In unserer Rubrik „BC-Talk“ verraten erfolgreiche Unternehmer, Kreative und bekannte Persönlichkeiten ihre Tipps zum Thema Netzwerken, Karriere und Arbeitsleben. In unserem dritten Business Circle-Talk der Saison 2020/21 gibt uns Ana-Cristina Grohnert – ehemalige Personal Vorständin der Allianz und heutige Vorstandsvorsitzende | Charta der Vielfalt e.V. persönliche Einblicke in das Thema Diversität und Gleichberechtigung. Sie kämpft für mehr Diversität in Unternehmen – weil mehr Vielfalt mehr Erfolg verspricht.
1. Sie engagieren sich seit 15 Jahren als Vorstandsvorsitzende des Vereins „Charta der Vielfalt“ für Gleichberechtigung und ein neues Verständnis von wertschöpfendem und wertschätzendem Wirtschaften. Was war/ist Ihre Motivation sich dort zu engagieren?
„Zu Beginn war es eine sehr persönliche Agenda. Ich habe als Diplomwirtin in ingenieursorientierten Unternehmen angefangen, darunter Preussag in Hannover oder ABB Frankfurt und für die DH Hyp in Hamburg, bis ich 2007 als Partnerin zur Wirtschaftsprüfung EY kam. Das war alles zu einer Zeit, in der die Frauenquote noch als feministischer Wunschtraum abgehandelt wurde. Entsprechend war ich immer die einzige Frau in den Verhandlungsrunden und habe festgestellt, dass man vielleicht weniger für Sichtbarkeit aber für eine Stimme kämpfen musste. Das hat mich enorm angetrieben. Ich hatte drei Kinder und musste das alles unter einen Hut bringen.
Grundsätzlich war ich aber immer der Überzeugung, dass wir Perspektivenvielfalt in der Entscheidungsebene brauchen und das die Teilhabe einfach größer ist als das gesellschaftlich standardisierte Abbild einer Führungskraft. Doch bei meiner nun 30-jährigen Karriere, in unterschiedlichen Unternehmen und Kulturen, habe ich immer mehr feststellen müssen, dass man dafür eine laute Stimme braucht und zusätzlich ein Netzwerk, welches über das eigene Unternehmen hinaus zu Sichtbarkeit verhilft. Es gibt viele tolle Menschen in der Wirtschaft, die den Ansatz von „Inclusive-Leadership“ fördern – das bedeutet, hier wird wirklich eine Öffnung der eigenen Wahrnehmung und Haltung angestrebt und auf gemischte Teams gesetzt. Genau unter dieser Prämisse wurde auch die Charta der Vielfalt von 4 Dax-Unternehmen gegründet und hier bin ich, damals mit EY, Mitglied geworden. Es wurde ein Kreis gegründet von möglichst vielen Dax-Unternehmen, die sich austauschen und Gleichgesinnte in ein Netzwerk bringen die etwas bewegen wollen und eine klare Veränderung anstreben.“
2. In Deutschland gibt es immer noch wenig Frauen in Führungspositionen, bei der Charta der Vielfalt ringen Sie damit seit Jahren. Warum ist das so schwer?
„Die Erschöpfung und der Frust seitens derer, die benachteiligt werden kenne ich und verstehe ich auch sehr gut. Hilfreich ist hierbei, sich zunächst bewusst zu machen, von welchem Punkt wir gestartet sind.
Wie lange der Einsatz für die Gleichberechtigung von beispielsweise Frauen und Männer schon anhält und welch Durchhaltevermögen dies erfordert. Hierbei Top-Management-Positionen als einzigen Parameter zu nehmen finde ich jedoch zu kurz gedacht und wird dem täglichen Einsatz vieler motivierter Menschen nicht gerecht. Dennoch bin auch ich der Meinung, dass sich hier endlich eine Veränderung einstellen muss.“
3. Sollte es Ihrer Meinung nach in jedem Unternehmen eine verbindliche Frauenquote in Führungspositionen geben?
„Als Initiative, die auf freiwillige Verpflichtung setzt, war es schon immer unser Anliegen, ohne Quote voranzukommen. Aber die Quote wird kommen, auch wenn es noch viele Widerstände gibt. Denn es hat sich in den letzten Jahren auf der obersten Ebene einfach nicht viel bewegt. Ich kann insofern verstehen, dass die Ungeduld immer größer wird, und hier können verbindliche Vorgaben einen deutlichen Anschub in die richtige Richtung ermöglichen. Der Staat spielt dabei zweifellos eine Rolle. Es ist schließlich Aufgabe der Politik, Ziele zu setzen, wenn das die Wirtschaft nicht aus freien Stücken tut. Unternehmen müssen sich bewusst machen, was nun auf sie zukommt. Bei jenen, die noch Zielgröße Null ausrufen oder sich grundsätzlich nicht damit beschäftigen, wird es ein großes Rütteln geben. Im Kern ist es jedoch nicht Aufgabe des Staates, sondern sollte selbstverständliches Instrument der Unternehmensführung sein, die Arbeitswelt so zu verändern, dass alle ihr maximales Potenzial einbringen können.“
4. Wo sehen Sie im Personalbereich die größten Herausforderungen der Zukunft?
„Das Personalressort muss an Bedeutung gewinnen und auf Augenhöhe zum CEO und CFO agieren. Es wird seit einiger Zeit darüber geredet und das Bewusstsein ist da, trotzdem ist es bisher ein schleppender Prozess. McKinsey hat hierzu 2018 einen Artikel veröffentlicht und spricht von talentorientierten Organisationen, die einen zentralen „Brain-Trust“ brauchen, bestehend aus dem Trio der Top-Führungskräften (CEO, CFO, CHRO). Warum gerade diese drei Führungskräfte? Weil der gemeinsame Einsatz von Kapital und Personal der Schlüssel zum Erfolg ist. Denn gerade in turbulenten Zeiten sind die Angestellten eines Unternehmens seine wertvollste und zuverlässigste Quelle. Und durch die Gleichstellung von Personal und Finanzen wird auch die Reihenfolge geändert, in der kritische Angelegenheiten besprochen werden. Das bedeutet dieses Trio von Top-Führungskräften wendet sich Personal- und Organisationsfragen nicht erst zu, nachdem es die Finanzergebnisse und strategischen Initiativen in jeder Geschäftseinheit überprüft hat, wie es heute üblicherweise geschieht. Sondern es wird zusammengearbeitet, um Talententscheidungen zu treffen und Lösungen zu integrieren.“
5. Vor kurzem haben Sie das Buch „Das verborgene Kapital | Wie wir Wertschöpfung neu definieren müssen“ veröffentlicht. Darin beschäftigen Sie sich intensiv mit der Frage, wie die Wirtschaft zukunftsfähig bleibt. Was war Ihre Erkenntnis?
„Indem wir alte Muster hinter uns lassen: weg vom kurzfristigen Gewinndenken, vom reflexhaften Personalabbau zur Kostensenkung, von Monokulturen in der Führungsetage, sind wir den Herausforderungen von Heute und der Zukunft gewachsen. Wir müssen uns trauen neu zu denken und dafür müssen wir viele, unterschiedliche Stimmen ins Gespräch holen und an den Tisch setzen. Das kann unbequem werden aber wir haben eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und unseren Planeten.“
6. Ist die Corona Pandemie ein Treiber für die Themen Vielfalt, Gerechtigkeit oder stehen momentan andere Themen im Fokus?
„Hierzu sehe ich zwei Aspekte. Zum einen spitzt die Krise, die Situation für Einzelne zu. Stellen werden abgebaut und einzelne Berufsgruppen stehen unter sehr hoher Belastung. Das passiert, wenn auf die Zukunft mit alten reflexartigen Instrumenten begegnet wird. Zum anderen ist schon klar zu erkennen, wie beispielsweise Themen der Sozialen Herkunft oder die Belastung von Frauen, welche in dieser Krise unglaublich hoch sind, weit oben auf der Unternehmensagenda stehen. Diesbezüglich ist die Pandemie sogar eine Chance oder kann als Wendepunkt der Entwicklung oder Situation verstanden werden. Denn die Unternehmen sind gezwungen sich neu auszurichten und hier entscheiden sich doch viele sehr bewusst für Veränderung und wollen sie auch aktiv mitgestalten. Es wird anerkannt, dass es vielfältige Lebensansätze gibt und es wird tatsächlich darüber gesprochen, anstatt alte reflexartig Instrumente hervorzuholen, die eventuell in der Vergangenheit funktioniert haben.“