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Holocaust-Überlebender Abba Naor zu Gast beim FC Bayern

Abba Naor sitzt vor einem Regal, in dem direkt hinter ihm die Chronik des FC Bayern München steht, als er zu Beginn seines Vortrags Heinrich Heine zitiert: „Wer Bücher verbrennt, verbrennt auch Menschen… leider hat er recht behalten.“ Es ist ein erster von vielen beklemmenden Momenten an diesem Abend. 50 Mitglieder, Fans, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des FC Bayern sind zum ersten Zeitzeugengespräch ins Clubheim *1900 auf dem Campus gekommen, das der Verein gemeinsam mit dem FC Bayern Museum im Rahmen seiner Erinnerungsarbeit organisiert hat. Die Chronik des deutschen Rekordmeisters ist ein stattliches Buch, es wurde angefertigt zum 111. Bestehen des Clubs, und der Zufall macht es zur passenden Kulisse: Der FC Bayern steht für Werte, seit mittlerweile über 120 Jahren - unübersehbar.

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Es gehört zur DNA des deutschen Rekordmeisters, dass er aus seiner gesellschaftlichen Verantwortung auch einen Bildungsauftrag ableitet. Die Erinnerungskultur ist hier ein besonderes Anliegen. Wichtige Grundlage zur Aufarbeitung der Vereinshistorie während der NS-Zeit war beispielsweise die vom FC Bayern (Public Affairs) in Auftrag gegebene unabhängige Studie, weil sie ein Vorbild für den verantwortungsvollen Umgang mit der eigenen Geschichte ist. Es geht nicht nur um symbolische Aktionen, sondern auch um den dezidierten Austausch in der Tiefe. Immer wieder herrscht Stille an diesem Abend im Clubheim *1900. Abba Naor lässt Pausen, um das Unfassbare irgendwie zu fassen zu bekommen  was nicht gelingen kann, wenn ein 94-jähriger Überlebender des Holocausts schildert, wie es ihm während des Zweiten Weltkriegs ergangen ist. 

Das Leben ist eine feine Sache, ein einmaliges Geschenk. Es gibt nur dieses eine Leben.

Abba Naor

Bis 13 war Abba Naor ein Kind mit einem wunderbaren Leben. Dann kam der Einmarsch der Wehrmacht in seine Heimat Litauen. Es folgten Pogrome an jüdischen Bürgern, eine Flucht in Pferdekutschen durch den Wald, Leben und Sterben im Ghetto von Kaunas - das Grauen machte auch vor Frauen und Kindern nicht Halt. „Es ist meine Geschichte. Ich habe keine andere“, sagt Abba Naor, „und ich kann nicht von der Welt verschwinden, ohne sie zu erzählen.“ In den späteren Kriegsjahren wird er mit seiner Familie nach Utting am Ammersee deportiert, er arbeitet auch in Kaufering, dem berüchtigten Außenlager des KZ Dachau. Seine Mutter und sein kleiner Bruder, fünf Jahre, werden vergast, seinen älteren Bruder hatte man schon Jahre zuvor erschossen. Auf dem neun Tage dauernden Dachauer Todesmarsch wird Abba Naor schließlich von den US-Amerikanern befreit. Er und sein Vater überleben. Heute hat Abba Naor fünf Enkel und elf Urenkel. „Wollen Sie einen guten Rat von mir“, fragt er sein Publikum: „Urenkel sind das Schönste. Man muss nur lange genug leben.“

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Abba Naor konnte sich seinen Humor bewahren - und auf die Frage, was ihm Vergebung und Versöhnung bedeutet, antwortet er: „Mensch sein! Und Mensch bleiben! Wir müssen einander respektieren.“ Man könne „nicht nur in der Vergangenheit leben - es gibt auch eine Zukunft“. Seit 30 Jahren hält er Vorträge, und weil er ein großer FC Bayern- sowie Thomas Müller-Fan ist und zudem einen starken Bezug zu München hat, hatte er die Einladung zum Zeitzeugengespräch gerne angenommen. „Ein Verein wie der FC Bayern hat eine gewisse Geschichte“, sagt er. „Der FC Bayern entstand nicht heute oder gestern - sondern schon vor dem Zweiten Weltkrieg. Und es gab immer eine gute Beziehung zur jüdischen Bevölkerung.“ Dass sich so ein Club für die Erinnerungskultur engagiere, sei wichtig: „Sport ist die beste Möglichkeit, Menschen kennenzulernen.“

Es gehe immer um Menschlichkeit, sagt Abba Naor. „Das Leben ist eine feine Sache, ein einmaliges Geschenk. Es gibt nur dieses eine Leben.“ Und trotz all seiner schlimmen Erfahrungen „glaube ich noch immer an die Menschen - das ist nicht das Schlechteste“.

Der FC Bayern setzt seine Initiative Rot gegen Rassismus fort: