
Basken gelten als kraftvoll, mutig und geschickt, das waren jahrhundertelang sehr hilfreiche Eigenschaften beim Walfang vor der Biskaya. Pablo Laso ist Baske, er stammt aus Vítoria und besitzt dort noch ein Haus. Bekannt geworden ist er aber nicht als Fischer vor den schroffen Küsten des País vasco. Sondern als Trophäensammler in der spanischen Kapitale Madrid – und als Menschenfänger.
Ein Porträt des neuen Münchner Cheftrainers, der am Donnerstag (20.45 Uhr) mit den Bayern erstmals bei seinem langjährigen Klub antritt.
Viel ist draußen nicht los, wenn im Sommer Madrids Straßen glühen vor Hitze. Die Einheimischen sitzen daheim vorm Ventilator oder an der See unter dem Sonnenschirm. Und diejenigen, die dageblieben sind, erledigen die nötigsten Wege im Stechschritt, nur bald wieder in den Schatten. Für ihn bleiben sie allerdings manchmal stehen, sprechen ihn an und sagen ihm, wie sehr sie seine Arbeit hier in Madrid geschätzt hätten all die Jahre.
„Ich bin zwar kein Fußballer, doch sie erkennen mich öfter mal“, sagt Pablo Laso ein wenig gerührt, nachdem der Mann wieder fort ist und ihm beste Wünsche für die Zukunft hinterließ. „Nett, ein gutes Gefühl.“
Selbst ein erfolgreicher Profi
In München kann Pablo Laso auch nach drei Monaten noch recht unerkannt durch die Straßen gehen. Wenn er denn mal spazieren oder einkaufen geht mit seiner Frau. Er wohnt in Schwabing, aber sein zuhause ist doch eher die Halle. So erfolgreich wie bei Real Madrid wird er hier zwar kaum sein, das wird er ahnen, da kann er noch so früh ins Office kommen und, das nächste Training vor- oder das Spiel vom Vorabend nachbereiten. Aber das macht ihm gar nichts.
Señor Laso, 56, ist ziemlich ausgeglichen und ein Realist, der seinen neuen Job genießt: Cheftrainer des FC Bayern Basketball.
„Startrainer“ schreiben jetzt in München jene Schreiber, die sehr große Überschriften präferieren. Das stimmt sogar in der Sache, denn Pablo Laso gehört ohne Frage zu den erfolgreichsten, renommiertesten Basketballlehrern des Kontinents. 22 Trophäen hat er in den elf Jahren mit den Königlichen gewonnen, zweimal die EuroLeague und je sechsmal die Meisterschaft sowie die Copa del Rey, den Pokal, der in Spanien eine ungleich höhere Bedeutung hat als hierzulande der BBL-Pokal.

Früh Kontakt zu Marko Pesic
Der Trainer Laso war selbst ein erfolgreicher Profi. Ein Spielmacher, natürlich, der lange in seiner baskischen Heimat Vítoria spielte, später dann ebenfalls für Real und einmal sogar im Ausland, in Triest, Italien. Bis heute hält er den Rekord der meisten Assists in der spanischen ACB, unbestritten die stärkste Europas: 2896, macht im Schnitt 4,6 Assists pro Spiel.
Laso coacht jetzt erstmals im Ausland, wobei er nie Berührungsängste hatte, denn nach seiner aktiven Karriere hospitierte er beispielsweise in der NBA im Trainerteam der San Antonio Spurs. „Um auch mal anders auf den Basketball und Training zu schauen“, wie er sagt. Mit den Bayern, speziell mit Marko Pesic, war er dieses Frühjahr sehr zeitig in Kontakt und diese somit viel früher mit einem sehr umworbenen Mann als andere Klubs, die ihm fürstliche Offerten unterbreiteten.
So kam dieser bemerkenswerte Deal zustande; zwischen einem Verein, der sehr groß ist, im Basketball aber immer noch eher zum europäischen Mittelstand zählt und nicht zum reichen Hochadel wie Real – und einem Trainer, der nach einem leichten Herzinfarkt zum Saisonende 2022 ein Sabbatical einlegte, seinen Blick weitete und fürstliche Offerten im Zweifel vernachlässigte.
„Dieser Verein hat eine Vision, sie bauen etwas kontinuierlich auf“, sagt Laso, „die neue Halle kommt, der SAP Garden, der deutsche Basketball ist jetzt zusätzlich obenauf. Ich denke, das war genau der richtige Moment für mich, nach München zu kommen.“
„Ein anderer Ton, alles etwas freier“
Im Training ist Laso nicht ganz so detailvernarrt wie sein Vorgänger Trinchieri. Aber zupackend und fordernd kann er schon auch sein, seine Trillerpfeife schrillt bei den Einheiten recht laut durch den BMW Park. „Ein anderer Ton, im Spiel alles etwas freier, obwohl er schon sehr klare Vorstellungen hat“, so hat Weltmeister Andi Obst den neuen Mann an der Linie beschrieben.
Von einer „spanischen Schule“, wird nun in Fachkreisen im Zusammenhang Lasos Übernahme gesprochen, mit Verweis auf die Berliner Ära unter Aito. Doch das trifft es eher nicht, trotz Lasos Provenienz, schnelleren Spiels und freierer Abläufe. Dafür ist ihm zum Beispiel die Defense viel zu heilig, ihm, der einst auch den ACB-Rekord in Steals hielt: 1219 insgesamt, fast zwei Diebstähle pro Spiel.
„Die Ergebnisse kommen von selbst“
Dass dieser in sich ruhende, freundliche Mann, irgendwann regelmäßig auch in Schwabing erkannt wird, so wie ein Andi Obst jetzt doch häufiger stehenbleiben muss in München oder auch in Oldenburg oder Frankfurt, das braucht ein Pablo Laso nicht. So wichtig nimmt er sich nicht. Andererseits würde das ja bedeuten, dass er auch die Bayern zu Ruhm und Ehre geführt hätte, obwohl er hier kein Starensemble dirigiert. Erfolge machen den Basketball sichtbarer, das wissen wir seit diesem Sommer.
Wann also wäre es eine erfolgreiche Saison mit den Bayern? Okay, sagt Laso und lächelt, konkrete Saisonziele lasse er gern andere formulieren. Er mag „diese Tyrannei des Resultats nicht“. Natürlich kenne er die Ambitionen in großen Klubs, lange war er ja dort Coach, bei Real.
Pablo Laso antwortet: „Die Leute sollen begeistert sein, wenn sie uns sehen. Wenn wir diese Stimmung erzeugen, dann kommen die Ergebnisse von selbst.“
Der Empfang könnte ein Rückstück werden
Das Top4 um den Pokal ist soeben erreicht, ein erstes Etappenziel, in BBL und EuroLeague zeigt die Tendenz ebenfalls nach oben. Laso hat ohnehin Geduld, „neuer Trainer, neues Team, das braucht Zeit“. Bei Real war das vermutlich ein wenig anders, die Königlichen müssen liefern, immer.
Pablo Laso hat geliefert, das vergessen sie nicht. Der Empfang am Donnerstagabend im Wizink Center könnte ein kleines Rührstück werden.
Der Kern dieses Textes stammt aus dem Saisonmagazin des FCBB, das kostenlos bei den Spielen im BMW Park ausliegt.
