
Basketball-Deutschland staunt über ein Team aus einer westniedersächsischen Kreisstadt: Aufsteiger Rasta Vechta ist überraschend mit einem 3:1 gegen Bamberg ins Playoff-Viertelfinale gestürmt, trotz Verletzungssorgen und der großen individuellen Qualität des Gegners. Vor dem ersten Duell mit den Bayern um den Finaleinzug am Sonntag (2. Juni, 18 Uhr) im Audi Dome gibt es hier das verblüffende Überraschungsteam im Steckbrief:
WARUM RASTA?
In „Arnies Schänke“, einem Keller im Elternhaus eines der Gründungsmitglieder des SC RASTA Vechta e.V., so geht die Legende, trafen sich 1979 jugendliche Basketballfreaks, um endlich einen eigenen Klub zu gründen – denn in Vechta wollte keiner der einschlägigen Vereine diese „Nischensportler“ aufnehmen. Während man über einen möglichen Klubnamen sinnierte, groovte dann aus dem Radio Bob Marleys „Rastaman Vibration“ . . . – der Name war gefunden und alsbald im Vereinsregister eingetragen. Das Cheerleader-Team nennt sich heute „Die Marleys“ und das löwenhafte Maskottchen selbstredend „Bob“.
„Die sportinteressierte Öffentlichkeit im konservativ geprägten Landkreis war zunächst skeptisch“, amüsiert sich der Verein noch heute über die Umstände der Gründungsphase, „RASTA: Eine Sekte?“, fragte die Oldenburgische Volkszeitung damals.“ Legende.
RASTAS GRÖSSTE ERFOLGE
2013 schaffte Vechta erstmals den Sprung in die BBL, mit dem dritten Aufstieg in Serie. Der erste BBL-Sieg wurde gleich am ersten Spieltag in Trier gefeiert. Es folgten allerdings nur fünf weitere. Der Klassenerhalt gelang somit nicht, ebenso wenig nach dem zweiten Aufstieg 2016. Und nun also das erste Mal in den Playoffs nach 24 Siegen in der Hauptrunde, jetzt das Halbfinal-Duell mit den Bayern. Der erste große Erfolg der Vereinsgeschichte datiert übrigens aus dem Jahr 1987: Bezirkspokalsieger.
DER TRAINER
Pedro Calles ist 35 Jahre jung, Spanier aus dem andalusischen Córdoba. Erstmals Cheftrainer war er 2011 beim damaligen Drittligisten Extremadura, ehe es ihn nach Niedersachsen verschlug: Zunächst als Athletik-, dann als Cotrainer bei den Artland Dragons, den Posten übernahm er 2015 dann auch beim ProA-Klub Vechta – nach dem Aufstieg vor einem Jahr wurde er zum Chefcoach befördert. Jetzt ist er „BBL-Trainer des Jahres“.
DIE SCHLÜSSELSPIELER
Der aus Gießen gewechselte Shooting Guard Austin Hollins (16,7 PpS) und Spielmacher T.J. Bray (15,1/8,4 ApS) ragen aus einem „verschweißten“ Kollektiv (Jungnationalspieler Herkenhoff) heraus. Beide Scharfschützen treffen zudem mehr als 40 Prozent ihrer Dreier-Versuche. In den Playoffs hat Hollins seine Quote sogar auf fast 56 Prozent gesteigert, obwohl er angesichts der Personalnot mehr als 37 Minuten auf dem Parkett gebraucht wird. Mit 2,4 Steals pro Partie ist er zudem erfolgreichster Balldieb der Liga.
DER RASTA-STIL
„Sie spielen unheimlich aggressiv und mit viel Tempo“, sagt Bayern-Trainer Dejan Radonjic, „darauf müssen wir eingestellt sein.“ Für den Gegner, der in der Runde sein Heimspiel gegen den Titelverteidiger fulminant gewinnen konnte (93:75) und auch auswärts in München lange mithielt (66:79), hat er nichts als Respekt: „Sie spielen eine exzellente Saison, die sie jetzt mit dem Einzug ins Halbfinale gekrönt haben. Diese Mannschaft, das sieht du, hat sehr großen Charakter.“
DIE KREISSTADT VECHTA
Vechta (Plattdeutsch: Vechte) ist mit rund 33.000 Einwohnern die größte Stadt des gleichnamigen Landkreises und liegt mitten im Städtedreieck Bremen, Oldenburg und Osnabrück. „Wir haben fünf Jahreszeiten: Frühjahr, Sommer, Herbst, Winter & Stoppelmarkt“, meldet das amtliche Stadtmarketing. Das über die Stadtgrenzen bekannte Volksfest zieht an sechs Tagen im August mehr als 800.000 Besucher an. Dieses Jahr steigt die 721. Ausgabe.
DIE TERMINE
Das Playoff-Halbfinale gegen Vechta (best-of-five):
• Spiel 1: Sonntag, 2. Juni, 18 Uhr (Audi Dome)
• Spiel 2: Dienstag, 4. Juni, 20.30 Uhr
• Spiel 3: Samstag, 8. Juni, 20.30 Uhr (Audi Dome)
• Spiel 4: Dienstag, 11. Juni, 20.30 Uhr*
• Spiel 5: Donnerstag, 13. Juni, 19 Uhr*
*falls nötig

Das Löwen-Maskottchen im Reggae-Look treibt die Fans von RASTA Vechta an. Foto: dpa