
Am Morgen hat ihn der nationale TV Sport Klub interviewt, in der Hotellobby sind seine Selfies gefragt: VLADIMIR LUCIC, am Ellenbogen verletzter Kapitän der Bayern-Basketballer, ist mit in Belgrad, seiner Heimatstadt, wo die Münchner auf den EuroLeague-Kontrahenten Partizan treffen. Ein Gespräch mit dem 32-Jährigen, der hier auch als Kapitän des Nationalteams ein bekanntes Gesicht ist.
Luća, was die Fans natürlich am meisten interessiert: Wie steht es um Deinen Ellenbogen?
Vladimir Lucic: Ehrlicherweise hatte ich zu Beginn gedacht, dass es nicht so lange dauern würde. Am Ende werde ich die Schiene vier Wochen getragen haben, das ist jetzt in den nächsten Tagen endlich vorbei. Dann werde ich mit der Hand arbeiten und hoffentlich bald wissen, wie schnell es für mich zurückgeht.
Wieder eine Verletzung, eine seltene zumal - einfach Pech, oder?
Definitiv, ich habe im Training einen Schlag bekommen, wobei ich nicht mal genau weiß, wie es passierte. Ich hatte noch eine halbe Stunde weitertrainieren können. Erst am nächsten Tag tat es mir weh. Das ist die seltsamste und dümmste Verletzung, die ich je hatte – und etwas später ist es ja ganz ähnlich auch Andi (Obst) passiert, das ist schon unglaublich. Ich spiele jetzt 15 Jahre Basketball und habe noch nie jemanden mit dieser Verletzung gesehen in meinem Team. Und jetzt hatten wir sie zweimal innerhalb von wenigen Wochen . . . Es ist verrückt, aber hoffentlich sind wir beide wieder in dieser Phase von fünf, sechs Wochen zurück.
„Die seltsamste Verletzung meiner Karriere“
Nun musst du ausgerechnet in Belgrad bei Partizan zuschauen, vor deinen Leuten, gegen deinen Heimatverein...
Das an sich ist gar nicht so schlimm. Denn seit ich 2013 Partizan verließ, war es mir nie möglich, ein Spiel von ihnen live zu sehen. Ich konnte nie unter den Partizan-Fans sein. Nach den guten Jahren hier bei Partizan, wo ich aufgewachsen bin und dann Kapitän war in meiner Heimatstadt, ist das nun immerhin etwas sehr Schönes für mich, dabei sein zu können. Ich bin dem Verein dankbar, dass sie mir das erlaubt haben, mitzukommen und auch paar Tage mit meiner Familie zu verbringen. Natürlich würde ich auch gern mitspielen.

Es wird einen guten Empfang für Dich geben.
Ja natürlich. Nach den Spielen bei Roter Stern, wo es immer etwas anders läuft (lacht), werden sie mich herzlich empfangen; auch nicht nur mich, sondern auch Jare (Jaramaz) und Andrea (Trinchieri) als früheren Coach. Es gab wohl Dinge, die diskutiert wurden, nachdem er weg war – doch was er als Trainer diesem Verein in einer schweren Phase gegeben hat und wie sie damals bis zum Ende durch den Corona-Abbruch gespielt haben, das haben die Leute nicht vergessen. Mit ihm begann das Comeback von Partizan und diesen Respekt höre ich, wenn Leute mit mir darüber reden. Corey wird es etwas schwerer haben, nachdem er zum größten Rivalen Roter Stern ging (lacht). Aber er kennt ja diese Atmosphäre . . .
... eine einzigartige Atmosphäre...
... ja, vielleicht ist es nicht so intensiv von der Lautstärke her wie in der alten Pionir-Halle, aber allein optisch ist das mit 20.000 Fans und mehr fantastisch. Nach ihrem Sieg bei Fenerbahce und beim letzten Spiel des Jahres wird die Halle sicher bis auf den letzten Platz gefüllt sein und brennen.
„Was Andrea dem Verein gab, ist nicht vergessen“
Die Rivalität zwischen Partizan und Roter Stern ist legendär intensiv – wie unterscheiden sich die Klubs und wie entscheidet sich im Kindesalter, auf welche Seite man sich schlägt?
Das entsteht in erster Linie durch die Familie, wobei es vorkommen kann, dass die Mutter Partizan-Fan ist und der Vater Roter Stern. Wer deine Freunde sind, wo du aufwächst, das hat auch seinen Einfluss. Und auch die Resultate sind bei uns immer wichtig, generell im Sport, auch im Fußball. 1991 hat Roter Stern den Europapokal gewonnen, die Champions League, im Jahr darauf, 1992, gewann Partizan die EuroLeague. Diese Zeit hat die Generationen geprägt.
Es gibt ja auch in München eine Rivalität zwischen Bayern und 1860, aber das hier ist was ganz Anderes. Die Leidenschaft der Menschen hier für den Sport und ihr Team ist eine ganz andere – die Zuneigung überschreitet oft die Grenze des Normalen. Verstärkt wird das dadurch, dass beide Vereine viele Sportarten betreiben, nicht nur Basketball und Fußball, sondern auch Wasserball, Handball, Frauenvolleyball, was auch immer. Die Fans unterstützen ihren Klub auch da. Wobei Partizan-Fans den Basketball favorisieren, sie verstehen das Spiel und wissen, wann sie das Team unterstützen müssen.
Zwei Teams in der EuroLeague, Belgrad steckt jetzt im Basketball-Fieber, richtig?
Auch hier ist Fußball Sportart Nummer eins. Aber aufgrund der Resultate, die erst Partizan, dann Roter Stern und jetzt beide in der EuroLeague holen, und auch das Nationalteam in den letzten Jahren sowie Stars wie Jokic als MVP in der NBA und Vasa (Micic) als Sieger in der EuroLeague – dadurch ist die bestehende Liebe der Menschen in Belgrad und in ganz Serbien für Basketball noch einmal gewachsen.

„Mit Obradovic ist Partizan zurück“
Partizan hat jahrelang nur EuroCup gespielt und Roter Stern war fern der Playoffs. Nun sind beide offenbar sehr gut aufgestellt und schaukeln sich mit ihren Ambitionen hoch. Wie wurde diese Entwicklung möglich, auch finanziell?
Beide Teams sind im Grunde in öffentlicher Hand, unter dem Einfluss von Staat und der Stadt. Da spielen auch politische Situationen eine Rolle, wann und wie Firmen Klubs unterstützen. Das kann sich von Jahr zu Jahr ändern. Als dann Partizan einen der besten Trainer der Historie zurückholte im vergangenen Jahr, Zeljko Obradovic, wurden die großen Sponsoren wieder eingespannt. Und sobald Geld vorhanden ist, kannst du große Namen holen, was für Roter Stern wegen der Teilnahme an der Eliteliga EuroLeague lange einfacher war. Aber jetzt ist Partizan mit Obradovic endgültig zurück.
Die Budgetsteigerungen sind markant, Roter Stern konnte mit großen Summen nach Vildoza auch Campazzo aus der NBA verpflichten.
Hier werden die Budgets nicht unbedingt im Voraus kalkuliert; es wird auch mal ins Risko, ins Minus gegangen. Viele reiche Privatfirmen, deren Besitzer einfach den Basketball lieben, sind manchmal sehr flexibel mit ihrer Unterstützung. Klar ist auch, dass diese Saison die letzte sein könnte, nach der der Titel in der Adriatic League den Platz in der EuroLeague garantiert. Und nachdem Roter Stern nicht wie gewünscht gestartet war, wurde sofort der Coach getauscht und sie haben zwei NBA-Spieler geholt, die zurzeit wohl kein anderes Team der EuroLeague imstande war zu verpflichten, Vildoza und speziell Campazzo. Das ist schon eine verrückte Situation. Roter Stern hat jetzt vielleicht den besten Kader seiner Geschichte - und Partizan will dieses Team besiegen. Das steigert den Hype weiter.
10.000 Saisontickets verkauft
Wie viele Tickets musstest du deinen Leuten für das Spiel besorgen?
Eigentlich gar nicht so viele, denn die meisten meiner Freunde haben eine Saisonkarte. Partizan hat zu Beginn der Saison mehr als 10.000 verkaufen können, das ist unglaublich und natürlich eine gute Ticketing-Einnahme.
Kommt Deine Familie in die Halle?
Denke ich nicht. Meine Mutter hat bis heute nur ein Spiel live gesehen, als ich in der serbischen Liga mal gegen meinen Bruder gespielt habe. Das war das erste und letzte Mal. Sonst kommt sie nicht. Wegen der Nerven, sie kann da nicht zusehen.
Mehr zu Vladimir Lucic im FCBB-Podcast OPEN COURT