Die Frauen des FC Bayern sind mit fünf Siegen in die Saison gestartet. Ihre Botschaft: Der Weg zum Meistertitel führt wieder nur über München. „Wir haben eine eingespielte Mannschaft, in der die Chemie stimmt“, sagt Direktorin Bianca Rech. „Jede Spielerin kennt ihre Aufgabe auf und abseits des Platzes und erfüllt sie zurzeit sehr gut.“ In dieser Form sind die Roten bereit für die Champions League. Ein Überblick über die Rollenverteilung im Team.
Die Musik-Managerin
Jovana Damnjanović, 29
Wenn Jovana Damnjanović die Kabine betritt, kann die Party losgehen. Die serbische Stürmerin sorgt dafür, dass die Musikbox immer mit dabei ist – und vor allem zu 100 Prozent geladen.
Musik spielt im Fußball eine wichtige Rolle: Vor großen Spielen hilft sie der Mannschaft bei der Konzentration, nach Siegen sorgt sie für die verdiente Eskalation. Doch Damjanović gibt in der Kabine nicht den Musikstil vor, sondern stellt sich – wie auf dem Platz – in den Dienst des Teams. Alle Spielerinnen können Songs auf die Playlist hinzufügen. Entsprechend vielfältig ist der Soundtrack der Kabine: Taylor Swift, Ballermann-Schlager, Alicia Keys, eine Boyband aus den 90ern oder ein schwedisches Volkslied – alles kann dabei sein.
Auch im Spiel zeigt Damjanović diese Vielseitigkeit und Energie. Mit über fünf Pressing-Aktionen pro 90 Minuten gehört sie 2024 zu den besten Bundesliga-Spielerinnen, wenn es darum geht, Druck auf den Gegner auszuüben („Under Pressure“, Queen). Für ihre fünf Bundesliga-Tore brauchte sie lediglich 13 Schüsse und übertraf ihren xG-Wert von 2,86 erwarteten Toren deutlich („Even Better Than the Real Thing“, U2). Und sie ist eine herausragende Zielspielerin – nur eine Bundesliga-Spielerin empfing seit Jahresbeginn mehr lange Bälle pro 90 Minuten („Long, Long, Long“, The Beatles). Wie auf der Playlist passt Damjanović ihr Spiel den Bedürfnissen des Teams an: mal laut und explosiv, mal präzise und unberechenbar. Ob mit Musik oder mit dem Ball – sie findet immer den richtigen Rhythmus.
Position: Angriff
In München seit: 2017
FCB-Bilanz: 143 Spiele (55 Tore)
Highscore: Jovana führt 15,6 Offensiv-Duelle pro 90 Minuten in der Bundesliga. Nur sechs Spielerinnen haben mehr.
Iron Woman
Georgia Stanway, 25
Die Eltern der Engländerin sind beide Sportlehrer: In ihrer Familie gehörte „Sport einfach jeden Tag dazu.“ Auf dem Bolzplatz nahe der Irischen See und im Wettkampf mit ihren drei Brüdern erarbeitete sie sich die Ausdauer und Härte, mit der sie nun das Mittelfeld der Bundesliga beherrscht. Als der FC Bayern kürzlich RB Leipzig mit 6:2 auseinandernahm, gewann sie zehn Bälle – allein in der Leipziger Hälfte. Gegnerische Stürmerinnen würden am liebsten einen großen Bogen um die 1,64 Meter kleine Europameisterin machen, aber Georgia steht eben in der Zentrale (und meist am richtigen Ort). Eine Begegnung mit unserer „Iron Woman“ kann weh tun: Auf YouTube gibt es einen vier Minuten langen Zusammenschnitt ihrer härtesten Tackles, bei dem man selbst vor dem Bildschirm ab und an zusammenzuckt. Gefürchtet ist auch ihr rechter Fuß, mit dem sie Schüsse von enormer Power und Präzision abfeuert – drei ihrer sechs Tore im Jahr 2024 erzielte sie von außerhalb des Strafraums. Grätschen, ballern, jubeln. Nur eine Sache kann sie nicht: „Ich musste erst lernen, auch mal still zu sitzen“, meinte sie mal in einem Interview. Die innere Batterie ist eben immer zu 100 % geladen.
Position: Mittelfeld
In München seit: 2022
FCB-Bilanz: 71 Spiele (19 Tore)
Highscore: 88 Prozent ihrer progressiven Pässe kommen bei einer Mitspielerin an – der zweitbeste Wert in der Bundesliga.
Die Ordnerin
Sarah Zadrazil, 31
Das Mittelfeld wird gerne als Maschinenraum oder Kontrollzentrum des Fußballs bezeichnet. Deshalb glänzen dort Spielerinnen wie Zadrazil, die neben Technik und Kampfgeist auch einen Sinn für das große Ganze haben. Die österreichische Nationalspielerin verzeichnet 2024 die meisten erfolgreichen Defensivaktionen pro 90 Minuten aller FCB-Spielerinnen in der Liga (12,4) und fängt im Schnitt 5,3 Pässe ab. So stellt sie sicher, dass die Bayern-Maschine rundläuft und sich niemand ohne Zugangsberechtigung ins Kontrollzentrum schleicht. Auch abseits des Platzes sorgt die Co-Kapitänin für klare Ruhe und Strukturen: Sie merkt sofort, wenn eine jüngere Spielerin mal Sorgen hat oder einen Rat braucht. Und stellt sogar sicher, dass der Mannschaftsbus stets sauber hinterlassen wird.
Position: Defensives Mittelfeld
In München seit: 2020
FCB-Bilanz: 130 Spiele (4 Tore)
Highscore: Zadrazil hat die drittbeste Passquote (86%) aller zentralen Mittelfeldspielerinnen in der Liga. Sauber!
Das Mentalitätsmonster
Giulia Gwinn, 25
Unsere Rechtsverteidigerin hat eine rekordverdächtige Entwicklung genommen. Als sie 2019 vom SC Freiburg zum FC Bayern wechselte, sei sie „total aufgeregt und schüchtern gewesen“, sagt Giulia Gwinn über sich selbst. Heute kann man sich das fast nicht vorstellen. Um kaum eine deutsche Spielerinn herrscht so viel Trubel, sie hat über 600.000 Instagram-Follower und muss ständig Autogrammwünsche erfüllen. Und dennoch bleibt sie in jeder Sekunde voll fokussiert und ist im Alter von 24 Jahren eine der Spielerinnen in unserem Kader, die in kritischen Situationen vorangeht. Ihr Motto: „Wer sich wegduckt, bewirkt nichts.“ Zwölf Elfmeter hat sie als Profi geschossen – und alle waren sie drin. Dass sie so entschlossen auftritt, hängt eng mit ihrer Verletzungshistorie zusammen: Zweimal hat Giulia sich in ihrer jungen Karriere bereits das Kreuzband gerissen. Zweimal schuftete sie viele Monate in der Reha für ihr Comeback. Schwierige Lebensphasen, in denen sie einen unbändigen Willen entwickelt hat, die größtmöglichen Erfolge mit dem FCB zu feiern.
Position: Abwehr
In München seit: 2019
FCB-Bilanz: 88 (14 Tore)
Highscore: Bei ihrem Bundesliga-Debüt war Giulia gerade einmal 16 Jahre alt.
Die Ansagerin
Glódís Perla Viggósdóttir, 29
Unsere Abwehrchefin und Kapitänin sagt auf dem Platz immer, wo es langgeht. Und immer bedeutet wirklich immer. Sie stand in den vergangenen zwei Saisons nur ein einziges Mal nicht von Anfang an auf dem Platz, weil sie geschont wurde, und spielte abgesehen von vier Spielen immer durch. Glódís ist diejenige, die ansagt, wenn unsere Abwehr rausrücken oder die Gegnerinnen gepresst werden sollen. Dabei ist sie aber nie lauter als nötig. Selbst in hitzigen Momenten bleibt sie cool und trifft mutige Entscheidungen. Eine Gabe, die sie selbst auch auf ihre Herkunft zurückführt: „In Island machen wir uns nicht so viel Stress wegen jeder Kleinigkeit. Regen, Schnee, Sturm, ein Vulkanausbruch – wir wissen, dass sich ständig alles ändern kann, und können damit umgehen.“ Ebenfalls nicht unerheblich für ihre Fähigkeit, Spielsituationen sofort zu erkennen und teamtaktisch darauf zu reagieren: die vielen Erfahrungen, die sie als isländische, schwedische und deutsche Meisterin gesammelt hat.
Position: Abwehr
In München seit: 2021
FCB-Bilanz: 104 Spiele (8 Tore)
Highscore: Glódís hat in unserer Meistersaison 23/24 nur 13 Fouls begangen und lediglich zwei Gelbe Karten kassiert.
Die mit den Zauber-Händen
Maria Luisa Grohs, 23
Einige unterhalten sich, um sich abzulenken, andere hören ihre Lieblingssongs: Die Strategien, um sich auf der Busfahrt zum Stadion aufs Spiel vorzubereiten, ähneln sich bei den meisten unserer Spielerinnen. Mala Grohs allerdings verfolgt auf ihrem Sitzplatz eine einmalige Routine: Sie packt ihren Zauberwürfel aus und dreht und wendet ihn in ihren Händen. Zehn- bis zwanzigmal löst sie das Rätsel vor einer Bayern-Partie. Für einen Durchgang benötigt sie 40 bis 60 Sekunden. „Im Kopf bin ich nur bei den Farben und Bewegungen“, so die 23-Jährige.
Der Zauberwürfel ist für die Naturwissenschaftlerin, die neben ihrer Fußballkarriere an der TU München Maschinenbau studiert, die perfekte Methode, um sich zu fokussieren. Sie wärmt ihre Augen und Koordination für einen der herausforderndsten Jobs im Frauen-Fußball auf – das Tor des FC Bayern zu hüten. Hinter einer herausragenden Verteidigung ist man im Idealfall über weite Strecken des Spiels vor allem als Anspielstation gefordert. Und dann muss sie in den seltenen gefährlichen Situationen immer hellwach sein.
Auch dank ihres Zauberwürfels erfüllt Mala diese Aufgabe in ihrer vierten Saison in München exzellent. In der Meistersaison 2023/24 wehrte sie 84 Prozent der Schüsse auf ihr Tor ab und ließ gerade einmal sieben Gegentore zu. Mit ihrer Sprungkraft zauberte sie so manchen Ball über die Latte, den man schon im Tor wähnte. Ein Höhepunkt waren ganz sicher auch ihre drei gehaltenen Elfer im DFB-Pokal-Halbfinale gegen Frankfurt.
Position: Tor
In München seit: 2019
FCB-Bilanz: 72 Spiele (48 Gegentore)
Highscore: Mala schaffte es in bisher 42 Spielen für die FCB-Frauen, die Null zu halten (59 Prozent).
Die Strahle-Frau
Klara Bühl, 22
Die Saison begann für unsere Außenstürmerin prächtig: Im Supercup-Finale schoss sie den 1:0-Siegtreffer und sorgte so für den ersten Titel. Fragt man sie nach ihrem Erfolgsgeheimnis, spricht sie nicht über Neuro- oder Fitnesstraining – was sie natürlich beides macht –, sondern sagt: „Im Hier und Jetzt leben“. Bei den Bayern weiß man: Klara spielt richtig stark, wenn sie unbeschwert und kreativ auf der linken Außenbahn, ja, spielen kann. 8,4 Dribblings startet sie pro 90 Minuten. Und steckt in der Kabine ihre Teamkolleginnen mit Energie und Fröhlichkeit an. Hoffen wir, dass die gute Laune die ganze Saison anhält.
Position: Linksaußen
In München seit: 2020
FCB-Bilanz: 124 Spiele (35 Tore)
Highscore: In 15 Ligaspielen kommt Bühl 2024 auf 14 Torbeteiligungen.
Fitness-Guru
Linda Dallmann, 30
„Ich bin ein Fan von Trainingslagern“ – ein Satz, den viele Fußballerinnen und Fußballer wohl nur ironisch sagen würden. Als Linda diese Worte während der Saisonvorbereitung in Tirol grinsend und im oberarmfreien Shirt in eine Kamera sagte, während hinter ihr die Sonne auf den Rasen knallte und Slalomstangen aufgebaut wurden, gab es keinen Zweifel: Doch, doch, die meint das wirklich ernst. Für unsere 1,58 Meter große Mittelfeldmaschine sind Steigerungsläufe oder Kniebeugen keine Qual, sondern eine Leidenschaft. Seit sie 2018 einen Muskelbündelriss erlitt, stählt sie ihren Körper wie keine andere Bayern-Spielerin, um auf dem Platz stabil zu sein und Verletzungen vorzubeugen. Sie ist sogar extra in eine größere Wohnung umgezogen, um sich ein eigenes, kleines Fitnessstudio einzurichten. Im Training ist Lindas Freude, hart an sich zu arbeiten, nicht selten ansteckend und sorgt dafür, dass alle ein paar Prozent mehr aus sich herausholen.
Position: Mittelfeld
In München seit: 2019
FCB-Bilanz: 142 (49 Tore)
Highscore: Sie kam für den FCB in bisher fünf Bundesliga-Saisons nie auf weniger als zehn Scorerpunkte.
Global Player
Pernille Harder, 31
Pernille Harder passt perfekt zum FC Bayern. Beweis gefällig? Die Dänin hat in neun ihrer vergangenen zehn Spielzeiten den Meister-Titel gewonnen (mit vier Vereinen in drei Ligen). Pernille hat das Sieger-Gen. In den ersten 15 Liga-Spielen für den FCB kam sie auf 15 Torbeteiligungen (trotz einer langen Verletzung). Und als die Bayern im März die Meisterschaft mit einem 4:0 gegen Wolfsburg entschieden, da schoss Pernille Harder nach einem wunderbaren Dribbling das 1:0 und spielte später einen Weltklassepass auf Lea Schüller zur Entscheidung. „Pernille hat uns gutgetan“, sagte Trainer Alex Straus nach dem Transfer. Das klingt fast wie ein Understatement. Aber mittlerweile hat man sich daran gewöhnt, dass Harder das Besondere zum Alltäglichen macht. Harder wurde zweimal zur weltbesten Fußballerin gewählt, sie ist Rekordspielerin von Dänemark (154 Spiele, 76 Tore) und hat mit Chelsea vor der Rekordkulisse von 77.000 Menschen im Wembley-Stadion den FA Pokal gewonnen. Neben ihren Schnittstellenpässen, ihrer Spielintelligenz und der Schusstechnik ist ihre größte Stärke ihre Coolness und Erfahrung. Sie hat alles gesehen, alles erlebt. Und kann den Mitspielerinnen den richtigen Laufweg weisen und den besten Weg, mit Druck und Trubel umzugehen.
Position: Offensives Mittelfeld
In München seit: 2023
FCB-Bilanz: 27 Spiele (16 Tore)
Highscore: Im Jahr 2024 kommen 91 % ihrer progressiven Pässe an – Rekord. Sie kreiert auch die meisten Großchancen für ihr Team.
Die Oktober-Ausgabe des Mitgliedermagazins „51“:
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