
Als José Barcala und sein Trainerteam an der Seitenlinie Barbara Dunst zu sich winkten, schien das Flutlicht über dem Max-Morlock-Stadion für einen Augenblick heller zu werden. Mehr als 7.000 Zuschauer sahen, wie sich die Österreicherin das Trikot überstreifte, die Schuhe band und fast schon ungeduldig Richtung Spielfeld lief. Sie vergaß beinahe, sich bei der vierten Offiziellen vorzustellen. Ihr Lächeln wollte gar nicht mehr aufhören.
336 Tage der Geduld

336 Tage lagen zwischen diesem Augenblick und jenem, der alles veränderte: Am 3. Dezember 2024, während Österreichs 0:1-Niederlage gegen Polen in der EM-Qualifikation, endete Dunsts Saison abrupt. Bei einem Zweikampf im Mittelfeld verletzte sich die 27-Jährige am rechten Knie. Wenig später bestätigte sich die gefürchtete Diagnose: Kreuzbandriss. Die erste schwere Verletzung ihrer bis dato so erfolgreichen Laufbahn. Die bevorstehende Saison, die Rückrunde bei Eintracht Frankfurt und die EM im Sommer - alles rückte in weite Ferne.
Dankbarkeit statt Last
Für Dunst begann ein Jahr der Geduld, der Rehabilitation und des Lernens. Doch an diesem Abend in Nürnberg schien all das vergessen. Zum ersten Mal seit der Verletzung betrat sie wieder den Rasen zu einem Pflichtspiel, zum ersten Mal striff sie das Trikot der FC Bayern Frauen über. Die Ersatzbank sprang in jenem Moment auf, Trainer, Mitspielerinnen und Betreuerinnen klatschten. Dunsti, wie sie von allen liebevoll genannt wird, strahlte um die Wette. Es zeigte sich Erleichterung, Stolz und Dankbarkeit, die sie in den langen Monaten gesammelt hatte.

„Ich glaube, alle, die in den letzten Monaten nah bei mir waren, wissen, dass ich die Verletzung von der ersten Sekunde an akzeptiert habe“, sagte sie später. „Ich habe sie nie als Rückschritt gesehen, sondern als Chance, mich neu zu sortieren. Und ich bin dankbar für alle, die mich begleitet haben. Sie haben in mir immer den Menschen gesehen, nicht nur die ‚Fußball-Dunsti‘. Das bleibt für immer. Genau das macht dieses Comeback so besonders.“
Monatelang gab es keinen Tag, den Dunst als Last empfand. „Es hat mir Spaß gemacht. Ich habe mich nie in die Therapie schleppen müssen. Ich hatte großartige Therapeuten und Betreuer.“ Sie spricht von Freude, nicht von Pflicht. Ein besonderer Dank gilt aber auch ihrem Umfeld: „Meine Bekannten waren Helden. Ich muss wirklich einen großen Dank an mein gesamtes Umfeld aussprechen, das mich stetig unterstützt hat.“

Und dann war da noch der Trainer, der nickte, sprach und doch alles ausdrückte, was man in Worten sagen kann: Wertschätzung, Stolz und Freude. „Ich bin sehr froh für Barbara“, sagte José Barcala im Anschluss an den 6:0-Erfolg. „Sie hat sehr hart gearbeitet. Es war eine lange Zeit, in der sie verletzt war, und wir sind so froh, dass sie zurückgekommen ist und nun in der Position ist, dem Team zu helfen.“
München entschleunigt, Dunst beschleunigt
Seit Mai lebt Dunst in München, hat die Stadt, die Isar, den Englischen Garten und die Ruhe für sich entdeckt. „München entschleunigt“, sagte sie einmal. Und doch beschleunigte sie an diesem Abend alles: die Stimmung auf der Bank, das Spiel, die Rufe der Zuschauerinnen und Zuschauer. Jede Bewegung war ein kleiner Triumph nach Monaten des Wartens.

Als Dunst in die Partie kam war sie sofort präsent. Sie forderte den Ball, gab Kommandos, lief sich frei, wirkte agil, kraftvoll und mit dieser fast unsichtbaren Ruhe, die man nur von Spielerinnen kennt, die ihre ersten Prüfungen des Lebens bestanden haben. Die Erleichterung, die Freude, die pure Menschlichkeit spiegelten sich auch nach dem Schlusspfiff wider. Dunst wurde geherzt, ihre Mitspielerinnen umarmten sie. Ja, die gesamte Mannschaft freute sich.
Barbara Dunst ist zurück. Mit einem Knie, das Francesco heißt. Mit einer Geschichte, die sie prägte. Mit Freundinnen, Trainern, Betreuern, die sie getragen haben. Und mit einem Lächeln, das das Max-Morlock-Stadion an diesem Abend ein kleines bisschen heller machte.
Der Spielbericht zum Duell beim 1. FC Nürnberg:
Die FC Bayern Frauen empfangen kommende Woche Arsenal WFC in der Allianz Arena:
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