Vor fünf Jahren kam Mohamed Sillah allein und mittellos in München an, er schlief auf der Straße. Heute ist er 20, Center der jungen zweiten Mannschaft und Trainingspartner der Profis. Das Porträt stammt aus dem FCBB-Saisonmagazin, das bei den Spielen im Audi Dome ausliegt – das nächste Mal wieder bei den Heim-Highlights Anfang Januar gegen Panathinaikos (Do., 5.1.), Alba Berlin (So. 8.1.) und Vítoria (Di., 10.1.).
Wenn Mohamed Sillah seine Geschichte erzählt, ist sein Grinsen noch breiter als ohnehin schon. Dieser sehr freundliche junge Mann, an dessen Armen und Beinen unglaubliche Muskelpakete befestigt sind, kann diese Geschichte beinahe selbst nicht fassen. „Ich sitze jetzt hier, mir geht es gut und ich kann nicht glauben, dass ich das alles gemacht habe“, sagt er und schüttelt den Kopf.
Der FCBB II spielt in der BARMER 2. Basketball Bundesliga ProB Süd, dritte Profiliga. Mo Sillah war vergangene Saison für fast zehn Punkte und auch knapp zehn Rebounds gut, das jüngste Team der Liga verlor dennoch sehr viele Spiele. Sillah ist sehr ehrgeizig. Aber er ahnt, dass Niederlagen kein Weltuntergang sind.
Mohamed „Mo“ Sillah, 2,06 Meter, 119 Kilo, stammt aus Sierra Leone, Westafrika. Basketball hat er dort nie gespielt. Dafür Beachvolleyball, er war der Youngster im Juniorenteam seines Landes, das sich auf die WM 2017 in Österreich vorbereitete. Mit dem Sport verdiente er sich regelmäßig ein paar Dollar. Gutes Geld für sich und seine Schwester, mit der er bei seiner Tante ein ordentliches Leben lebte.
Die Eltern, der Papa auch fast zwei Meter groß, und die Mutter, eine Verkäuferin, verstarben beide früh.
Sierra Leone, Rom, Oberbayern
Die Beachvolleyballer Sierra Leones sind im Sommer 2017 ohne Sillah zur WM abgereist. Der hatte Probleme mit dem Trainer, sprach beim Verband vor. Ab diesem Zeitpunkt fühlte sich Sillah bedroht von Schlägern mit Messern, daheim seien Fenster eingeworfen worden, die Tante habe Anzeige erstattet, erzählt er. Die Angst blieb.
Für die WM-Reise hatte Mo Sillah ein Visum erhalten. Tante und Schwester ermunterten ihn in dieser unruhigen Zeit: eine Flucht als Ausweg. Sein Volleypartner gab ihm Geld für ein Ticket. 15-jährig setzte er sich ins Flugzeug, ohne Geld, nur mit dem Ticket und einer Tasche. Ankunft in Rom, plötzlich war die Tasche weg und damit auch seine Papiere. In einem italienischen Wohnheim verbrachte er ein paar Tage, „sie dachten, dass ich übers Meer gekommen war“. Dann saß er in einem Zug nach München.
„Ich habe erst am Bahnhof auf der Straße geschlafen, die Leute nach Geld gefragt. Dann hat mich ein Mann aus Gambia zu einem Asylheim am Frankfurter Ring gebracht.“ Ein Heim für Erwachsene allerdings, denn beim Anblick seiner Statur sagten sie ihm: „Du bist niemals 15!“
Es hat sich dann irgendwann alles aufgeklärt, das Visum aus Westafrika mit seinen Daten fand sich im Computer. Er hat das Dokument heute noch daheim. Mo Sillahs Odysee führte ihn schließlich nach Deggendorf, wo ihn das Jugendamt unterstützte bezüglich der Aufenthaltsgenehmigung, wie schließlich auch Florian Breitkreutz vom MTV Pfaffenhofen. Dort begann Mo mit Basketball. „Eigentlich wollte ich ja Volleyball spielen“, erinnert er sich, „aber die haben nur einmal pro Woche trainiert – zu wenig, ich wollte mich mehr bewegen.“
Zuletzt verletzt
Über die U16 und das Herrenteam ging es ins Probetraining bei den Bayern, im Sommer 2018 beim damaligen Nachwuchstrainer Demond Greene. 2019 sind sie Deutscher U19-Meister geworden. 2019/2020 rückte er ins FCBB III-Team in der 1. Regionalliga und in die Zweite in der ProB. Vergangene Saison erhielt Mo seine ersten vier BBL-Minuten, bei der hohen Niederlage in Oldenburg ohne zahlreiche Profis. Irgendwie happy war er trotzdem.
Seit ein paar Monaten hat Mo Sillah seine erste eigene, kleine Wohnung, nahe des Westparks. Gegen Chemnitz und in Frankfurt sah er zu Saisonbeginn wieder ein paar BBL-Sekunden, dann brachte ihn eine Fußverletzung erst mal raus. Demnächst darf er wieder ran. „Trotzdem“, sagt Mo, „alles klappt gut und Andreas Minges vom eV und dem ganzen Verein bin ich sehr dankbar. Sie haben sich alle so sehr um mich gekümmert.“
Seine Schwester und die Tante spricht er seit seiner Abreise aus Sierra Leone nur noch via Telefon. „Ich habe schon auch Heimweh, seit 2017 habe ich sie nicht mehr gesehen.“ Er unterstützt sie jetzt aus München, so gut es geht. Doch sein Weg ist ja noch nicht zu Ende, da ist sich Mo sicher: „Ich möchte mal richtig in der Bundesliga spielen und werde mich weiter anstrengen.“