Warum macht es aus Ihrer Sicht für Führungskräfte, Mitarbeiter*innen und Kolleg*innen Sinn, sich mit dem Thema „Verhandeln“ zu befassen?
Wir haben in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern keine ausgeprägte Verhandlungskultur. Verhandeln gilt oft als notwendiges Übel. Warum? Weil unser ausgeprägter Gerechtigkeitssinn im Widerspruch dazu steht. Mitarbeiter*innen sollten für gleiche Arbeit das gleiche Gehalt bekommen. Für gute Leistung soll der Preis nicht diskutiert werden.
Erhält ein(e) Mitarbeiter*in, Kund*in oder Kolleg*in mehr, weil er besser verhandelt, gilt das für viele als unfair und unsozial. Will ein(e) Kund*in nachverhandeln oder den Preis drücken, ist der/die Mitarbeiter*in persönlich betroffen.
Die meisten von uns haben das Verhandeln weder in der Schule noch an der Universität gelernt. Dabei ist es ein erlernbares Handwerk, von dem alle Beteiligten profitieren. Wer kompetent verhandelt, schafft Mehrwert für beide Seiten.
Was genau ist der Hauptknackpunkt beim Verhandeln mit unterschiedlichen Zielgruppen?
Der wesentliche Unterschied beim Verhandeln mit Mitarbeiter*innen, unter Kolleg*innen oder bei Verhandlungen mit Kund*innen, ist das Machtgefälle. Am liebsten verhandeln wir auf Augenhöhe, aber Führungskräfte mit Weisungsbefugnis oder Einkäufer beim Kunden sitzen gefühlt am längeren Hebel. Und sobald der Gegenüber mehr Macht hat, verändert sich die Verhandlung. Viele Verhandlungstaktiken dienen dazu, dieses Machtgefälle zu beeinflussen. Deshalb sollte man wissen, wie man am besten damit umgeht. Ziel muss es sein, auf Augenhöhe zu verhandeln, um die Wertschöpfungspotentiale, die in jeder Verhandlung liegen, zu heben.
Wie verhandelt man richtig?
Das Wesentliche beim professionellen Verhandeln ist, dass man in die Mehrdimensionalität kommt. Das verstehen wir in Deutschland oft nicht. Verhandeln heißt nicht, ich fordere 100, du willst nur 50 bezahlen und wir feilschen bis wir uns auf 72,50 einigen. Dann haben beide verloren.
Die Verhandlung darf sich nicht ausschließlich um den Preis oder das Gehalt oder eben die eine Sache drehen, denn dann verliert immer mindestens einer, meistens Beide. Aus dieser Eindimensionalität gilt es herauszukommen.
Verhandeln ist immer ein Geben und Nehmen auf mehreren Ebenen, um die Interessen auszugleichen und eine gute Lösung für beide Seiten zu finden.
Was wäre eine Beispieltaktik, die man sofort anwenden kann?
Bereiten Sie vor ihrer nächsten Verhandlung ein paar Zuckerl und ein paar bittere Pillen vor. Was könnten Sie statt eines Rabatts oder statt mehr Gehalt geben, das für Ihr Gegenüber einen großen Wert hat? Und umgekehrt: Was fordern Sie im Gegenzug, das Ihnen wichtig ist und Sie Ihren Zielen näherbringt?
Es geht immer darum, den Verhandlungskuchen erst größer zu machen und ihn dann zu verteilen. Notieren Sie alle Optionen, z.B. das neue Projekt, den Urlaub, das Sabbatical, den klassischen Firmenwagen, die Altersvorsorge oder die Arbeitszeiten, wenn es um Ihre Mitarbeiter*innen geht.
In Bezug auf Kund*innen könnten langfristige Verträge, längere Lieferzeiten, ein angepasster Produktmix und Abnahmegarantien zur Sprache kommen.
Fazit
Das ist meine Vision: Nach der Verhandlung ist das Ergebnis besser als vorher, für mich und für die andere Seite!