interesse, es ist so ein riesiger Club, die Gespräche liefen gut, Bayern war wie für mich bestimmt. Jetzt bin ich total glücklich hier, auf und neben dem Platz.“
Hast du den Eindruck, dass dich dein erstes Bayern-Jahr als Spielerin weitergebracht hat?
„Wenn man zu einem anderen Club in ein anderes Land kommt, ist erst mal alles neu: die Sprache, die Kultur, die Taktik … Da braucht man normalerweise sechs bis acht Monate, um anzukommen. Aber ich habe mich hier nach ein paar Wochen schon so wohlgefühlt und konnte auf dem Platz zeigen, wofür ich stehe. Es ging viel schneller, als ich gedacht hatte. Nach der EURO kam ich natürlich auch mit jeder Menge Selbstbewusstsein hierher, das hat sicher nicht geschadet. Und ich habe das Gefühl, dass ich mich in der Kürze der Zeit schon mehr weiterentwickelt habe, als ich erwartet hatte.“
Wie läuft es mit dem Deutschlernen?
„Vor Kurzem habe ich einen Spruch gehört: „Das Leben ist zu kurz, um Deutsch zu lernen.“ Ich stimme zu (lacht). Im Ernst: Ich habe regelmäßig Unterricht und bemühe mich. In der Mannschaft und im Training sprechen wir aber auch viel Englisch. Das hat mir geholfen, schnell Anschluss finden.“
„Ich habe mich hier nach ein paar Wochen schon wohlgefühlt und konnte auf dem Platz zeigen, wofür ich stehe. Es ging viel schneller, als ich gedacht hatte.”
Georgia Stanway
Du bist erst 24 und hast schon viele Trophäen gewonnen: die drei großen Titel in England und den EM-Titel. Was sind deine nächsten Ziele?
„Die Bundesliga mit dem FC Bayern, das möchte ich jetzt mit dieser Mannschaft schaffen. Und dann kommt im Sommer die Weltmeisterschaft.“
England ist Top-Favorit. Wer kann euch schlagen?
„Das werden wir sehen (lacht).“
Das komplette Interview mit Georgia Stanway gibt es in der aktuellen Ausgabe des Mitgliedermagazins „Säbener 51":
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