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Franziska Kett und Alara Sehitler im Training der FC Bayern Frauen
© Lara Freiburger

Erst das Abi, dann der Ball: Franziska Kett & Alara Şehitler über ihr neues Kapitel

Ballnetz statt Schulranzen, Sturmlauf statt Referat, Spielfeld statt Klassenzimmer: Alara Şehitler und Franziska Kett schauen nach dem Abi befreit nach vorne. Wie fühlt es sich an, ein neues Kapitel in seinem jungen Leben aufzuschlagen? Darüber haben die beiden Spielerinnen der FC Bayern Frauen im Mitgliedermagazin „51“ gesprochen.

Es geht einen kleinen Pfad hinunter, vom Hotel zum Trainingsplatz in dem beschaulichen Ort bei Kufstein in Tirol. Die Stufen in dem Hang sind schmal angelegt, man kann sie kaum nebeneinander meistern, also bewegen sich die Fußballerinnen des FC Bayern in Kolonne, einzeln, jede für sich hintereinander, wenn sie sich zur Übungseinheit aufmachen. Unten am Spielfeld angekommen, passen sie sich zum Takt der Musik, die zum Start aus einer großen Box dröhnt, zum Aufwärmen ein paar Bälle zu.

Franziska Kett im Training der FC Bayern Frauen
Seit 2020 spielt Franziska Kett für die FC Bayern Frauen. | © Lara Freiburger

Alara Şehitler (18) und Franziska Kett (20) sind mittendrin im Wimmelbild, das sich unter dem wolkenfreien Himmel auf dem Platz auffächert; sie bewegen sich zwischen ihren Kolleginnen und den Slalomstangen, die später bei Sprints Zielkorridore markieren, und Alara klatscht Beifall, als Lea Schüller ein American-Football-Ei zum Aufwärmen bemerkenswert gekonnt in die Arme ihrer Spielpartnerinnen zirkelt. Eben noch jede für sich allein auf dem Weg, jetzt mitten im Team, mitten im Geschehen - das beschreibt die Situation der beiden Jungspunde ganz gut: Sie sind nun endgültig eingereiht in den Tross der FC Bayern-Frauen, sie müssen und können mithalten, und sie stehen vor einer besonderen Saison. Im Frühjahr haben sie ihr Abitur bestanden, das bedeutet für jeden jungen Menschen einen Einschnitt und markiert den Beginn eines neuen Kapitels. Für das Duo heißt das: ab jetzt volle Konzentration auf den Sport. Erst das Abi, dann der Ball.

Newtons Gesetz bei Flanken

Vor dem Training sind die beiden für das Gespräch mit „51“ auf die Terrasse des Teamhotels gekommen; gleich ein Interview nach dem Frühstück und vor der ersten Übungseinheit, man merkt, dass ihnen ein volles morgendliches Programm noch aus dem Schulalltag vertraut ist und nichts anhaben kann. Hinter ihnen türmen sich die Bergmassive, es ist ein wunderbares österreichisches Panorama, Felix Austria, das passt: Die hohen Erwartungen, die die beiden Jungnationalspielerinnen schon seit einer ganzen Weile begleiten, werden in Zukunft sicher nicht kleiner – einschüchtern lassen sie sich davon allerdings nicht. „Bei uns ist in diesem Jahr echt viel passiert“, sagt Franzi, „wir waren ganz schön unter Stress, aber wir haben das Abi und den Fußball unter einen Hut bekommen.“ Alara lächelt: „Wir freuen uns auf alles, was jetzt kommt.“ Die Kurvendiskussionen aus der Mathematik oder die Newtonschen Gesetze vom Physikunterricht betreffen künftig eher die möglichen Flugbahnen von Flankenbällen oder Seitenwechseln. Praxistest auf dem Platz.

Alara Sehitler im Training der FC Bayern Frauen
Alara legte ihr Abi in Deutsch, Englisch, Mathe und Betriebswirtschaft ab. | © Lara Freiburger

Mathe, das war generell so ein Ding: Das Steckenpferd von Franzi, bei Alara rangierte das Fach nicht ganz oben auf der Beliebtheitsskala, sie hielt es eher mit Deutsch und Englisch. Kurz vor der Abiprüfung griff Alara eines Tages mal zum Smartphone, um ihre Teamkollegin um Rat zu fragen, die gerade bei einem Lehrgang mit der deutschen Nationalmannschaft war. Selbstverständlich nahm sich Franzi die ganze Mittagspause Zeit, bis alles rund um das Thema Hypotenuse geklärt werden konnte. „Das war Teamwork“, sagen die beiden strahlend.

Obwohl sie an unterschiedlichen Schulen – beide Einrichtungen liegen nahe am FC Bayern Campus - ihren Abschluss absolviert haben, hockten sie sich immer wieder zum gemeinsamen Lernen hin: Mal wurden das Periodensystem und Oxidationszahlen aus der Chemie studiert, mal Gedichtinterpretationen, das Römische Reich und die Französische Revolution diskutiert, dann Vokabeln abgefragt oder die Photosynthese im Fach Bio erörtert. Alara legte ihr Abi in Deutsch, Englisch, Mathe und Betriebswirtschaft ab; Franzi in Mathe, Deutsch, Sport, Wirtschaft und Latein. Eine breite Palette, und das alles gemeinsam durchzustehen, habe alles erleichtert, erzählt Alara. Immer wieder trafen sie sich morgens beim Bäcker und büffelten dann zusammen, ehe es ins Training ging. „Trotz Stress eine coole Zeit“, blickt Franzi zurück. Und das eine oder andere Mal mussten sie sich auch bremsen; nicht oft, aber ab und an sagten sie sich nach einem langen Trainingstag, dass heute ein Eisdielenbesuch mehr bringt als der x-te Blick ins Schulbuch. Reha für den Kopf, die Mischung macht es aus. Franzi Kett musste am Ende zwei Prüfungen in komprimierter Zeit durchziehen, wegen der DFB-Lehrgänge. In den intensivsten Phasen wurde daher eine Zeitlang lang nach dem Training bis Mitternacht gepaukt.

Franziska Kett im Training der FC Bayern Frauen
Franziska Kett freut sich darauf, sich nun noch stärker auf den Fußball konzentrieren zu können. | © Lara Freiburger

Wertschätzung durch Coach José Barcala

Sie haben „einfach funktioniert“ in dieser Zeit, sagt das Duo rückblickend, und der vollgepackte Stundenplan der Vergangenheit macht die Frage nur interessanter, wie es nun künftig ausschaut. Einen Wochenplan habe sie sich rund um Abi, Bundesliga-Endspurt und Pokal-Final-Coup nicht gemacht, erzählt Alara, „den hätte man eh nicht wirklich einhalten können, weil immer wieder was dazwischenkam“. Jetzt haben die beiden weiterhin die gleichen Termine, was den Verein betrifft, aber in der Summe viel mehr Zeit für sich. Da fällt eine Last ab, erzählt Franzi, „ab jetzt können wir uns mehr fokussieren, gezielt Schwächen abbauen“. Es wird mehr Zeit sein fürs Gym zum Beispiel, sagt Alara, „ich spüre, dass ich jetzt noch mehr Energie habe“. Bisher, ergänzt Franzi, „waren wir immer die ,Kleinen‘, die nebenbei zur Schule gehen. Das ändert sich jetzt.“

Bisher waren wir immer die ,Kleinen‘, die nebenbei zur Schule gehen. Das ändert sich jetzt.

Franziska Kett

Bei der Trainingseinheit wenig später spielt Alara in einer Gruppe mit Pernille Harder und Linda Dallmann, Franzi ist mit Lena Oberdorf, Klara Bühl und Neuzugang Vanessa Gilles von OL Lyonnes eingeteilt. Beide wachsen in das Team, der Prozess läuft schon länger. Alara feierte rund um ihren 18. Geburtstag ihr Debüt im DFB-Team, Franzi sprang trotz eines verletzungsgeplagten Jahres sogar noch auf den Zug zur Europameisterschaft in der Schweiz auf. „Abifahrt ins EM-Halbfinale“, lautete während des Turniers eine Überschrift über die Senkrechtstarterin, sie muss lachen: Andere fliegen nach der Zeugnisvergabe nach Mallorca, „ich nehme lieber die Abifahrt, die ich hatte“. Gefreut hatte sie sich, dass sie vom DFB für den Abiball einen Abend freibekommen hatte. Für ihre Mitschülerinnen und Mitschüler dauerte die Nacht bis in den frühen Morgen, sie aber verabschiedete sich um Mitternacht und wurde bereits um acht Uhr zum DFB-Team gebracht. Man müsse schon auch auf einiges verzichten, sagt sie, aber für große Träume verzichte sie gern.

Alara Sehitler im Training der FC Bayern Frauen
Zwischen 17. und 21. August verbrachten Alara & Co. ihr Sommertrainingslager in Österreich. | © Lara Freiburger

Für Alara war die Zeugnisvergabe ebenfalls etwas Besonderes – nicht wegen Verzicht, sondern wegen Verständnis. Bei ihr wurden die Abinoten an einem Vormittag vergeben, ausgerechnet gleich in der ersten Trainingswoche der 
Saisonvorbereitung, und als sie ihrem neuen Coach José Barcala das erzählte, verlegte der Spanier prompt extra wegen ihr die Übungseinheit, damit sie weder das eine noch das andere verpasste. „Er hat gesagt, das sei ein ,Special Day‘ für mich, und ich solle ihn genießen“, erzählt die Offensivspielerin, „das war eine wunderbare Wertschätzung.“

Während des Trainings rumpelt ein Traktor auf dem angrenzenden Feld durchs Tiroler Bergidyll, auf einem Plakat an der nahen Bushaltestelle wird ein „European Streetfood“ angekündigt – die Welt hat viel zu bieten in unserer Zeit, verwurzelt wie verwinkelt weltweit, und was streben die beiden jungen Frauen im Trikot des FC Bayern neben dem Fußball an? Zunächst soll der Fokus auf dem Platz ruhen, erzählen sie, aber nach einem Jahr werden sie auch wieder eine Herausforderung für den Kopf suchen. Franzi erwägt den Gang zur Uni für Grundschullehramt oder Sozialpädagogik („ich möchte mal etwas mit Kindern 
machen“), Alara ein Studium mit Sportbezug. Aber klar ist auch: Erst einmal eine Saison ohne Doppelbelastung gönnt man sich. Und dann mit neuem Akku an neue Aufgaben.

Prozesse auf und neben dem Platz

Alara Şehitler beim Training der FC Bayern Frauen in Tirol.
Voller Fokus auf die neue Saison: Alara spielt bereits seit der Saison 2023/24 für die FC Bayern Frauen. | © Lara Freiburger

Eine viel zitierte Lebensweisheit lautet, dass man nicht für die Schule, sondern für das Leben lernt. Franzi und Alara nicken; wichtige Weichenstellungen zu nehmen, haben sie ohnehin auch neben der Schule bereits gelernt. Franzi musste nach etlichen Rückschlägen in ihren Reha-
Phasen immer wieder aufstehen, Alara traf eine tiefgreifende persönliche Entscheidung, indem sie sich entschloss, künftig nicht mehr mit ihrem Nachnamen, sondern mit „Alara“ auf ihrem Trikot aufzulaufen. In vielen Kommentaren, gerade auf Social Media, sei es zuvor im Laufe der Zeit immer mehr nur noch um ihren Namen gegangen, nicht um die Fußballerin, erzählt sie. Inzwischen schreiben ihr die Leute, sie verstehen das, und es sei schade, dass man wegen unangebrachter Kommentare solche Schritte machen muss. Der Tenor ihrer Zuschriften lautet aber: starke Entscheidung – „und dass ,Alara‘ auf dem Trikot cool ausschaut“, so die 18-Jährige mit einem Lächeln. 

Franziska Kett und Alara Sehitler im Training der FC Bayern Frauen
Zusammen in die Zukunft: Alara und Franziska Kett freuen sich auf die kommenden gemeinsamen Jahre mit den FC Bayern Frauen. | © Lara Freiburger

Nach der Trainingseinheit drehen sie und Franzi für Fotos für „51“ noch eine Runde um den Trainingsplatz. Die anderen sind schon den Hang hinauf zum Hotel, die Trainer packen die Wimmelbild-Requisiten weg, die große Musikbox ist abgeschaltet. Am Ende zieht Alara die Box in einen Geräteraum. Sie ist eine der Spielerinnen, die für den Sound verantwortlich sind, erzählt sie. Zusammen im Takt, als Team – und Alara Şehitler sowie Franziska Kett sollen bei den FC Bayern Frauen künftig zu Persönlichkeiten reifen, die immer mehr den Ton bestimmen.

Der Text erschien in der September-Ausgabe des FC Bayern-Mitgliedermagazins „51“.

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