
Schon als junges Mädchen saß sie nach der Schule im Gartenlokal ihrer Mama – nun verwirklichte sich Jovana Damnjanović ihren Traum vom eigenen Café. Die Stürmerin des FC Bayern ist auf dem Platz ein Espresso mit viel Power – in ihrem „nine fine roastery“ kommt selbst sie mal zur Ruhe.
Auf den Illustrationen an der Wand wiederholt sich ein Motiv: Eine Frau in Badesachen hechtet aus einer beträchtlichen Höhe in eine überdimensionale Tasse Kaffee, offensichtlich voller Vorfreude, das lässt sich aus der Körperhaltung mühelos interpretieren. Ein Sprung ins Glück, und dazwischen hängt das Bild einer Kassette, die Menschen rätseln lassen könnte, die nach den 90ern auf die Welt kamen. „Life has no rewind“ ist auf die Hülle gedruckt, „enjoy every moment.“ Das alles trifft den Spirit des Cafés „nine fine roastery“ – und das, was seine Besitzerin ausstrahlt. Jovana Damnjanović ist kopfüber ins kalte Wasser – übertragen: in den heißen Kaffee – gesprungen, voller Genuss, und sie wird den Teufel tun und irgendwas zurückspulen: Die Bayern-Stürmerin genießt jeden Augenblick, gerade hier und jetzt, in ihrem eigenen Café in der Hirschgartenallee 24 im Münchner Stadtteil Neuhausen-Nymphenburg.
Die Sonne taucht alles in ein Licht voller Frühlingsglücksgefühle: die Bilder an der Wand, die gemütliche bunte Einrichtung, die Theke in Baumhaus-Optik, das cremefarbene Fußballtrikot, das an einem Heizungskörper hängt. Das aktuelle Champions League-Dress war ein Geschenk vom Betreuerteam um Trainer Alex Straus, erzählt Jovi, es passt farblich top zum Thema Kaffee, aber es ist die einzige Referenz an ihren Sport: „Ich wollte keine Fußballbar, sondern ein Café, in dem sich alle wohlfühlen, in das die Nachbarn kommen, weil es einen guten Kaffee gibt und man sich in Ruhe zusammensetzen kann“, erzählt sie. „Bei uns zu Hause in Serbien bedeutet der Satz ‚Lass uns einen Kaffee trinken‘, dass man sich Zeit füreinander nimmt.“ Damnjanović hat sich in einer Ecke ihres Cafés eingerichtet, eine dampfende Tasse in der Hand, hinter ihrer Schulter hängt eine Zeichnung aus Belgrad. Man fühlt sich hier auf Anhieb heimisch.
Ein Traum, der in der Kindheit wurzelt

Schon immer hatte sie den Traum, so einen Laden zu betreiben, meint die 30-Jährige. Auf dem Balkan werde immer gebaut und wieder abgebaut, berichtet sie, und eines Tages eröffnete ihre Mama neben der Werkstatt in ihrem Garten einfach ein kleines Café. „Es war cool – Leute haben sich auf einen Kaffee getroffen, es war ein Kommen und Gehen, für mich war es völlig normal, nach der Schule auch dort zu sein – ich fand das superschön, die Atmosphäre, und ich wusste: Irgendwann möchte ich das auch mal so machen.“ Alles begann dann 2020, als ihr Kreuzband riss. Sie suchte eine Beschäftigung, etwas für den Kopf, studiert hatte sie schon, es musste etwas Neues sein – und so begann sie, sich ins Thema Kaffee zu vertiefen.
Damnjanović kaufte eine Siebträgermaschine und einen Heimröster, ein Jahr später absolvierte sie verschiedene Ausbildungen für Kaffee, Barista-Techniken, Verkostungen. „Ich musste meinen Kopf beschäftigen und merkte: Das Thema macht mir Spaß“, erzählt sie. Sie begann, Bohnen selbst zu rösten, und nachdem ihr 2024 gestarteter Onlineshop schnell eine große Fangemeinde eroberte, reifte der Entschluss, jetzt den Traum vom eigenen Laden zu verwirklichen. Am Ende der Suche bekam sie im November die Schlüssel für die Räumlichkeiten in der Hirschgartenallee ausgehändigt, Anfang Januar 2025 wurde eröffnet. „Als ich das erste Mal hier dringestanden habe, wusste ich: Das ist genau das, was ich mir erträumt habe.“
Kaffee mit Charakter und Verantwortung

Fast alles hat sie selbst gemacht, mit Familie und Freunden – und auch die Teamkolleginnen packten mit an: Die Farbe für die Wand da drüben hat Giulia Gwinn ausgesucht, erzählt Damnjanović, auch beim Verlegen der sonnenüberfluteten Holzterrasse draußen hatte sie Hilfe. „Ich habe gesägt, geweißelt, alles Mögliche, wir hatten viel zu tun“, so die Stürmerin, deren heimlicher größter Stolz die Theke ist. Die hat sie sich in diesem Stil eingebildet, ihr Mann hatte Bedenken, aber sie setzte sich durch – und ist nun glücklich. „Ich hatte generell klare Vorstellungen davon, wie alles aussehen soll. In diesem Café ist alles zu 100 Prozent Jovi.“
Am Abend vor der Eröffnung gab es eine Pre-Opening-Party mit dem ganzen Team, der erste offizielle Gast am nächsten Tag war Lea Schüller – obwohl sie kurioserweise gar keinen Kaffee trinkt, wie Jovi lachend erzählt. Die Gäste erwarten aber auch coole Bowls und selbst gemachte Brote – nicht nur Kaffeeliebhaber kommen auf den Geschmack. Manche Gerichte sind nach Teamkolleginnen benannt, wie „Gigi Special“ nach Giulia Gwinn (Brot mit Lachs, Rührei, Avocado und Frischkäse) oder die „Stahlmann Bowl“ als Reminiszenz an Linda Dallmann mit Haferflocken, Beeren, Mandeln. Und als vor einiger Zeit plötzlich ein Engpass drohte, reichte ein Rundruf, und die FC Bayern Frauen rückten mit Selbstgebackenem an. Die Gäste ließen vom Käsekuchen genauso wenig übrig wie vom Karottenkuchen à la FCB.
Zwei Mühlen für doppelten Genuss

Immer wieder unterbricht Jovana das Gespräch – sie hilft gern, wenn Gäste ihre Wünsche äußern. Zwei- bis dreimal die Woche ist sie im Café, öfter ist während der Englischen Wochen schwer, und sie hat sichtlich Spaß, selbst im Service zu arbeiten. Jede Bohne, die hier konsumiert wird, „habe ich selbst geröstet“, erzählt sie. Aktuell fährt sie dazu alle paar Wochen nach Mannheim, wo sie ihre Ausbildung gemacht hat, und füllt das Auto mit frisch geröstetem Kaffee. Kein Dauerzustand, sagt sie, sie sucht einen Standort in München, ganz generell sind ihr saubere Lieferketten wichtig. „Gute Bohnen bekommt man nur, wenn die gesamte Produktionskette stimmt“, sagt sie. „Wenn es den Menschen auf den Farmen gut geht, wenn sie fair bezahlt werden, erhält man am Ende auch einen hochwertigen Kaffee.“ Viele Farmer lernte sie persönlich kennen, Thomas aus Mexiko schreibt auf die Säcke: „Für meine Fußballerin Jovi“. Solch tiefere Beziehungen vermitteln ihr, dass die Abläufe korrekt sind.
Denn die Qualität ist für sie das A und O, und dafür muss alles stimmen, sagt sie. Die Bohnen kommen aus Mexiko, El Salvador, Brasilien und Indien. „Ich probiere ständig neue Sachen aus, aktuell haben wir fünf bis sechs verschiedene Kaffees – zwei bis drei für Espresso, zwei für Filterkaffee.“ Sie wolle für jeden Geschmack etwas anbieten, klassisch kräftig, italienisch geröstet genauso wie fruchtiger mit leichter Säure, das ist dann eine hellere Röstung. Im Café stehen auch extra zwei Mühlen: die eine für Kaffee, der bestens mit Milch harmoniert, für Cappuccino oder Flat White; die andere für Espresso, Americano oder schwarzen Kaffee – komplett anders geröstet, mit mehr Frucht und Süße. Wenn sie ihr Fußballspiel mit Kaffee vergleichen würde, für welche Mischung stünde sie? Damnjanović lacht: „Ich wäre ein kräftiger, würziger Espresso, kein kreativer Cappuccino – mein Spielstil ist hart arbeitend, intensiv, mit Temperament, das passt zu einem dunklen Espresso mit viel Power.“
München in der Warteschleife

Damnjanović sitzt jetzt wieder in ihrem sonnigen Eck, blinzelt raus durch das große Fenster, heute ist es schon warm genug, um auch die Terrasse zu nutzen. Der Blick geht in die Ferne, Erinnerungen werden wach. Im Februar 2013 hatte sie bereits ein Probetraining beim FC Bayern absolviert, wieder in Serbien, sagte sie ihren Eltern: „Ich gehe nach München!“ Der Wechsel zerschlug sich, erst vier Jahre später kam sie über Wolfsburg und den SC Sand zum deutschen Rekordmeister. Früher stieg sie regelmäßig in München um, und von oben aus dem Flieger schaute sie auf die Stadt und hatte immer das Gefühl, eines Tages mal hier zu leben. „Ich wusste von Anfang an, München ist meine Stadt – und jetzt bin ich hier, seit fast acht Jahren schon. Ich habe großes Glück.“ Warum gibt es eigentlich kein Weißwurstfrühstück auf der Karte, bei so viel (Wahl-) Heimatgefühlen? Jovi lacht. „Keine Ahnung, ich dachte, das passt nicht – wir sind nicht der Hirschgarten.“ Der beliebte Biergarten ist aber nur wenige Gehminuten entfernt.
Vor zehn Jahren hätte sie sich das alles nie erträumt, sagt Jovana Damnjanović. „Mit Anfang 20 denkst du noch nicht so weit.“ Und jetzt, was ist ihr wichtig, wenn sie nach vorne schaut? Sie überlegt nicht lange: „Dass die Leute gern hierherkommen. Dass sie wissen, dass sie hier immer einen guten Kaffee bekommen. Hier darf nie etwas Schlechtes serviert werden, das ist mein Baby, meine Zukunft.“ Dafür wird sie immer alles geben, verspricht sie, von früh bis spät, wobei sie übrigens kurioserweise nicht zu den Menschen gehört, die vor dem ersten Kaffee kaum ansprechbar sind: „Ich trinke Kaffee nicht, weil ich ihn brauche – sondern weil er mir schmeckt.“
Zum Abschluss schweift der Blick noch einmal über die Wände des „nine fine roastery“. Zwischen den stilisierten Kaffee-Springerinnen lassen sich noch ein paar Sinnsprüche entdecken. Auf einem Bild steht zu lesen, dass ein guter Tag mit einem Kaffee startet und mit einem Wein endet – auch das deckt Jovana Damnjanovićs Café bei Öffnungszeiten von neun bis 17 Uhr (montags geschlossen) ab. Die schönste Weisheit hängt gegenüber der Theke: „How do you like your coffee? – With you!“ Darum geht es hier in der Hirschgartenallee 24: dass man sich auch mal mit Genuss fallen lassen kann, dass man beim Leben immer mehr die Vorwärts- als die Rückspultaste drückt – und mit demjenigen genießt, der neben einem sitzt.
FC Bayern Frauen II verpflichten Sophie Klein: