Die Bayern-Basketballer haben die nächste Überraschung in den EuroLeague-Playoffs verpasst: Die Münchner unterlagen am Mittwochabend vor 6.500 Fans im restlos ausverkauften Audi Dome verdient 66:75 (31:49) gegen den großen Titelfavoriten FC Barcelona , der erfahrene spanische Champion dokumentierte mit einer konzentrierten Leistung seine Ambitionen und führt nun 2:1. Das vierte Spiel am Freitag (20.45 Uhr) ist somit nur 48 Stunden später ein Do-or-die-Duell für das Team von Trainer Andrea Trinchieri.
Barça begann in der Offense fokussierter, traf blendend von draußen - 5:18 nach nur fünf Minuten. Der Vorjahresfinalist gab kaum Raum für einfache Würfe, präsentierte seinerzeit seine enorme individuelle Qualität: Ein 22:41 (15.) war zu verarbeiten, die größte Distanz bis dato überhaupt in der Best-of-five-Serie - und auch schon die Entscheidung?
Dreier fallen diesmal nicht
Offenbar, Barça produzierte jedenfalls weiter im Stil eines Topteams, war oft bei 50:50-Bällen glücklicher. Die Bayern - ohne die Patienten Corey Walden und Darrun Hilliard - kämpften lange um offensiven Rhythmus und die Dreier (4 von 24) fielen einfach nicht. Doch vor dem letzten Viertel war der FCBB auf 49:59 herangekommen, Superstar Nikola Mirotic (25) bekreuzigte sich vor dem Schlussabschnitt – und seine elf irdischen Punkte in Serie zum 72:56 (34.) waren dann doch zu viel für ein richtig enges Finish. Bester Münchner Werfer war Vladimir Lucic mit 17 Zählern.
FCBB:
Vladimir Lucic (17 Punkte/6 Rebounds), Augustine Rubit (14/8 Reb), Ognjen Jaramaz (13), Nick Weiler-Babb (9), Othello Hunter (7/7 Reb), Deshaun Thomas (4), Leon Radosevic (2), Nihad Djedovic, Gavin Schilling, Zan Mark Sisko, Andreas Obst und Jason George.
Topscorer Barcelona:
Nikola Mirotic (25 Punkte)
Schiedsrichter
Borys Ryzhyk, Sreten Radovic, Mehdi Difallah
Zuschauer
6.500 - ausverkauft
Die Punkteverteilung nach Vierteln (aus Sicht des FCBB): 17:26, 14:23, 18:10, 17:16.
Zahlen & Fakten - Zweier-Quote: 47% (FCBB) // 66% (Barcelona); Dreier-Quote: 16% // 34%; Freiwurf-Quote: 81% // 91%; Rebounds: 35 // 30; Assists: 13 // 17; Ballverluste: 6 // 10.
Die Stimmen:
Andrea Trinchieri: „Gratulation an Barça, sie waren besser, haben mehr physisch gespielt, jeder Block war am Limit. Wir hatten eine sehr schlechte erste Halbzeit, doch das Einzige, was mir wirklich nicht gefallen hat, war, dass Frustration ein Faktor wurde. So hast du keine Chance. Wir haben schlecht angefangen, indem wir neun Punkte an Laprovittola gaben und acht Freiwürfe im ersten Viertel an Mirotic. So wurde der Berg, der zu besteigen war, ein Everest. Aber ich bin sehr zufrieden mit der zweiten Halbzeit, wir haben gekämpft und sind zurückgekommen bis zur Chance auf das Momentum beim Dreier aus der Ecke von Luca; wir konnten ihn nicht machen und am Ende waren sie besser und haben verdient gewonnen.
„Der Berg wurde zum Everest“
Ich bin jetzt nicht hoffnungslos oder überwältigt, es war das erwartete Spiel. (…) Wenn man vier von 24 Dreiern trifft gegen ein größeres Team, kann man fast nicht spielen. Aber wir sind an die Linie gegangen, haben mehr Rebounds geholt - wir sind noch in der Serie. (…) Oft spielen großartige Spieler großartig und ich denke, Mirotic hat wie der beste Vierer der EuroLeague gespielt; er hat gezeigt, warum er solch einen Vertrag hat und so eine Rolle. Wir haben sehr gut gegen ihn in den ersten Spielen verteidigt, aber die beste Art, gegen ihn zu spielen, ist, gut gegen ihn in der Offense zu sein. Doch Deshaun hat heute seinen Rhythmus nicht gefunden und dann öffnet sich das andere Buch: Wie verteidigst du Mirotic? Er war unglaublich und manchmal muss man das zugeben. (…)
Gegen ein Team wie Barça spielst du immer wie gegen eine Wand. Sie haben das Spiel sehr gut auf ein physisches Level gehoben, uns mit viel Kontakt kein Tempo erlaubt. (…) Wir haben gegen das bestplatzierte Team gespielt und haben hart gekämpft – sie waren besser. Sie sind der Favorit und wir sind definitiv der Underdog mit verletzten Spielern. (…) Es ist jetzt wie immer: Du nimmst deinen Rucksack mit heim, der voll mit Mist ist, schaust dir das an und versuchst, Lösungen zu finden. Morgen musst du deine Spieler überzeugen, dass du besser bist als heute. Wir sind in der Serie.“
Nihad Djedovic: „Das war ein schwieriges Spiel. Wir wussten, dass Barcelona sicherlich besser rauskommt als im zweiten Spiel, das haben sie heute gezeigt. Sie haben überlegen gespielt in der ersten Halbzeit. In der zweiten Halbzeit kamen wir ein bisschen zurück, hatten aber nicht das Glück, den einen oder anderen Dreier zu treffen und den Rhythmus zu finden. Aber wir haben in zwei Tagen das nächste Spiel und dann gelingt uns das hoffentlich besser. Wir haben in der Halbzeit darüber geredet, dass wir besser verteidigen und uns selbst nicht so unter Druck setzen dürfen. Dann haben wir einfach Basketball gespielt. Insgesamt fehlten uns aber ein paar entscheidende Situationen, um das Comeback zu schaffen. Für Spiel vier sollte uns die zweite Halbzeit von heute eine Lehre sein.“
Das Spiel:
Trinchieri vertraute zu Beginn auf Nick Weiler-Babb, Nihad Djedovic, Vladimir Lucic, Deshaun Thomas und Leon Radosevic. Die Gäste erwischten den besseren Start: Laprovittola mit zwei Dreiern. Lucic konterte mit einem Distanzwurf zum 3:6 nach zwei Minuten. Aber Barça sann offensichtlich auf auf Revanche für die als Majestätsbeleidigung betrachtete Heimniederlage in Spiel 2 und präsentierte sich fokussierter und entschlossener. Der Rückstand wurde bereits zweistellig, da war die Hälfte des ersten Viertels noch nicht erreicht (5:16/5. Spielminute). Leader Lucic hielt die Münchner im Spiel (12:20/7.), doch die Qualität des Ligaprimus' aus Spanien war beeindruckend. Kaum ein Wurf verfehlte das Ziel, auch Ballverluste leisteten sich Mirotic und Co. keinen einzigen (13:22/8.). Angetrieben von den Fans im Audi Dome reagierten die Bayern kämpferisch und holten schnell auf (17:22/9.), nur konterten die Gäste erneut mit zwei Treffern zum 17:26 nach dem ersten Viertel.
Nach 78 Sekunden im zweiten Spielabschnitt nahm Coach Trinchieri eine Auszeit, da der Rückstand auf 17:30 angewachsen war. Barça strahlte mehr Sicherheit aus. Gelungene Offensivaktionen der Münchner glichen die Gäste mit geschickt vorgetragenem Pick-and-Roll scheinbar mühelos aus - der zweistellige Rückstand hatte Bestand und wurde vom EuroLeague-Titelaspiranten mit einem trockenen 11:0-Lauf ausgebaut (22:41/16.). Die Bayern wirkten verunsichert und angesichts der Qualität Barças ein wenig ratlos. Für den FCBB galt es nun, nicht zu sehr unter die Räder zu kommen und sich in die Halbzeitpause zu retten.
Bayern trifft nicht, aber kämpft
München kam entschlossen aus der Pause, vergab allerdings weiterhin gute Chancen. Parade-Kämpfer Nick Weiler-Babb begeisterte die Fans mit zwei Treffern, kombiniert mit einem sagenhaften offensiven Rebound (35:49/22.). Der in Spiel zwei überragende Thomas versuchte alles, aber die Würfe saßen heute einfach nicht. Dagegen spielte Barças Nick Calathes seine ganze Erfahrung und Klasse aus und hielt die Führung der Gäste im überdeutlichen Bereich (39:57/26.). Das Muster der ersten Halbzeit schien sich zu wiederholen: Immer, wenn die Münchner sich auf einige Pünktchen herangekämpft hatten, hielt der Favorit dagegen (43.59/28.). Lucic und Weiler-Babb gingen vorbildlich rackernd voran und forcierten Ballverluste, die Fans wurden wieder lauter. Lucic hatte einen Dreier zur Einstelligkeit des Rückstandes auf der Hand, aber der Ball kullerte wieder vom Ring. Immerhin gelang fünf Sekunden vor Ablauf des dritten Viertels der Steal und Lucic verkürzte mit riesigen Schritten per Korbleger zum 49:59.
Topstar Mirotic nicht zu stoppen
Plötzlich war Barcelonas Star Mirotic da, holte elf Punkte hintereinander (56:72/34.). Die Bayern bewiesen Charakter und kämpften sich durch Punkte von Jaramaz und Rubit wieder auf 61:72 heran (36.). Ein Dreier von Barças Kyle Kuric war der nächste Dämpfer für die Aufholjagd der Münchner, denn im Anschluss daran wollte dem FCBB gegen die grimmige Verteidigung des Favoriten fast drei Minuten kein Korberfolg gelingen. Die Fans der Bayern erhoben sich und feuerten die Spieler an, obwohl bereits feststand, dass es an diesem Abend mit der Führung in der Best-of-five-Serie nichts werden sollte. Jaramaz war noch einmal mit fünf Punkten in Serie zur Stelle, aber Barcelona nahm sich jetzt viel Zeit und brachte den Sieg routiniert unter Dach und Fach. Ein überragender Einsatz der Münchner bis zur letzten Sekunde drückte den Rückstand immerhin in den einstelligen Bereich - das macht Hoffnung für Spiel vier am Freitag.
(c) Eirich, Pahnke & Stickel