
Magische Momente, mediterrane Wurzeln & München als neuer Lebensmittelpunkt: José Barcala ist seit Anfang Juli Cheftrainer der FC Bayern Frauen. In Interview mit fcbayern.com spricht der 43-jährige Spanier über Fußball als Kulturgut, seine ersten Erinnerungen an den FC Bayern und warum er sich in der bayerischen Landeshauptstadt nicht nur als Trainer, sondern auch als Mensch bereits zuhause fühlt.
Herr Barcala, Sie sind seit Anfang Juli neuer Cheftrainer der FC Bayern Frauen - eine Aufgabe mit einem besonderen Anspruch. Wie waren Ihre ersten Tage?
José Barcala: „Sehr gut. Intensiv. Voller Gespräche, voller Planung, voller Energie. Man wird sofort eingesogen in die Kultur des FC Bayern, aber auf eine ruhige, fast stille Art. Was mich am meisten beeindruckt hat: Trotz der Professionalität und des Leistungsanspruchs herrscht hier ein tiefes Gefühl von Zusammenhalt. Es ist nicht laut, nicht hektisch. Und das macht es einzigartig und besonders. Ich fühle mich hier nicht nur als Trainer, sondern auch als Mensch unheimlich willkommen.“
Sie waren zuvor unter anderem in Spanien, Australien, Schottland oder auch Frankreich als Trainer tätig. Inwieweit hat Sie das geprägt?
„Grundsätzlich wird Fußball überall ein wenig anders verstanden. Und ich versuche, überall dazuzulernen. Ich wäre mit Sicherheit nicht der Trainer, der ich heute bin, hätte ich nicht all diese Stationen durchlaufen.“
„Ich glaube, ich bin immer auf der Suche nach besonderen Momenten. Nach Momenten, die etwas in den Menschen auslösen. Als Trainer habe habe ich die Chance, genau das zu gestalten: Momente, an die man sich erinnert. Magische Momente.”
José Barcala über seine Motivation als Trainer
Was treibt Sie als Trainer an?
„Ich glaube, ich bin immer auf der Suche nach besonderen Momenten, die etwas in den Menschen auslösen. Als Spieler habe ich ab einem gewissen Zeitpunkt gemerkt, dass ich nicht auf dem allerhöchsten Niveau spielen kann. Aber als Trainer habe ich die Chance, genau das zu gestalten: Momente, an die man sich erinnert. Magische Momente. Das ist bis heute ein Antrieb von mir.“
Was sind solche Momente für Sie: Ein Sieg? Ein einzelner Spielzug?
„Nicht unbedingt. Es geht eher um die Art, wie ein Team spielt. Ich erinnere mich gerne an die Zeit, als mein Heimatverein Deportivo La Coruña und das Dreamteam des FC Barcelona von Johan Cruyff in den 1990er-Jahren Spanien mit ihrem Fußball elektrisierten. Der Sport kann, ähnlich wie ein Film oder ein Theaterstück, Emotionen auslösen, die einen lange begleiten. Diese Jahre damals haben meinen Blick auf das Spiel für immer verändert. Sie haben mir gezeigt: Fußball ist weit mehr als Taktik und Resultate. Er ist ein kulturelles Phänomen.“
Wenn man Sie über Fußball sprechen hört, klingt das fast philosophisch.
„Ich sehe Fußball als Ausdruck von Kultur. Und als etwas zutiefst Menschliches. Wenn Sie Spieler nur als Athleten sehen, verlieren Sie etwas Entscheidendes: ihre Emotionen. Gerade im Frauenfußball habe ich gemerkt, wie wichtig es ist, zuzuhören, Raum zu geben, zu begleiten. Nicht nur zu fordern.“

Können Sie sich noch an Ihre erste Begegnung mit dem FC Bayern erinnern?
„Das müsste im Sommer 1990 gewesen sein, Teresa-Herrera-Turnier in La Coruña. Bayern gegen Deportivo. Ich war neun oder zehn Jahre alt. Bayern gewann. Das war mein erster bewusster Moment in Zusammenhang mit dem Verein. Seitdem war der Klub immer ein Begriff für mich. Später spielte Roy Makaay bei Deportivo. Heute arbeitet er hier im Verein, wie ich kürzlich mitbekommen habe. Ich würde mich freuen, ihn in Zukunft kennenzulernen.“
Wenn Sie nicht auf dem Platz stehen: Was machen Sie gern in Ihrer Freizeit?
„Ich verbringe viel Zeit mit meiner Familie. Unsere Töchter sind neun und drei Jahre alt. Wir gehen gerne in Parks, essen Eis am Marienplatz, fahren raus an den Tegernsee oder gehen auch gerne in den Olympiapark. Ich mag die Mischung aus Stadt und Natur hier. Es erinnert mich ein bisschen an meine Heimat Galizien.“

Sie faszinieren sich neben dem Fußball für die Gastronomie. Gibt es Parallelen zwischen dem Kochen und der Arbeit eines Trainers?
„Sehr viele sogar. Ich schaue gerne Dokus und lese Bücher über Ferran Adrià, den großen spanischen Koch und Gastronom. Ich finde, die Welt der Top-Gastronomie und die des Fußballs ähneln sich enorm. Es geht um Präzision und Kreativität, aber auch um Teamführung unter Druck. Die Küche von Adrià ist nicht nur Küche. Er hat die Art, wie Menschen über Essen denken, verändert. Das hat mich berührt.“
Inwiefern?
„Adrià war umgeben von Köchen, die wahrscheinlich handwerklich besser waren als er. Aber was ihn auszeichnete, war seine Vision. Seine Beharrlichkeit, gegen alle Zweifel an einer Idee festzuhalten. Das erinnert mich stark an Steve Jobs. Er war vielleicht auch nicht der beste Ingenieur, aber er hatte den klarsten Blick dafür, was möglich ist.“
„Die Welt der Top-Gastronomie und die des Fußballs ähneln sich enorm. Es geht um Präzision und Kreativität, aber auch um Teamführung unter Druck. Die Küche von Adrià ist nicht nur Küche. Er hat die Art, wie Menschen über Essen denken, verändert.”
José Barcala über die Gemeinsamkeiten zwischen dem Profifußball und der Gastronomie
Können Sie das auf Ihre Arbeit als Trainer übertragen?
„Absolut. Fußball ist oft durchgetaktet, leistungsoptimiert, ohne viel Raum für Fehler - und damit manchmal auch ohne Raum für echte Innovation. Aber wenn wir den Fußball weiterentwickeln wollen, dann müssen wir diesen Raum schaffen.“
Gibt es neben der Faszination für Spitzenküche noch weitere Dinge, für die Sie sich abseits des Fußballs begeistern können?
„Mit Sicherheit die Stand-up-Comedy. Für mich ist das die intelligenteste Form von Unterhaltung. Gute Comedians beobachten die Gesellschaft genau - und zeigen uns, was schiefläuft. Oft subtil, manchmal hart. Aber immer menschlich. Hier kann ich super abschalten.“

Blicken wir in die Zukunft: Für Sie ist es Ihre erste Saison in der Bundesliga. Gibt es ein Spiel, auf das Sie sich in dieser Spielzeit besonders freuen?
„Ich freue mich grundsätzlich auf alle Partien - sei es in der Bundesliga, im Pokal oder auch in der Champions League. Ganz besonders freue ich mich aber auf meine erste Partie in der Allianz Arena. Es wird mein erstes offizielles Bundesliga-Spiel mit meinem Team. Und mein allererstes überhaupt in diesem Stadion. Ich war noch nie dort, nicht einmal als Zuschauer. Uns erwartet eine unglaubliche Atmosphäre, mit aktuell schon mindestens 30.000 Menschen im Rücken. Das wird besonders.“
Was ist für Sie das höchste Ziel im Fußball?
„Dass ein Team seine eigene Identität lebt. Und dass die Menschen, die zuschauen, etwas fühlen. Ich glaube, das ist der Kern: Emotion, Verbindung. Wenn das gelingt, ist sehr vieles erreicht.“

Letzte Frage - wie würden Sie sich in drei Worten beschreiben?
„Das sollten eigentlich andere tun (lacht und überlegt länger). Aber gut. Ich versuche, empathisch zu sein. Ich versuche, zuzuhören. Und ich versuche, ehrlich zu sein. Ich glaube: Wenn du kein guter Mensch bist, kannst du auch kein guter Trainer sein. Das habe ich von meiner Familie gelernt.“
Herr Barcala, vielen Dank für das Gespräch. Und nochmals herzlich willkommen in München.
„Danke. Es ist mir eine Ehre.“
Für das Eröffnungsspiel der FC Bayern Frauen wurden bereits 30.000 Tickets verkauft:
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