Durchschnittlich 10,4 Punkte, 5,7 Rebounds und knapp 25 Minuten Spielzeit pro Partie – wenn man sich die bisherige Statistik von Michael Rataj ansieht, könnte man meinen, er sei ein erfahrener Basketballspieler, der schon einige Jahre in der 2. Liga ProB spielt. Doch weit verfehlt: Rataj ist gerade einmal 17 Jahre alt und bestreitet derzeit seine Rookie-Saison in der dritthöchsten Basketballliga Deutschlands.
Im Spiel setzt der drittbeste Scorer des FCBB II immer wieder wichtige Akzente. Seine Bestleistung von 17 Punkten gegen Ligafavorit Dresden bestätigte Michael bereits zwei weitere Male. Kein Wunder, dass er für ProB-Trainer Andreas Wagner zu einer „festen Größe“ im Team der Münchner geworden ist. Die Barmer 2. Basketball Bundesliga hat Rataj bereits auf dem Schirm: Nach dem Auswärtssieg in Oberhaching wurde er zum Spieler des Spieltags der Süd-Staffel gewählt. Und auch die Nationaltrainer haben den Small Forward auf ihrer Liste: Zuletzt war er zum U18-Lehrgang im Dezember 2020 eingeladen, der jedoch wegen der aktuellen Situation ausfiel.
Dass ihm der Einstieg in die ProB so leichtfällt, hätte der Jugendnationalspieler noch vor einigen Monaten nicht gedacht. Aber Michael hat schon eine Ahnung, woran es liegen könnte: Voriges Jahr sammelte er mit dem FCBB III erste Erfahrungen im Männerbasketball. „Der Zwischenschritt, von der JBBL in die 1. Regionalliga zu wechseln, war viel schwieriger“, erzählt uns der gebürtige Augsburger. „Man spielt auf einmal gegen ausgewachsene Männer. Der Übergang von Regionalliga zu ProB fiel mir dadurch um einiges leichter.“
Vier Monate sinnvolle Pause – und dann Deutscher Meister
Mit dem Basketball hat Michael bei seinem Lokalverein TSV Haunstetten angefangen, als er erst vier Jahre alt war. Die Begeisterung für den Sport hat er von seiner Mutter, die selbst in ihrer Jugend auf Korbjagd ging. Nach einigen Jahren folgte der Wechsel zu Schwaben Augsburg. Von dort aus wurde er erst in die Schwaben-, dann in die Bayern-Auswahl und später sogar in die deutsche Jugend-Nationalmannschaft berufen. In der ersten JBBL-Saison lief er für das U16-Team der „Baramundi Basketball Academy“ aus Augsburg auf.
2018 wechselte er fast 15-jährig zum FC Bayern Basketball. „Mikey kam in seiner letzten U16-Saison aus Eigeninitiative zu uns. Er war von Beginn an super motiviert und hat kaum ein Training verpasst“, erinnert sich Florian Wedell, sein damaliger U16- und heutiger U19-Coach. Doch der Wechsel nach München sollte nicht so einfach verlaufen, wie anfangs erhofft: Die Trainingsbelastung beim FCBB waren um Einiges höher als zuvor.
Foto: Sven Kuczera
„Das war ich aus Augsburg gar nicht gewohnt, so hart zu trainieren“, erinnert sich Michael. Hinzu kam, dass er in dieser Zeit stark gewachsen ist. All das führte bei dem jetzt 1,98 Meter großen Athleten zu starken Knieproblemen. Gemeinsam mit den Trainern traf er dann eine harte Entscheidung: Vier Monate Pause vom Basketball - vier Monate volle Konzentration auf Athletik- und individuelles Training, um den Körper in Form zu bringen und möglichen, schlimmeren Verletzungen vorzubeugen.
Während seine Teamkollegen also im Training dem orangefarbenen Ball hinterherjagten, konnte Michael nur zusehen, arbeitete aber unter Anleitung von Athletiktrainer Stefan Arenz an der Stabilisierung seiner Beine und seiner Rückkehr. „Für ihn war es eine schwierige Zeit, nicht Basketball spielen zu können“, erinnert sich Wedell. „Er ist aber mit der Situation überragend umgegangen.“
Der Familie sei Dank: 150 km Fahrt für ein Training
Und die harte Arbeit hat sich nachweislich gelohnt: Mit einem Playoff-Erfolg stieg Michael Rataj in die laufende Saison ein, die einige Wochen später mit dem deutschen U16-Meisterschaftstitel endete. „Meine erste Saison bei Bayern war schon recht schwer, aber es hat sich gelohnt und am Ende lief es doch recht gut“, blickt Michael zurück, der heute bereits in seiner dritten Spielzeit im roten Trikot aufläuft.
Um beim FCBB zu spielen, nimmt Michael vieles auf sich, denn der Teenager wohnt weiterhin bei seinen Eltern in Augsburg. Derzeit trainieren die Jungs an bis zu fünf Tagen in der Woche. Durch die Corona-Pause in den Jugend- und Amateurligen findet am Wochenende nur jeweils ein Spiel statt.
Für den Flügelspieler bedeutet das neben den Trainingsstunden in der Halle auch zusätzlichen Zeitaufwand durch die Hin- und Rückfahrten: Rund 75 km liegen zwischen seinem Heimatort und den Trainingsstätten in München. Pro Training oder Spiel bedeutet dies zwischen 40 und 60 Minuten Anfahrtsweg, die der Augsburger zweimal täglich auf sich nimmt. Selbst noch ohne Fahrerlaubnis, wird der 17-Jährige meist von seinen Eltern oder seiner Schwester nach München gefahren.
Die Zeit im Auto verbringt er mit essen, Musik hören oder schlafen. Auf der Rückfahrt werden dann auch mal die Schulbücher ausgepackt, schließlich stehen dem Zwölftklässler in einigen Wochen die Abiturprüfungen bevor. Eine große Herausforderung, neben all dem Schulstress auch noch den nötigen Einsatz auf dem Feld zu zeigen.
Doch das Nachwuchstalent weiß, dass all das nur mit der Unterstützung von Freunden und Familie funktionieren kann. Und auch mit Coach Wagner steht Michael immer wieder im Austausch. Die beiden haben einen Deal: Wird es aufgrund der Schule etwas stressiger, kann es auch mal vorkommen, dass er sich einen Tag freinehmen darf. Dafür gibt es dann an freieren Tagen eine zusätzliche Individualeinheit. „Andreas hat da viel Verständnis und weiß, welchen Aufwand ich auf mich nehme.“
„Ein Typ, den man gern im Team hat“
Bayerns einstiger Meisterkapitän und Nachwuchstrainer Steffen Hamann beschreibt Michael als „Typ, den man gerne in seiner Mannschaft hat“. Er sei ein echter Allrounder. Stimmt: In allen Kategorien, egal ob Punkte, Assists, Rebounds, Steals oder Blocks, gehört er zu den besten fünf seines Teams. Zu seinen Stärken zählt auch, dass er viele verschiedene Positionen verteidigen kann. „Ich versuche, der Mannschaft immer das zu geben, was sie gerade braucht. In manchen Spielen punkte ich nicht so viel, aber versuche dann, in der Defense mehr Druck aufzubauen oder viel Energie von der Bank zu bringen.“
Die plötzliche Verantwortung in der ProB nimmt der athletische Rookie gerne an. Aufgrund der fehlenden Erfahrung ist es für ihn in manchen Situationen noch sehr schwer, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Hilfe bekommt der Youngster unter anderem von Kapitän Erol Ersek, der mit 21 Jahren der „Senior“ im Team ist. Doch auch die anderen, etwas erfahreneren Kollegen wie Jungprofi Jason George und Jonas Sauer stünden bei Fragen immer zur Seite: „Wir sind ein sehr junges Team, das jüngste der Liga. Die ‚Älteren‘ haben uns alle gut aufgenommen und helfen und sehr.“
Dass sich Michael im ProB-Team der Bayern richtig wohlfühlt, sieht man nicht nur auf, sondern auch neben dem Feld. Besonders mit den U19-Spielern im Team versteht er sich super. „Mikey ist immer gut gelaunt. Wenn jemand in der Kabine nach dem Spiel redet, ist es meistens er“, plaudert FCBB- und Nationalmannschaftskollege Luis Wulff aus.
Konkrete Ziele für diese Saison hat das Team von Andreas Wagner nicht aufgestellt. „Wir wollen versuchen, jedes Spiel zu gewinnen und uns eine gute Position in der Liga zu verschaffen.“ Wenn es um seine persönlichen Ziele geht, wird Michael hingegen schon etwas genauer: Gut in die ProB starten, die Dreier-Quote steigern, Athletik verbessern und körperlich an die älteren Gegenspieler anpassen.
Ersteres ist dem Talent auf jeden Fall schon geglückt. U19-Coach Wedell bringt es auf den Punkt: „Michael Rataj gehört jetzt schon zu den Gewinnern der Saison.“