Dieser Abend war als willkommene Ablenkung gedacht, mit ein paar in diesen Tagen so raren, erfreulichen Nachrichten: Paul Zipser erstmals nach 271 Tagen wieder im Kader, was für ein emotionaler Moment für die Bayern-Basketballer und die Fans im Audi Dome; außerdem das Comeback von Topscorer Darrun Hilliard, Nihad Djedovic ebenfalls wieder an Bord. Und dazu die gemeinsame Aktion mit dem Gast aus Hamburg, „NO MORE WAR“ stand als Message auf Team-Shirts, Banner und Banden. Der Abend wurde dann jedoch überschattet, von der Verletzung Nick Weiler-Babbs, der in der 13. Minute (15:22) hart mit dem Kopf aufs Parkett stürzte.
Der beste Verteidiger der Liga kam nach Minuten wieder zu Bewusstsein und war ansprechbar, im Krankenhaus ergaben die Untersuchungen dann zum Glück: zumindest kein Bruch im Bereich des Kopfes, sondern eine schwere Gehirnerschütterung. Die Partie gegen die Towers endete derweil nach zwischenzeitlich 18 Punkten Rückstand und 58 Münchner Zählern in einer bemerkenswerten zweiten Hälfte des Tabellenführers 86:75 (28:46). Am Freitag, 20.45 Uhr kommt Olympiakos Piräus.
FC Bayern Basketball – Hamburg Towers 86:75 (28:46)
FCBB:
Augustine Rubit (16 Punkte), Leon Radosevic (14), Vladimir Lucic (13), Andi Obst (12), Jason George (11/7 Rebounds), Othello Hunter (6/5), Nihad Djedovic (6), Zan Mark Sisko (5/14 Assists), Darrun Hilliard (3), Nick Weiler-Babb, Paul Zipser und Gavin Schilling
Topscorer Hamburg:
Caleb Homesley (27 Punkte)
Schiedsrichter
Robert Lottermoser, Clemens Fritz, Armin Mutapcic
Zuschauer
1.197
Die Punkteverteilung nach Vierteln (aus Sicht des FCBB): 13:16, 28:46, 30:14, 28:15
Zahlen & Fakten - Zweier-Quote: 65 % (FCBB) // 30 % (Hamburg); Dreier-Quote: 44 % // 44 %; Freiwurf-Quote: 59 % // 65 %; Rebounds: 36 // 35; Assists: 25 // 19; Ballverluste: 16 // 11
Die Stimmen:
Andrea Trinchieri, Chefcoach FCBB: „Es ist schwierig, über Basketball zu reden in diesen dunklen Zeiten. Es ist Krieg und das nicht auf einem anderen Planeten, sondern nah bei uns. Menschen sterben, Menschen verlieren die Hoffnung. Wir können nicht viel tun, aber wir können das auch nicht ignorieren. Ich denke, wir haben heute unseren Support gezeigt und das einzige Ziel ist, den Krieg zu beenden. Wir lernen leider nicht, obwohl die Vergangenheit die Zukunft lehren sollte. Alle meine Gedanken gehen an die betroffenen Familien, Mütter, Brüder, Schwestern, Söhne, die in diese Tragödie involviert sind; denn es ist eine Tragödie.
Die zweite Sache heute ist das, was Nick passierte. Wir sind sehr besorgt, aber die ersten Nachrichten aus dem Krankenhaus sind okay; nicht gut, aber okay. Er ist bei Bewusstsein, wir müssen abwarten. Wir können von Glück sagen, dass wir nicht die nächste Tragödie kommentieren müssen, wenn auch auf einer geringeren Skala. [...] Ein Spieler sollte den Gegner nicht in der Luft berühren. Denn das ist gefährlich. Die Referees sollten es sich zumindest ansehen. [...] Ein Spieler fällt nicht so, ohne berührt zu werden. Wir müssen die Spieler aller Teams beschützen. [...]
Wir haben 16 Tage nicht gespielt und es sah in der ersten Halbzeit wie Preseason aus, wir waren langsam und zu spät. [...] Viele meiner Spieler waren danach (Babbs Sturz) nicht mehr da, nur als Hologramme. Denn wir leben mehr zusammen als mit unseren Familien, jeden Tag. Wenn einem von uns etwas passiert, trifft das jeden. Wir haben in der Halbzeit erste gute News bekommen, dass Nick bei Bewusstsein war. Wir haben dann für ihn gespielt. [...] In der zweiten Halbzeit haben wir 58 Punkte gemacht und sie zu schlechten Würfen gezwungen. [...]
Paul habe ich quasi mit dem Auto abgeholt, sein Einsatz war nicht geplant und er hat mich mit riesigen Augen angeschaut: Let’s go, Pauli! Es ist der erste kleiner Schritt, aber ein großer Schritt für ihn: lebendig zu sein, Teil von etwas, das er gut kann, es genießen. Privatsphäre ist sehr wichtig, aber glaubt mir: Diese Tage damals werde ich nie mehr vergessen. Als ich seinen Namen rief und er kam (zur Einwechslung), war ich sehr bewegt. Das ist erst der Beginn, das Beste kommt noch.“
Marko Pesic, Geschäftsführer FCBB: „Als Nick abtransportiert wurde, konnte er alle Gliedmaßen bewegen. […] Ich glaube, da war ein kleiner Kontakt, der vielleicht im unglücklichsten Moment passiert ist. Solche Sachen passieren. […] Ich habe nach der Verletzung von Nick nichts mehr von der ersten Halbzeit gesehen – außer das Ergebnis. Ich war nicht überrascht, denn sowas nimmt logischerweise jeden Trainer und Mitspieler mit. Umso mehr, muss man die Reaktion der Mannschaft bewundern. Ich glaube, wir haben die zweite Halbzeit mit 29 Punkten gewonnen. Egal unter welchen Umständen das gelingt, das ist eine großartige Leistung. Respekt an die Mannschaft, die unglaublichen Charakter gezeigt hat, wahrscheinlich auch für Nick. Ich bin stolz ein Teil dieser Mannschaft und des Vereins in solchen Momenten zu sein.“
Pedro Calles, Chefcoach Hamburg: „Zuallererst hoffe ich und wünsche ich mir ein schnelles Comeback von Weiler-Babb. Zweitens gratuliere ich Bayern München zum Sieg. Sie zeigten in der zweiten Halbzeit eine erwartbare, viel stärkere Physis, mit der wir offensiv und defensiv nicht mehr mithalten konnten.“
Das Spiel:
FCBB-Coach Trinchieri schickte Nick Weiler-Babb, Andreas Obst, Vladimir Lucic, Augustine Rubit und Leon Radosevic als Starter in die Partie gegen die Hamburger Towers. Mit seinem Starting-Five-Einsatz feierte Rubit gleichzeitig auch sein Jubiläum zum 200. BBL-Spiel. Beim Stand von 10:7 (5.) kam zudem Hilliard zu seinem Comeback nach langer Knieverletzung. Der Spielbeginn wurde zu einem offenen Schlagabtausch, sodass das erste Viertel mit einem 13:16 beendet wurde. Nach der Viertelpause konnten die Hamburger ihre Führung auf sieben Zähler ausbauen (15:22/ 12.), ehe Weiler-Babb bei einem Dunk-Versuch sehr hart auf dem Boden aufkam und das Spiel daraufhin mehrere Minuten unterbrochen wurde. Besonders den geschockten Akteuren des FCBB merkte danach man die Auswirkungen des schweren Zwischenfalls an - Hamburg ging mit einer 28:46 Führung in die Halbzeitpause:
18 Punkte Rückstand nach dem schweren Sturz von Weiler-Babb
Zu Beginn des zweiten Spielabschnitts gelang den Münchnern ein 11:0 Lauf dank Obst-Treffern, ehe die Hanseaten in Person von Seth Hinrichs (39:48/ 24.) durch einen Korbleger erfolgreich waren. Auf Seiten der Gastgeber spielte sich insbesondere Andreas Obst (10 Punkte im dritten Viertel) zurück in diesen von Ereignissen überladenen Basketballabend. 15 Sekunden vor dem Viertelende kam Paul Zipser nach überstandener Hirn-OP und einem hart erarbeiteten Comeback zurück aufs Parkett – der Audi Dome weinte jetzt vor Glück.
Das dritte Viertel ging anschließend mit 30:14 (58:60) an den FC Bayern Basketball. In den letzten zehn Spielminuten machte dieses emotionale Spiel dort weiter, wo es anfangs aufgehört hatte: Vladimir Lucic schloss fulminant nach einem Alley-Oop-Anspiel von Zan Mark Sisko ab (66:60/ 33.) Leon Radosevic schraubte mit dem 75:65 (36.) den Münchner-Vorsprung dann in den zweistelligen Bereich. Den Münchnern gelang es auch in der Crunchtime, vor allem durch Konstanz in der Defense, die Hamburger - um Caleb Homesley (27 Punkte) – nicht wieder zurück auf die Gewinnerstraße zu lassen. Die Vorentscheidung der Partie gelang Sisko mit einem Dreipunktewurf vom linken Flügel (83:71/ 39., ehe der Kapitän Nihad Djedovic den Schlusspunkt setzte (86:75).
(c) Eirich, Pahnke & Stickel