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Der Guss des Franz-Beckenbauer-Denkmals
© Constantin Mirbach

Bronze für den Kaiser: Künstlerin Matilde Romagnoli im Interview über ihr Werk

Initiiert vom Kurt Landauer Stiftung e. V., finanziert von den Fans – und geformt von der Italienerin Matilde Romagnoli. Wir haben mit der Wahl-Münchnerin gesprochen. Über die Aufgabe, dem Kaiser ein Denkmal zu setzen, und die Magie von Bronze.

Das Interview mit Matilde Romagnoli

Frau Romagnoli, Sie beschreiben den Guss eines Bronzedenkmals gern als „Rückspulprozess eines Vulkans“. Was meinen Sie damit?
Matilde Romagnoli: „Ich möchte damit sagen: Bei einem Vulkan explodiert die Lava nach außen – beim Bronzeguss implodiert das flüssige Metall nach innen, in die Form hinein. Die Energie wird so in der Form gefangen. Mich fasziniert beides gleichermaßen. Was zu Hause in Italien der Vulkan Stromboli für mich ist, ist hier in München der Ofen der Kunstgießerei.“

Können Sie den Moment des Gusses beschreiben? Was geht in Ihnen dabei vor?
„Für mich ist der Guss immer ein ruhiger und konzentrierter Moment. Es herrscht dabei eine besondere Stille, man hört nur, wie das flüssige Metall in die Form hineinfließt. Ein einzigartiges Geräusch.“

Beim Guss wird die flüssige Bronze in eine Form gezwungen – zugleich entfaltet die glühende Masse eine eigene Dynamik in der Form. Macht Sie das nicht unruhig?
„Vor dem Guss ist alles bis ins Detail geplant. Das flüssige Metall fließt durch die Gusskanäle in eine Form, die ich vorgegeben habe. Nichts ist dem Zufall überlassen. Und Hasan und Aslan Göktepe von der Kunstgießerei sind Meister ihres Faches. Wir kennen uns schon viele Jahre, und ich habe großes Vertrauen in ihre Arbeit. So kann ich beim Guss einfach am Rand sitzen und diese besonderen Minuten ganz bewusst genießen.“

In unserer Galerie seht Ihr die Bilder vom Bronzeguss des Franz-Beckenbauer-Denkmals:

Und doch lebt so ein Denkmal ja auch von Dingen, die man nicht hundertprozentig steuern kann, oder? Zum Beispiel das Spiel von Licht und Schatten?
Licht und Schatten sind sehr wichtig. Gesicht, Haare, Hände, Muskulatur, Trikot, Schuhe … Überall spielen Licht und Schatten eine entscheidende Rolle, damit das Denkmal lebendig ist. Es war hilfreich, dass ich zum Großteil im Winter am Modell gearbeitet habe. Da verschwand das Licht um 17 Uhr. Also habe ich die Hälfte der Zeit mit einem Strahler gearbeitet – und konnte Licht und Schatten bewusst setzen.“

Sie sprechen von Lebendigkeit. Ist das ein entscheidender Punkt im Schaffensprozess: erstarrtes Metall lebendig zu machen? Bewegung im Stillstand?
„Für mich ist es sehr wichtig, einer Statue ein Atmen zu geben, eine in Bronze gefangene Bewegung. Bei der Franz-Beckenbauer-Statue sorgen zum Beispiel der Mund, die Augen und die Spannung der Hände für eine Dynamik. Man erkennt, dass die Figur atmet. Dass sie lebt.“

Beim Guss sieht man gebannt zu – auch Franz Beckenbauer hat alle Blicke auf sich gezogen. Manchmal ist er auch wie ein Vulkan ausgebrochen. Welche Seiten an ihm haben Sie für sich entdeckt?
„Ich habe sehr viele Videos und Fotos studiert. Franz Beckenbauer war auf dem Rasen immer konzentriert, ständig in Bewegung. Sein Oberkörper hatte eine offene Haltung, das Gesicht oben, der Blick nach vorne. Dabei wirkte alles an ihm immer sehr leicht und elegant. Diese Beobachtungen habe ich versucht, auf meine Statue zu übertragen.“

Mir war wichtig zu zeigen, mit welch hoher Konzentration Franz Beckenbauer das Spiel gelesen hat. Er wusste immer schon im Voraus, wie es weitergehen wird.

Künstlerin Matilde Romagnoli über das Franz-Beckenbauer-Denkmal

Gibt es körperliche Merkmale von Franz Beckenbauer, die Sie überrascht haben?
„Was mir vorher nicht bewusst war: Jeder Fußballspieler hält seine Hände auf eine ganz eigentümliche Art und Weise, wenn er den Ball schießt. Das war auch bei Franz Beckenbauer so. Seine rechte Hand war dann leicht geschlossen, die linke offen. Natürlich habe ich versucht, diese typischen Posen in der Statue herauszuarbeiten.“

Das Gesicht ist der zentrale Punkt, um eine Figur wiederzuerkennen. Worauf kam es Ihnen beim Modellieren der Gesichtszüge besonders an?
„Mir war wichtig zu zeigen, mit welch hoher Konzentration Franz Beckenbauer das Spiel gelesen hat. Er wusste immer schon im Voraus, wie es weitergehen wird. Seine Augen waren fokussiert, der Mund leicht offen – und trotzdem war er immer elegant in seinem Ausdruck.“

Sie sind Italienerin – wie viel Italien steckt in Ihrem Beckenbauer- Denkmal? Immerhin wurde Franz Beckenbauer als Trainer in Italien Weltmeister.
„In jeder meiner Arbeiten steckt meine ganze Persönlichkeit. Die Italienerin genauso wie mein deutscher Einfluss oder der ungarische durch meine Oma. Zu Franz Beckenbauer passt mein italienischer Teil natürlich perfekt. Da schließt sich für ihn ein Kreis.“

Der Guss des Franz-Beckenbauer-Denkmals
Die glühende Bronze muss durch ein kleines Loch in die Form. Zentimeterarbeit! Zum Schutz vor der Hitze tragen die Gießer aluminiumbeschichtete Kleidung. | © Constantin Mirbach

Sie haben auch eine Leidenschaft für den Tanz. War Beckenbauer in Ihren Augen ein Tänzer auf dem Rasen?
„Ich finde, ein guter Fußballer bewegt sich wie ein guter Tänzer. Elegant und dynamisch. Bei Beckenbauer konnte man das immer beobachten.“

Wann haben Sie gemerkt, dass Sie fertig sind mit dem Tonmodell, aus dem dann in vielen Arbeitsschritten die Gussform entstand?
„Ich habe die Arbeit sehr genossen, auch im Winter, wenn die Finger kalt waren. Um den Ton nicht auszutrocknen, konnte ich die Heizung in der Kunstgießerei nur begrenzt nutzen. Zum Glück hielt mich die Arbeit an der Statue viel in Bewegung. Das Modell, ohne Sockel, ist 2,70 Meter hoch. Ich musste ständig im Gerüst rauf- und runterklettern. Das war auch sportlich eine Herausforderung. Aber irgendwann habe ich gewusst: fertig, stopp! Dieses Gefühl war einfach da. Und dann habe ich aufgehört.“

Der Guss des Franz-Beckenbauer-Denkmals
Im Schmelzofen wird die Bronze auf 1.250 Grad Celsius erhitzt. Ihr Schmelzpunkt liegt bei etwa 1.000 Grad. | © Constantin Mirbach

Wie oft wurden Sie in den letzten Monaten gefragt, wie das fertige Denkmal aussehen wird?
„Die Neugier ist schon groß. Aber ich sage immer wie früher Beckenbauer: Schau’n mer mal!“

Sie haben nichts verraten?
„Niente.“

Es dauert jetzt auch nicht mehr lange, bis das Denkmal enthüllt wird. Was für einen Franz Beckenbauer werden wir auf der Esplanade vor der Allianz Arena sehen: den Fußballer, den Menschen, den Kaiser?
„Mir war es wichtig, alle drei Facetten zu zeigen. Genau darin lag die besondere Herausforderung. Jetzt hoffe ich, dass die Bayern-Fans „ihren“ Franz Beckenbauer vor der Allianz Arena wiedererkennen und begrüßen können.“

Der Interview erschien im August im Club-Magazin „51“ – hier geht es zur aktuellen Ausgabe:

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