Die beiden Bayern-Spielerinnen Pernille Harder und Magda Eriksson engagieren sich seit Jahren für Diversität und gehen mit ihrer Beziehung offen um. Nun traf sich das Paar mit dem Fanclub „QUEERPASS“ auf dem Dach der „Deutschen Eiche“ im Herzen Münchens. Gemeinsam sprachen sie über Coming-outs, Stoppschilder – und Münchner Nächte mit Freddy Mercury.
Pernille und Magda, es war euer ausdrücklicher Wunsch, „QUEERPASS Bayern“ zu treffen – was ist der Hintergrund?
Magdalena Eriksson: „Bei unserem vorherigen Verein FC Chelsea hatten wir eine gute Beziehung zum queeren Fanclub, deshalb haben wir uns vor unserem Wechsel nach München erkundigt, ob es so etwas auch beim FC Bayern gibt. Wir haben dann von „QUEERPASS“ erfahren und wollten die Gesichter dazu kennenlernen, die Personen, die dahinterstecken."
Pernille Harder: „Ein Fanclub wie „QUEERPASS“ hat einen wichtigen Einfluss auf die Fankultur eines Vereins. Wir wollen die Menschen ermutigen, sich beim Thema Diversität nicht zu verstecken. Gleich beim ersten Spiel, das wir in der Allianz Arena besucht haben, haben wir die „QUEERPASS“- und die Regenbogenfahne gesehen. Es ist cool, dass ihr so sichtbar seid, mitten in der Südkurve, dort, wo das Herz der Fanszene schlägt."
Tom, du bist Vorsitzender von „QUEERPASS“. Ein Verein wie der FC Bayern will Begegnungen schaffen – was bedeutet euch so ein Austausch mit zwei Spielerinnen?
Tom Ponetsmüller: „Es war eine große Ehre, als wir gehört
haben, dass ihr uns treffen wollt. Für uns ist so ein Austausch mit zwei Top-Spielerinnen eine weitere tolle Gelegenheit, dass wir gemeinsam mit dem FC Bayern für das Thema Diversität sensibilisieren können. Das Zusammenspiel zwischen uns und dem Verein ist seit Jahren hervorragend mit unterschiedlichen gemeinsamen Aktionen, zum Beispiel im Rahmen der FCB-Vielfalts-Initiative „Rot gegen Rassismus“. Bei Präsident Herbert Hainer wissen wir, dass wir immer ein offenes Ohr finden. Wir fühlen uns beim FC Bayern wertgeschätzt und als Teil des Clubs."
Pernille, Magda, wie fühlt es sich an, in München zu leben – wie offen ist diese Stadt in puncto Diversität?
PH: „Die Stadt hat einen sehr guten Vibe, einen guten Spirit. Und auch mit Blick auf das Thema Diversität fühle ich mich hier absolut wohl und willkommen."
ME: „München ist aufgeschlossen und divers – eine sehr weltoffene Stadt. Es gibt Städte, wo es sich nicht so anfühlt. München ist eine Stadt, die stolz auf diese Lebenseinstellung sein kann. Wenn ich richtig informiert bin, sind wir auch gerade in einem queeren Viertel?"
TP: „Es vermischt sich heutzutage alles mehr. Früher war es auf jeden Fall so. Aber die „Deutsche Eiche“ hier ist schon seit Jahrzehnten ein Fixpunkt. München hat eine lange queere Tradition – unter anderem hat deshalb Freddy Mercury mehrere Jahre hier gelebt. Er war auch oft in der „Deutschen Eiche“. Außen an der Fassade ist ein Mosaik, das ihn zeigt. Das waren tolle Zeiten, ich persönlich habe ihn das eine oder andere Mal abends beim Ausgehen gesehen."
Und wie ist das Klima in der Südkurve der Allianz Arena?
TP: „Wir haben das große Glück, dass unsere Kurve überwiegend liberal eingestellt ist. Zu den meisten Gruppen haben wir gute Beziehungen."
ME: „War das schon immer so?"
TP: „Ja, von Beginn an, seit wir in der Südkurve sind. Insbesondere die Schickeria München hat uns eingeladen, unseren Stammplatz neben der Gruppe in der Südkurve zu haben. Irgendwann haben wir dann eine Regenbogenfahne als Erkennungszeichen mitgenommen."
PH: „Das finde ich supercool. Tolle Fans. Toller Verein."
Pernille, Magda, welche Erfahrungen habt ihr in eurer Karriere im Hinblick auf Akzeptanz und Diskriminierung gemacht?
ME: „Auf dem Platz und in unseren Vereinen nur gute. Bloß auf Social Media kann es mal Kommentare geben, die unsere Sexualität kritisieren. Wenn es Grenzen überschreitet, sollte man die Beleidigung melden, um ein Stoppschild zu setzen. Die Leute sollten wissen, was sie mit Kommentaren anrichten können, da sollte jeder und jede noch ein besseres Bewusstsein entwickeln."
PH: „Ich sage mir dann immer wieder: Von zehn Kommentaren ist einer beleidigend – wer liegt hier also falsch? Man sollte sich immer auf die neun fokussieren, die Zuspruch und Liebe vermitteln. Dadurch wird einem bewusst, wie isoliert die anderen dastehen."
„Durch eure Präsenz, durch eure Fahne in der Fankurve bereitet ihr ein Klima, das Ängste abbaut.”
Magdalena Eriksson über den FC Bayern-Fanclub „QUEERPASS BAYERN"
Warum ist so ein großer Unterschied beim Thema Diversität zwischen Frauen- und Männerfußball?
PH: „Im Männerfußball herrscht noch immer eine gewisse Machokultur. Das hat sich in einer über 100 Jahre alten Tradition entwickelt. Aber ich habe das Gefühl, dass sich der Ton langsam verändert, in den Kabinen wie auf den Tribünen. Es ist noch nicht lange her, da war „du Schwuler“ eine Beschimpfung, gerade unter Fußballern. Das wird weniger."
ME: „Ich denke, dass da leider noch immer zu viel Sorge vorherrscht, wie die Reaktionen auf ein Coming-out ausfallen würden. Deshalb ist es in meinen Augen so wichtig, dass es Fanclubs wie den euren gibt, die gemeinsam mit dem Verein dafür sorgen, dass Diversität gelebt wird, dass Toleranz und Akzeptanz steigen, dass Vorurteile und Barrieren in den Köpfen abgebaut werden. Durch eure Präsenz, durch eure Fahne in der Fankurve bereitet ihr ein Klima, das Ängste abbaut."
„Im Männerfußball herrscht noch immer eine gewisse Machokultur. Das hat sich in einer über 100 Jahre alten Tradition entwickelt. Aber ich habe das Gefühl, dass sich der Ton langsam verändert, in den Kabinen wie auf den Tribünen.”
Pernille Harder über den Unterschied im Umgang mit Sexualität & Diversität im Männer- und Frauenfußball
PH: „Ihr habt gerade erzählt, dass euch die Fankurve explizit gefragt hat, einen Platz mittendrin einzunehmen. Das ist so großartig, weil so langsam der Tag erreicht werden kann, an dem ein Spieler das Gefühl hat, so sicher sein zu können, sein Coming-out zu wagen. Wenn man weiß: Die Kurve steht hinter mir, steht zu mir – das ist das, woran wir alle arbeiten müssen und warum euer Engagement so wichtig ist. Es braucht viel Mut, sich zu outen, wir wissen das – und je mehr Rückhalt man in seiner Umgebung spürt, desto mehr Mut hat man."
ME: „Es geht ja auch darum, dafür zu sorgen, dass deine Sexualität und die Frage, wen du liebst, keine Rolle mehr spielen darf. Letztlich sind wir alle Fußballer und Fußballerinnen, und daran ändert sich nichts – wir sind Menschen, die fühlen, lieben, leben."
Was denkt ihr: Sprechen wir bei einem Coming-out eines männlichen Profifußballers über viele oder wenige Jahre?
ME: „Es haben sich ja schon in unteren Ligen einige geoutet. Und es ist die Verantwortung von uns allen, ein tolerantes Umfeld im Fußball zu schaffen. Da muss auch der heterosexuelle Teil der Fanszene Verantwortung übernehmen."
Tom, sind Pernille und Magda Role Models?
TP: „Ohne Frage. Wie offen sie mit ihrer Sexualität umgehen, ihre Sichtweise thematisieren, leistet einen enormen Beitrag, Menschen zu sensibilisieren. Wenn jemand, der im Rampenlicht steht, so klar über seine Gefühle spricht, erreicht er die Menschen. Ich habe da höchsten Respekt, weil man ja gerade in exponierter Position immer bedenken muss, wie die Öffentlichkeit reagiert."
ME: „Für mich sind Fanclubs wie „QUEERPASS“ die wahren Role Models: echte Vorbilder, weil ihr aus der Mitte der Fans kommt."
TP: „Ich denke, dass ein Großteil der Südkurve beim FC Bayern bei einem Coming-out sensibel mit dem Thema umgehen würde. Aber man kann leider nie für alle Fans sprechen. Ich bin nicht sicher, ob der Männerfußball schon bereit ist für ein Coming-out, zumal sich die politische Lage aktuell auch in eine dafür nicht positive Richtung entwickelt. Wir bei „QUEERPASS“ werden immer wieder gefragt, ob wir uns wünschen, dass sich mal ein queerer Spieler bekennt – aber wir sind keine Aktivisten und wissen ganz genau, dass diese Entscheidung so eine private und persönliche Sache ist, dass man da niemals etwas einfordern darf. Jeder muss für sich entscheiden, ob und wann er sich stark und sicher genug fühlt, so einen Schritt zu gehen."
Pernille, Magda: Bei der WM 2019 sorgte ein Kuss von euch für Aufsehen, das ihr so nicht erwartet hattet …
ME: „Damals bekam die mediale Berichterstattung beim Frauenfußball noch einmal insgesamt einen großen Schub – und so geriet eine Szene, die für uns völlig selbstverständlich ist, in einen viel größeren Fokus. Ich denke, der Kuss zeigt, worum es im Frauenfußball auch geht, wer wir sind: selbstbewusst, selbstbestimmt, offen. Pernille war damals als Zuschauerin dabei, in einem Trikot meiner schwedischen Nationalmannschaft, und ich denke, das Entscheidende an diesem Bild war, dass wir da nichts inszeniert hatten, sondern einfach das gemacht haben, was wir immer machen, was jeder macht. Wir hätten ja nie gedacht, was das Motiv alles auslöst."
PH: „Es war kein Fotoshooting. Das waren wir. Zwei Menschen, die sich lieben. Ich glaube, dadurch, dass das Bild so eine mediale Wirkung erzielt hat, war es ein Wegbereiter für andere lesbische Pärchen im Fußball und hoffentlich darüber hinaus, offen seine Gefühle zu zeigen. Im Nachhinein hatte ich den Eindruck, dass die Öffentlichkeit so ein Bild einfach mal gebraucht hat. Danach wurden viele noch einen Tick offener, selbstbewusster."
Welche Ratschläge würdet ihr jungen Sportlerinnen und Sportlern geben, die sich vielleicht noch nicht trauen, ihre Identität offen zu leben?
„Lieb dich selbst, wie du bist. Steh zu dir. Wenn du an dich heranlässt, was böse Menschen sagen, fängst du an, dich selbst nicht mehr zu mögen. Das darf man nicht zulassen.”
Magdalena Eriksson
ME: „Das ist eine schwierige Frage, jede Situation ist persönlich und individuell. Der erste und entscheidende Schritt ist: Lieb dich selbst, wie du bist. Steh zu dir. Wenn du an dich heranlässt, was böse Menschen sagen, fängst du an, dich selbst nicht mehr zu mögen. Das darf man nicht zulassen. Wenn man sich bewusst ist, dass man sich wegen nichts verstecken muss, dass man eine wertvolle Person ist, dann fällt alles viel leichter."
Was wünscht ihr euch für die Zukunft des Fußballs, wenn es um Diversität geht?
TP: „Ich denke, wir sollten einfach Schritt für Schritt gemeinsam
weiter für ein tolerantes Klima sorgen. Wir dürfen die Leute nicht überfrachten, es muss ein natürlicher Prozess sein. Und sicher kann der Männerfußball bei diesem Thema viel vom Frauenfußball lernen."
PH: „Vielleicht ist es auch eine Frage, die erst die nächste Generation an Fußballern beantworten wird. Die jungen Menschen heute gehen viel offener mit dem Thema Diversität um."
ME: „Wir brauchen Gesichter und Stimmen. Und wenn ich mich hier an diesem Tisch umschaue, sehe ich das alles. Es ist sicher noch ein langer Weg - aber wir werden uns weiter einsetzen. Und wir beide werden immer stolz sein, wenn wir die Regenbogenfahne in der Südkurve sehen."
Fotocredit: Lisa Nguyen
Das ausführliche Gespräch gibt es in der Dezember-Ausgabe des FC Bayern-Mitgliedermagazins „51“ zu lesen.
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