Montagmorgen, 8:28 Uhr: Der kalte Betonboden der Tiefgarage hallt, als zwei vertraute Schritte sich nähern. Für Lena Oberdorf und Kathi Naschenweng beginnt der gleiche, beinahe schon routinierte Tagesablauf. Die beiden wohnen nur wenige Gehminuten voneinander entfernt, sind fast schon Nachbarinnen – und so ist es wenig verwunderlich, dass sie nach ihren Verletzungen aktuell nicht nur gemeinsam auf ihr Comeback hinarbeiten, sondern auch den Weg in die Reha am FC Bayern Campus als Team zurücklegen.
In der Tiefgarage, in der sie sich jeden Morgen zur selben Uhrzeit treffen, stehen ihre Autos meist nebeneinander – das eine von Lena, das andere von Kathi. „Wir machen das immer recht spontan, wenn wir uns treffen. Mal fährt Kathi zum Campus, mal ich. Uns tun die gemeinsamen Fahrten gut. Dadurch, dass wir aktuell denselben Weg durchmachen, verstehen wir einander noch etwas besser. Ich habe das Gefühl, Kathi weiß manchmal genau, wie ich mich fühle oder was in mir vorgeht, sie ist ein sehr empathischer Mensch. Wenn wir zusammen im Auto sitzen und mal nichts reden, ist das auch völlig okay und nicht unangenehm. Mit manchen Menschen entsteht in solchen Momenten eine unangenehme Stille, bei uns ist es aber immer laut“, erzählt Oberdorf schmunzelnd.
Die unverhoffte Stütze
Angekommen in der Reha am Campus wird recht schnell deutlich, wie gut sich die beiden verstehen. Oberdorf und Naschenweng lachen gemeinsam, tauschen sich zwischen den einzelnen Übungen intensiv aus, helfen einander. Zwischen den Nationalspielerinnen hat sich innerhalb kurzer Zeit eine Freundschaft entwickelt, mit der sie selbst gar nicht unbedingt gerechnet hatten: „Wir kannten uns zuvor nicht gut. Eigentlich nur aus den Bundesliga- und Länderspielen. Ich bin ja erst im Sommer nach München gekommen und kannte Kathi nur aus den Analysen von den Spielen gegen die Nationalmannschaft und Bayern, ansonsten nicht wirklich. Deswegen hätte ich auch nicht gedacht, dass aus der Zwangspause in so kurzer Zeit eine Freundschaft entstehen kann. Ich wusste, dass sie Außenverteidigerin und nicht gerade die Langsamste ist, so viel mehr aber auch nicht“, so die 23-Jährige – und gibt zu, von Beginn an froh über die Anwesenheit Naschenwengs in der Reha gewesen zu sein: „Natürlich wünscht man es niemandem, dass er oder sie in der Reha ist und von solch einer Verletzung betroffen ist. Aber für mich persönlich war es von Tag eins an deutlich angenehmer und erträglicher, dass ich den Prozess mit ihr durchlaufen konnte. Gemeinsam ist einfach alles leichter.“
Über Vertrauen und Stärke
Auch für Naschenweng ist die neu entstandene Freundschaft zu Oberdorf weit mehr als nur ein angenehmer Nebeneffekt im Reha-Alltag: „Obi tut mir mit ihrer Art und Weise, mit Dingen umzugehen, echt gut. Sie hat zwei Seiten in sich, die ich unheimlich schätze. Sie kann total lustig sein, manchmal ist sie ein richtiger Clown.Gleichzeitig ist sie aber auch eine sehr ruhige Person. Ich habe sie als einen mega offenen, unkomplizierten und lustigen Menschen kennengelernt, mit dem man über alles sprechen kann“, so die 27-Jährige.
Bereits 2018 erlitt die Oberkärntnerin eine schwerwiegende Knieverletzung. Damals war es ein Kreuzband- und Außenmeniskuseinriss, welcher sie rund 425 Tage außer Gefecht setzte. „Die Erfahrungen von damals helfen mir auf Fälle. Ich weiß heute viel besser, dass der Weg zurück ein Prozess ist, der nicht immer kontinuierlich in eine Richtung geht. Es ist völlig normal, dass man sich an einem Tag gut und am nächsten Tag vielleicht wieder etwas schlechter fühlt. Um wieder zur alten Stärke zu kommen, muss ich das Knie maximal belasten, das wusste ich damals nicht immer“, so Naschenweng rückblickend.
„Ich weiß heute viel besser, dass der Weg zurück ein Prozess ist, der nicht immer kontinuierlich in eine Richtung geht. Es ist völlig normal, dass man sich an einem Tag gut und am nächsten Tag vielleicht wieder etwas schlechter fühlt.”
Kathi Naschenweng über den Heilungsprozess in der Reha
Ihre Erfahrungen von damals helfen aber auch Oberdorf, den Heilungsprozess in der Reha nicht als Sprint, sondern vielmehr als einen langen und sich lohnenden Weg anzusehen. „Zu Beginn hatte ich Probleme, dem Knie zu vertrauen, zum Beispiel als ich die ersten Hürdensprünge machen sollte. Ich war anfangs zögerlich, auch weil ich nicht wusste, was ich meinem Knie zutrauen kann. Kathi hat mich dann immer wieder gepusht und motiviert“, so Oberdorf.
Darüber hinaus betont die 23-Jährige, wie gut ihr Naschenweng als Mensch tut: „Kathi ist eine unheimlich nette, hilfsbereite und liebenswerte Person. Sie ist ein sehr direkter Mensch, der einem Dinge auch mal direkt sagen kann. Das schätze ich sehr an ihr, ich bin eher der etwas zurückhaltendere Typ. Mir tun Menschen, die andere Charakterzüge haben als ich, echt gut. Ich glaube, das hilft einem grundsätzlich auch in der Persönlichkeitsentwicklung immer weiter.“
Weit mehr als nur ein Team
Neben der gegenseitigen Unterstützung untereinander ist es aber auch der mannschaftliche Zusammenhalt, der die beiden antreibt. „Wir sehen das Team eigentlich jeden Tag, viele der Mädels kommen vor dem Training bei uns in der Reha vorbei. Wir reden oft miteinander und verbringen die Mittagspausen zusammen. Das tut gut, die Mannschaftsnähe ist da, Obi und ich haben immer das Gefühl, dabei zu sein, auch wenn wir momentan nicht helfen können“, erzählt Naschenweng mit einem Lächeln auf den Lippen.
So auch bei den Heimspielen am FC Bayern Campus, auch wenn es bei den ersten Malen für beide nicht leicht war, von der Tribüne aus zuzusehen. „Ich kann mich noch gut an das erste Champions League-Duell in dieser Saison gegen Arsenal erinnern. Da hat es in mir schon gekribbelt, es hat wehgetan, in so einer Partie und diesem Wettbewerb nicht mit dabei sein zu können“, erzählt Naschenweng rückblickend. Ganz ähnlich geht es Oberdorf, für die die Auswärtspartien eine noch größere mentale Herausforderung darstellen, wie die 22-Jährige zugibt. „Ehrlicherweise bin ich manchmal sogar zu nervös, um nur das Spiel an sich anzuschauen. Das Pokalspiel gegen Freiburg habe ich deswegen auf dem Laptop laufen lassen und nebenbei den Fernseher angehabt. Ich finde es sehr schwer, mit dem Gefühl zu leben, der Mannschaft auf dem Platz nicht helfen zu können. Deswegen ist jedes Spiel auch eine große Motivation, so schnell wie möglich wieder bei der Mannschaft zu sein und mithelfen zu können.“
Das große Ziel fest im Blick
Bis zum Moment, an dem die beiden wieder mit ihrem Team auf dem Platz stehen, werden sie allerdings noch ein paar Tage in der Reha verbringen, ihr gemeinsames Ziel haben Oberdorf und Naschenweng aber stets fest im Blick. „Wir reden immer wieder über die ersten Flugbälle auf dem Platz. Wenn wir die zusammen spielen könnten, wäre das natürlich schon sehr cool. Wir sind momentan in etwa auf demselben Stand, auch wenn Obi etwas später in die Reha gekommen ist“, erzählt Naschenweng. Der Gedanke an die ersten Einheiten auf dem Platz, das gemeinsame Spiel sowie das Teilen von Momenten auf dem Rasen mit der Mannschaft gibt ihnen bereits jetzt tagtäglich neue Motivation. Und eines steht für Oberdorf und Naschenweng ohnehin schon fest. Auch dann, wenn sie wieder zusammen für die FC Bayern Frauen auf dem Platz stehen, wird es für sie gemeinsam von der Tiefgarage aus an den Campus gehen.
Der große Jahresrückblick der FC Bayern Frauen:
Themen dieses Artikels