Am Sonntag bestritt Thomas Müller sein 710. Pflichtspiel für die Profis des FC Bayern und löste damit Sepp Maier (709 Einsätze) als alleinigen Rekordhalter ab. Bereits vor ein einigen Wochen hat das Club-Magazin „51“ mit Weggefährten gesprochen, die alle etwas ganz Besonderes mit dem 34-Jährigen verbindet. Für Karl-Heinz Rummenigge ist Müller eine „bayerische Ikone“, Manuel Neuer findet, „es gibt kaum Spieler, die an ihn herankommen“, und Robert Lewandowski nennt ihn den „perfekten Multitasker“ – hier ist die erste Episode des Dreiteilers über Thomas Müllers Karrierebegleiter:
Karl-Heinz Rummenigge
Unser langjähriger Vorstandschef prägte einst den Spruch, dass man sich Thomas Müller schnitzen müsste, wenn es ihn nicht gäbe. Hier erklärt er, was er damit meinte.
Als ich einmal gefragt wurde, wen ich mir als Bayern-Spieler schnitzen lassen würde, sagte ich spontan: „Ich würde zu den Herrgottschnitzern nach Oberammergau gehen – und da käme dann Thomas Müller heraus.“ Thomas kommt aus der Münchner Umgebung, hat alle Juniorenteams durchlaufen, ist hier groß geworden und spricht den Fans aus dem Herzen; auf dem Platz wie auch außerhalb. Die Fans lieben solche Identifikationsfiguren. Man muss Louis van Gaal dankbar sein für seinen Mut, ihm das Vertrauen geschenkt zu haben – das ist das, was wir von einem Trainer wollen: Talente fordern und fördern. Müller erfüllte und erfüllt all die Kriterien, die wir uns wünschen. Ich sage auch immer, er ist einer der preiswertesten Spieler, die es je gab. Er ist nie verletzt, für ihn braucht man keinen Back-up, und wenn man ehrlich ist: Für ihn gibt es auch keinen Ersatz – denn er ist in seiner Spielweise einzigartig.
In meinen Augen gehört Thomas ohne Frage in eine Reihe mit Vereinsikonen wie Franz Beckenbauer oder Gerd Müller – denn es ist ja kein Zufall, dass der FC Bayern mit ihm die erfolgreichste Dekade seiner Clubgeschichte feiern durfte. Thomas muss sich am Ende seiner Karriere nie etwas vorwerfen: weil er aus seinem Talent immer 100 Prozent herausgeholt hat. Thomas ist nicht nur charakterlich aus richtig gutem Holz geschnitzt; echte Handarbeit made in Bayern. Er ist eine bayerische Ikone, wie es sie kein zweites Mal geben wird.
Manuel Neuer
Seit rund 13 Jahren sind Manuel Neuer und Thomas Müller Teamkollegen beim FCB, seit 2017 sind sie die Kapitäne – und spielten so häufig zusammen wie sonst niemand.
Was Thomas besonders auszeichnet? Dass er die Bayern-DNA in sich trägt. Er ist ein Typ, der immer gewinnen möchte. Ich glaube, ich kenne keinen Fußballer, der so ehrgeizig ist wie er, der auch so viele Sachen so schnell lernt. Egal, was für ein Spiel man ihm präsentiert, er kann es innerhalb kürzester Zeit. Thomas ist einfach ein Siegertyp. Solche Spieler braucht man.
Thomas steht für Kommunikation wie kein anderer. Er hält die Jungs auf Kurs, indem er auf dem Platz sehr viel spricht und strategisch denkt, vor allem wie wir in der Offensive gemeinsam angreifen und verteidigen. Als wir in Corona-Zeiten ohne Zuschauer gespielt haben, haben alle vor dem Fernseher ja mal mitbekommen, wie viel Thomas während eines Spiels kommuniziert. Das war ein ganz wichtiger Faktor, gerade in den K.o.-Spielen in Lissabon, als wir Champions League-Sieger wurden. In den vergangenen Jahren hat Thomas außerdem auch immer mehr gelernt zuzuhören. Er achtet extrem auf andere, nimmt andere mit. Er ist sehr lebhaft und kann gut auf sein Gegenüber eingehen.
Thomas steht auch für das richtige Timing. Er hat ein Näschen dafür, sich in den richtigen Räumen aufzuhalten, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Und er kann den gegnerischen Torhüter lesen. Die Challenges im Training gegen ihn machen mir immer sehr viel Spaß. Außerhalb des Platzes sprechen wir beide viel über die Dinge, die beim FC Bayern wichtig sind, die uns umtreiben. Er trägt das Herz auf der Zunge und legt den Finger in die Wunde. Thomas ist jemand, der sehr ehrlich und direkt ist. Seine oberbayerische Mentalität entspricht meiner Ruhrgebiets-Mentalität. Thomas prägt eine Ära beim FC Bayern. Wir sind zweimal Champions League-Sieger geworden, haben elf Meisterschaften in Folge geholt. Ohne Thomas Müller, mit seinen Qualitäten als Fußballer und seinem Charakter, wäre das alles nicht möglich gewesen. Deshalb hat er für mich den höchsten Stellenwert, nicht nur beim FC Bayern, sondern auch bei der deutschen Nationalmannschaft, bei der wir gemeinsam 2014 Weltmeister geworden sind. Es gibt kaum Spieler, die an Thomas Müller herankommen.
„Ich habe so viele Momente mit ihm, auf die ich gerne zurückschaue – und ich denke, es werden noch einige dazukommen.”
Manuel Neuer über Thomas Müller
Grundsätzlich bin ich sehr froh, mit Thomas so lange in einer Mannschaft zusammenzuspielen. Er hat immer einen Spruch auf den Lippen und sorgt für gute Laune. Ich glaube, er ist der Spieler, der die meisten Witze auswendig parat hat. Auf manchen Jubelbildern sieht er skurril aus, und es gibt witzige Tänze von ihm bei Titelpartys. Ich habe so viele Momente mit ihm, auf die ich gerne zurückschaue – und ich denke, es werden noch einige dazukommen.
Robert Lewandowski
Unser ehemaliger Weltklasse-Stürmer erzielte 344 Tore für den FC Bayern – häufig vorbereitet von seinem Sturmpartner. Niemand profitierte öfter von Thomas Müllers unnachahmlichem Gespür.
Mich hat Thomas als Sturmpartner in vielerlei Hinsicht fasziniert. Am meisten: Er ist der perfekte Multitasker. Er spricht fast das ganze Spiel durch und gibt Kommandos. Doch seine Ansagen haben ihn nie davon abgelenkt, selbst den optimalen freien Raum zu finden. Das habe ich so nur bei ihm gesehen, er engagiert sich voll und ganz für die Mannschaft. Und obwohl er so viel spricht, haben wir uns in den entscheidenden Momenten dennoch ohne Worte verstanden, auch das habe ich sehr an Thomas geschätzt: Es reicht ein Blick, eine Bewegung, und der andere weiß genau, was gleich geschieht.
Wenn ich über unser Verhältnis nachdenke, fallen mir zwei Worte ein: einmalig und ehrlich. Er ist ein Mitspieler, wie man ihn sich nur wünschen kann, der sich auch aus vollem Herzen für seine Kollegen freut. Ich kann mich noch an das unglaubliche Spiel erinnern, als ich gegen Wolfsburg fünf Tore in neun Minuten erzielt habe. Als das Spiel vorbei war, hatte ich gar nicht realisiert, was gerade geschehen ist. Da kam Thomas zu mir und sagte: „Du hast gerade etwas Einzigartiges geschafft, davon wird man noch in 20 Jahren sprechen. Bitte genieße das und lass dich feiern.“ – Und dann schob er mich zu den Fans in der Südkurve.
Apropos Feiern: Auch da kann er alles aus sich herausholen und den Ton angeben. Einen seiner Geburtstage haben wir zusammen im „H’ugo’s“ gefeiert, der Abend gehört auf jeden Fall zu meinen schönsten „Müller-Momenten“. Ich wünsche Thomas, dass seine Intelligenz und sein Wissen nach dem Karriereende das Fundament seines Herzensvereins werden. Denn ich bin mir sicher: Der FC Bayern ist die Zukunft von Thomas Müller – und Thomas Müller ist die Zukunft des FC Bayern.
Hier gibt es die Zahlen & Fakten zum Rekordmann Thomas Müller:
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