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Giulia Gwinn vom FC Bayern München

Giulia Gwinn: „Wer sich wegduckt, bewirkt nichts“

Nach dem 4:0 im Bundesliga-Gipfel beim VfL Wolfsburg richten sich die Blicke der FC Bayern-Frauen nun auf das DFB-Pokalhalbfinale am Ostersonntag gegen Eintracht Frankfurt am FC Bayern Campus (Anstoß 15.45 Uhr, ARD). Im Vorfeld erzählte Giulia Gwinn im aktuellen FC Bayern Mitgliedermagazin „51“, auf was sie alles achtet, um immer Topleistung bringen zu können - vom kontrollierten Schlafen über die richtige Ernährung bis hin zu Übungen mit Spezialbrillen.

Giulia, wenn wir anfangs mal zurückblicken: Wie viel steckt noch in dir von der 20-Jährigen, die im Sommer 2019 zum FC Bayern gewechselt ist?
(lächelt) „Ach, ich denke, eine ganze Menge: Die Freude am Fußball ist ungebrochen und mein ständiger Antrieb. Ich bin sehr dankbar, wie alles gelaufen ist. Von Anfang an hatte ich das Vertrauen der Trainer, habe in München schnell meinen Platz gefunden. Meine beiden Kreuzbandrisse haben mich dann ein wenig aus der Bahn geworfen, es war ein Auf und Ab, aber ich habe mich immer zurückgekämpft und bin glücklich, nun schon über einige Jahre ein Teil der Entwicklung zu sein, die angestoßen wurde – beim FC Bayern wie im gesamten deutschen Frauenfußball.“

Giulia Gwinn Training FC Bayern

Giulia Gwinn im Training der FCB-Frauen.

Bei der Nationalmannschaft hast du vor Kurzem nach der Niederlage gegen Frankreich von „Angsthasenfußball“ gesprochen.
„Ich denke, es gehört dazu, mal den Finger in die Wunde zu legen. Mit 24 Jahren bin ich zwar noch recht jung, trotzdem bin ich in eine Rolle hineingewachsen, in der ich unangenehme Dinge ansprechen darf. Konkret zum Thema „Angsthasenfußball“: Das kam nach dem Spiel aus der Emotion heraus – und ich habe mich von der Kritik ja auch nicht ausgenommen. Es ging mir um uns alle, um unsere Performance in der ersten Halbzeit. Mich eingeschlossen, ganz klar.“

Es wurde allgemein als wohltuend empfunden.
„Ich weiß, welche Qualität in uns steckt, und dann nervt es uns alle einfach, wenn wir das nicht auf den Platz bringen. Ich glaube an unser Potenzial, und wenn man ehrlich und offen ist und sich jeder hinterfragt, fördert das die Leistung in einem Team.“

Ist das der nächste Karriereschritt: mit 16 Bundesligadebüt, mit 18 Nationalmannschaft, mit 20 zum FC Bayern, mit 24 eine Führungspersönlichkeit?
„Ich möchte Verantwortung übernehmen und das auch verkörpern. Wir haben in der Nationalmannschaft und auch beim FC Bayern Spielerinnen, die mehr Erfahrung haben. Zum Beispiel Alexandra Popp, sie ist eine gestandene Persönlichkeit, alle schauen zu ihr auf. Ich denke dennoch, dass es uns als Team hilft, wenn jüngere Spielerinnen Verantwortung übernehmen – neben dem Platz, aber vor allem auch im Spiel. Das darf sich nicht auf ein, zwei Spielerinnen reduzieren. Ich zeige das bei der Nationalmannschaft auch durch meine Elfmeter: Da gehe ich voran, verstecke mich nicht. Wer sich wegduckt, bewirkt nichts.“

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Giulia Gwinn und der Fußball - eine Beziehung für die Ewigkeit.

Du trägst gerade einen Daten-Ring, der sämtliche Werte trackt. Wie funktioniert das für dich?
„Ich stehe Innovationen sehr aufgeschlossen gegenüber und versuche, alles um den Fußball herum zu optimieren. Den Ring haben wir 2022 beim DFB bekommen, ich war richtig neugierig darauf. Außerdem habe ich Gespräche mit einer Schlafexpertin und einer Ernährungsberaterin geführt, auch im neuroathletischen Bereich arbeite ich sehr viel.“

Giulia Gwinn, die 360-Grad-Profifußballerin.
(lacht) „So habe ich das bisher nicht gesehen – aber mir ist es auf jeden Fall wichtig, als Leistungssportlerin auch abseits des Platzes alle Möglichkeiten zu nutzen, die es gibt, um bestmöglich zu performen.“

Auch Spieler wie Serge Gnabry, Robert Lewandowski und Erling Haaland probieren vieles aus, um ihre Leistung zu verbessern.
„Die Schlafexpertin hat mir zum Beispiel Tipps gegeben, wie ich vor dem Schlafen besser runterkomme und besser in die Schlafphasen komme. Dann habe ich das Thema Neuroathletik für mich und meine Knie entdeckt. Unter anderem arbeite ich hin und wieder mit einer Strobobrille. Diese Brille flackert, man hat von der Wahrnehmung ein gestörtes Bild. Das kann man bei Übungen auf und neben dem Platz machen, etwa beim Tischtennis. Die verzögerte Wahrnehmung hat einen riesigen Effekt, um die Wahrnehmung zu schärfen.“

Und was berücksichtigst du bei der Ernährung?
„Ich esse nicht wie Lewandowski das Dessert vor dem Hauptgang, aber ich versuche, mich ausgewogen zu ernähren. Besonders in der Reha-Phase, als es um Muskelaufbau und Proteinzufuhr ging, war das wichtig. Das sind alles Dinge, bei denen man immer ein paar Prozent herausholen kann, um noch leistungsfähiger zu sein. Und jeder Prozentpunkt zählt.“

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Gwinn bereitet sich auf die Trainingseinheit am FC Bayern Campus vor.

Dir ist auch mentales Training wichtig.
„Das habe ich in der Reha-Phase entdeckt, wäre aber froh gewesen, wenn ich das schon früher gemacht hätte. Es ist wie ein zusätzliches Training. Wenn man in der Nationalmannschaft und beim FC Bayern spielt, hat man immer Druck, man möchte Spiele gewinnen und Titel einfahren. Das ist die Erwartungshaltung. Inzwischen habe ich gute Strategien, wie ich in Drucksituationen Ruhe bewahre und meine innere Mitte halte, wie etwa bei Elfmetern.“

Scheint zu wirken – deine Elferquote ist 18 von 18.
„Die möchte ich gerne ausbauen.“ (grinst)

Neben dem Sport bist du medial sehr gefragt als eines der bekanntesten Gesichter im Frauenfußball. Hat dein Tag mehr als 24 Stunden?
„Es geht immer um die richtige Balance. Ich finde es super, dass der Frauenfußball sichtbarer wird und mehr an Bedeutung gewinnt, aber das macht es auf der anderen Seite nicht einfacher. Ich möchte immer als Fußballerin gesehen werden, darauf liegt mein absoluter Fokus. Ich bin keine Influencerin. Das Drumherum ist eine schöne Nebensache, die ich in Maßen genieße, die mich aber auf dem Feld niemals beeinträchtigen wird.“

Hate Speech auf Social Media ist ein großes Thema unserer Zeit. Wie gehst du damit um?
„Ich bin zum Glück selten direkt konfrontiert. Aber es ist natürlich generell ein absolutes No-Go unserer Zeit. Jemanden einfach anonym zu attackieren, ohne sich mit Hintergründen auseinanderzusetzen – das finde ich feige. Ich persönlich versuche immer, die sozialen Medien so zu filtern, dass ich nur das Positive herausziehe. Bei Hasskommentaren sollte man sich immer bewusst machen, dass da Einzelpersonen dahinterstecken. Aber es wäre gelogen zu sagen, dass sie spurlos an einem vorbeigehen. Jeder sollte sich immer hinterfragen, was er da postet, was er anrichtet und warum er das macht.“

Du inspirierst die Menschen mit deinen Leistungen auf dem Platz und deinem Auftreten außerhalb. Siehst du dich als Vorbild?
„Ich freue mich unheimlich über jeden, den ich in meinem Trikot herumlaufen sehe – das ist für mich etwas ganz Besonderes. Mir liegt es am Herzen, authentisch und nahbar zu sein. Bei uns sind ausverkaufte Spiele keine Selbstverständlichkeit, aber die steigenden Zuschauerzahlen zeigen, dass wir die Menschen erreichen. Ich denke, Frauenfußball zeigt, dass es keine Grenzen gibt, wenn man an seine Ziele glaubt und bereit ist, dafür alles zu geben.“

Giulia Gwinn

Gwinn während eines Zweikampfs im Training.

Ist es das, was du vermitteln möchtest? Bleib bei dir, sei nahbar, geh offen auf andere zu – und arbeite hart.
„Ja, das sind die Werte, die ich von zu Hause mitbekommen habe. Egal, was ich erreicht habe, ich möchte immer bodenständig bleiben und mich nicht verbiegen lassen. Ich bin letztlich eine ganz normale junge Frau, die professionell Fußball spielt.“

Führt euer Teamgeist auch 2024 zu Titeln?
„Es ist viel drin. Das Aus in der Champions League tat weh. Aber wir haben zwei Wettbewerbe, bei denen wir supermotiviert sind und bis zum Ende alles geben werden.“

Was wünschst du dir für die Frauenfußball-Zukunft?
„Es wäre unrealistisch zu erwarten, dass es einen riesigen Sprung gibt und wir irgendwann in Gehaltsregionen wie die Männer sind. Aber ich wünsche mir, dass wir immer sichtbarer werden und Plattformen bekommen, um weiter über den Platz hinaus auf uns aufmerksam machen zu können. Es ist entscheidend, dass der Frauenfußball Gesichter hat, mit denen sich die Fans identifizieren. Wir sind da auf einem guten Weg.“

Giulia Gwinn

FCB-Verteidigerin Gwinn jongliert mit dem Ball.

Bleibst du nach deiner Karriere im Frauenfußball?
„Erst mal will ich noch ein paar Jahre spielen. Später kann ich mir das gut vorstellen. Ein Trainerjob ist eher nichts für mich, aber hinter den Kulissen wäre spannend.“

Bei den FC Bayern Männern hat es sich etabliert, nach der Karriere beim Verein zu bleiben.
„Da würde ich nicht Nein sagen. Ich habe schon als Kind in Bayern-Klamotten trainiert, es waren für mich Highlights, in die Allianz Arena zu fahren, und es fühlt sich heute noch unwirklich an, dort jetzt selbst zu spielen. Das Familiäre, das einem beim FC Bayern vermittelt wird, spüre ich in unserem Team jeden Tag. Das „Mia san mia“ ist nicht nur so dahingeredet. Mir gibt das unheimlich viel, ich kann mich damit absolut identifizieren.“

Eine Frage zum Ende: Du trägst immer deinen Zopf zum Sport. Wie lange dauert er?
„Eigentlich nur fünf Minuten. Aber wenn er mir nicht passt, dann mache ich ihn noch mal neu. Das klingt jetzt vielleicht eitel, aber darum geht’s mir nicht: Ich bin einfach perfektionistisch.“ (lacht)

Bilder: Amelie Niederbuchner

Das ausführliche Interview lesen Sie im FC Bayern Mitgliedermagazin „51“.