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Pernille Harder führt einen Zweikampf mit Essens Lena Ostermeier.
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SGS Essen – Das letzte „Gallische Dorf“ des Frauenfußballs

Volle Stadien, Spitzenquoten im Fernsehen und eine Begeisterung, die immer weiter wächst: Der Frauenfußball hat längst seinen Platz in der Gesellschaft gefunden. Der Aufschwung der vergangenen Jahre ist kein kurzlebiger Trend, sondern Ausdruck eines tiefgreifenden Wandels. Im Sport, in der Wahrnehmung und in der Haltung vieler Menschen.

Auch die großen Männervereine haben jenes Potenzial erkannt: Borussia Dortmund, der FC Schalke 04 und viele andere schicken inzwischen eigene Frauenteams ins Rennen. Im Ruhrgebiet, wo der Fußball so tief verwurzelt ist wie die Zechen einst im Boden, stand der Frauenfußball jedoch lange im Schatten der Männer. Doch in Essen, genauer gesagt bei der SGS, trotzt man seit über einem halben Jahrhundert allen Widerständen und schreibt eine Geschichte, die von Leidenschaft und Beharrlichkeit erzählt.

Der steinige Weg nach oben

Die Spielerinnen der SGS Essen winken ihren Fans zu.
Die SGS Essen ist der letzte reine Frauenfußball-Verein in der Bundesliga. | © Imago

Alles begann am 21. März 1973 beim SC Grün-Weiß Schönebeck. In einer Zeit, in der Frauen auf dem Fußballplatz noch belächelt wurden, gründeten einige Unerschrockene eine eigene Abteilung. Gegen Vorurteile, gegen Widerstände, für die Leidenschaft zum Spiel. Mit Beharrlichkeit, Idealismus sowie viel ehrenamtlichem Einsatz wuchs daraus eine Bewegung, die den Frauenfußball in Essen fest verankerte.

27 Jahre und mehrere Aufstiege später kam es zur Fusion mit dem VfB Borbeck. Die SGS Essen war geboren. Und mit ihr ein Verein, der bis heute für Beständigkeit, Bodenhaftung und Herzblut steht. Seit über zwei Jahrzehnten hält sich die SGS in der Bundesliga, länger als fast jeder andere Klub. Einzig die Frauen des FC Bayern München sowie der Frankfurter Eintracht (ehemals 1. FFC Frankfurt) zählen seither mehr Jahr in der Bundesliga. Große Titel blieben bislang aus. Doch das, was Essen wirklich groß gemacht hat, glänzt nicht in Pokalen oder Medaillen, sondern in Geschichten von Zusammenhalt, Ausdauer und stiller Größe.

Das Steckenpferd Nachwuchsarbeit

Linda Dallmann dribbelt mit dem Ball am Fuß.
Linda Dallmann spielte acht Jahre lang bei der SGS Essen. | © Imago

Talentschmiede und Ausbildungsverein sind die wohl meistgenutzten Wörter, die mit der SGS Essen in Verbindung gebracht werden. Die Nachwuchsförderung gehört schon längst fest zur Vereins-DNA. Kein anderer Club der Liga hat in dieser Fülle mehr Spitzenspielerinnen hervorgebracht als die Lila-Weißen. Wer in der Bundesliga oder sogar im Nationaltrikot aufläuft, hat gute Chancen, seine Wurzeln im Stadion an der Hafenstraße zu haben.

Essens Beke Sterner blickt nach rechts.
Talentschmiede aus dem Ruhrgebiet: Beke Sterner ist eines der erfolgreichen Eigengewächse der SGS Essen. | © Imago

Das Konzept der SGS Essen ist klar: Talente sollen möglichst früh entdeckt und sportlich wie menschlich weiterentwickelt werden. Seit Jahren setzt die SGS auf junge Spielerinnen und auch in dieser Saison stellt das Ruhrpott-Team gemeinsam mit Leipzig und Nürnberg den jüngsten Kader der Bundesliga. In Essen haben junge Talente die Möglichkeit, früh viel Spielzeit und Erfahrung auf höchstem Niveau zu sammeln und sich so für die nächsten Schritte in ihrer Karriere zu wappnen. Beke Sterner beispielsweise, die im Alter von 17 zur SGS kam, kann mit erst 22 Jahren auf 112 Bundesliga-Einsätze zurückblicken. Solche Exempel finden sich in den Reihen der Essener zur Genüge und machten den Klub zu einem Aushängeschild in Sachen Nachwuchsarbeit.

Oberdorf, Dallmann und Schüller genossen Essener Ausbildung

Lena Oberdorf (links) und Lea Schüller (rechts) im Trikot der SGS Essen.
Lena Oberdorf und Lea Schüller spielten gemeinsam bei der SGS Essen. | © Imago

Prominente Beispiele, für die die SGS das Sprungbrett in höhere Sphären war, finden sich auch in den Reihen der FC Bayern Frauen: Lena Oberdorf, Linda Dallmann und Lea Schüller kamen alle drei damals als Jugendliche ins Zentrum des Ruhrpotts und entwickelten sich dort von Bundesligadebütantinnen zu gestandenen Nationalspielerinnen. Während Oberdorf zwischen 2018 und 2020 für die SGS auflief, spielten Dallmann (2011-2019) und Schüller (2012-2020) jeweils acht Jahre für die Essenerinnen. 

Auch aufgrund jener Beispiele ist es nur logisch, dass die SGS Essen gemeinsam mit dem FC Bayern zu den sechs Vereinen der Bundesliga gehört, die Anfang dieses Jahres als Leistungs- oder Talentförderzentrum weiblich anerkannt wurden. Die Entwicklung und Förderung von jungen Nachwuchsspielerinnen macht die SGS Essen deutschlandweit zu einer der attraktivsten Adresse im Frauen- und Mädchenfußball für junge Talente.

„Last Woman Standing“

Essens Natasha Kowalski behauptet den Ball gegen zwei Gegenspielerinnen.
Den einzigen Punkt dieser Saison holte die SGS Essen beim torlosen Remis gegen Aufsteiger Hamburg. | © Imago

In einer Liga, die mittlerweile fast vollständig von Männervereinen dominiert wird, ist die SGS Essen somit ein echtes Unikat: der letzte reine Frauenfußball-Klub in der deutschen Beletage. Clubs wie der 1. FFC Frankfurt oder FF USV Jena fusionierten längst mit größeren Männer-Lizenzteams, Turbine Potsdam musste den Gang in die 2. Liga antreten. „Jetzt sind wir Last Woman Standing“, brachte es die ehemalige SGS-Mittelfeldspielerin Lily Reimöller anlässlich des Abstiegs der Turbine vor zwei Jahren auf den Punkt. 

Der Status quo

Vanessa Fürst dribbelt mit dem Ball.
Die SGS Essen steht derzeit auf dem letzten Tabellenplatz. | © Imago

Die SGS Essen hat einen schwierigen Start in die aktuelle Saison erlebt. Nach sieben Spieltagen steht bislang nur ein Punkt auf dem Konto, die Tabelle zeigt sich unerbittlich. Doch in Essen ist man Krisen gewohnt, und Stillstand war dort noch nie eine Option. Die Vereinsführung reagierte entschlossen: Teamchef Robert Augustin und Sportdirektor Thomas Gerstner gaben ihre Posten auf, um einen Neustart zu ermöglichen.

Dass die SGS derzeit um den Klassenverbleib kämpft, weckt vielerorts Anteilnahme, nicht nur im Ruhrgebiet. Denn mit Essen steht ein Verein auf dem Platz, der wie kaum ein anderer für Leidenschaft, Bodenständigkeit und echte Pionierarbeit im Frauenfußball steht. Und wer die Geschichte dieses Klubs kennt, weiß: Aufgeben gehört dort nicht zum Vokabular.

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