




Das nicht für möglich Gehaltene ist tatsächlich passiert: Die Bayern-Basketballer haben den zweiten Showdown der Best-of-five-Serie beim turmhohen EuroLeague-Titelfavoriten FC Barcelona 90:75 (48:35) gewonnen und die Serie unerwartet zum 1:1 ausgeglichen! Somit hat sich der Außenseiter ein zweites Heimspiel verdient. Die Mannschaft von Cheftrainer Andrea Trinchieri zeigte eine faszinierende erste Hälfte im katalanischen Tollhaus des Palau Blaugrana und behielt mit sensationellem Kampfgeist bis zum Ende die Nerven.
Die meisten Punkte der vor 6.300 Zuschauern glänzend verteidigenden Gäste holte der überragende Deshaun Thomas (25 Punkte, 6/7 Dreier) vor Nationalspieler Andreas Obst (15), Nick Weiler-Babb (12), Ognjen Jaramaz (12) und Augustine Rubit (10).
Thomas trifft furios
Die Serie wechselt nun also in den Münchner Audi Dome, Spiel drei beginnt dort nächsten Mittwoch (27.4.) um 20.30 Uhr. Das vierte Duell ist für den darauffolgenden Freitag (29.4., 20.45 Uhr) terminiert, ebenfalls im Audi Dome. Zuvor haben die Bayern am Sonntag (18 Uhr) noch das schwere Auswärtsspiel in der BBL bei den Hamburg Towers zu bestreiten.
Den Bayern fehlte im Vergleich zum Dienstag (67:77) der mit Schlüsselbeinbruch ausgeschiedene Topscorer Darrun Hilliard, er wurde am Donnerstagvormittag erfolgreich operiert; auch Playmaker Corey Walden fehlt weiterhin, Center Leon Radosevic knickte zudem früh um und musste passen.
Zwei Obst-Dreier zum Momentum
Die Bayern starteten wie in Spiel eins überzeugend (9:3/2.), hechteten wie Beachvolleyballer nach jeder Kugel. Der Favorit wirkte ratlos gegen eine kluge Defense - und sah begeisternde Läufe der Gäste auf 35:20 und 47:31! Dieses unwirkliche Level war über die volle Distanz kaum zu halten gegen Barças elitären Topkader, der nun selbst hart verteidigte. In der Offene fehlte es nach der Pause kurzzeitig an Energie, der Gastgeber durfte im dritten Abschnitt nach 5:0 Foulpfiffen (23.) häufig an die Linie - und rückte auf 56:61 heran (29.). Es waren zwei Obst-Dreier, die Momentum und Moral zurückgaben. 70:56 (32.) hieß es plötzlich - die große Überraschung wurde real.
FC Barcelona - FC Bayern Basketball 75:90 (35:48)
FCBB:
Deshaun Thomas (25 Punkte/6 Dreier/7 Rebounds), Andreas Obst (15/4 Dreier), Nick Weiler-Babb (12/8 Rebounds), Ognjen Jaramaz (11/5 Assists), Augustine Rubit (10/8 Rebounds), Nihad Djedovic (6), Vladimir Lucic (5), Othello Hunter (4), Zan Mark Sisko (2), Leon Radosevic, Jason George und Paul Zipser
Topscorer Barcelona:
Laprovittola und Mirotic (jeweils 16 Punkte)
Schiedsrichter
Ilija Belosevic, Damir Javor, Tomislav Hordov
Zuschauer
6.273
Die Punkteverteilung nach Vierteln (aus Sicht des FCBB): 23:18, 25:17, 19:21, 23:19.
Zahlen & Fakten - Zweier-Quote: 46% (FCBB) // 52% (Barcelona); Dreier-Quote: 48% // 30%; Freiwurf-Quote: 78% // 77%; Rebounds: 34 // 32; Assists: 16 // 16; Ballverluste: 10 // 16.
Die Stimmen:
Andrea Trinchieri, Chefcoach FC Bayern Basketball: „Ich muss meinen Spielern gratulieren, sie haben ein großartiges Spiel gezeigt, vom Jump bis zum Ende. Sie haben gekämpft, unglaublich viel Energie gegeben gegen einen großen Gegner. Ich bin aber auch jetzt sehr realistisch und geerdet, denn Barça weiß, wie man mit einem 1:1 umgeht. Wir haben heute die Chance gewonnen, zwei Heimspiele zu haben – mehr haben wir nicht erreicht. Ich freue mich für meine Spieler und bin sehr stolz, doch ich weiß genau, gegen wen wir nächsten Mittwoch spielen. Es wäre nicht klug zu denken, dass wir besser spielen können (als heute). Mittwoch wird es ein ganz anderes Spiel sein. Unsere Ideen waren heute mit Verlangen, Intensität und Passion verbunden, und der Wille und die Opferbereitschaft meiner Spieler hat die 90 Punkte möglich gemacht. Wir müssen aber auch in der Lage sein, mal 60:59 zu gewinnen. Das ist eine Playoff-Serie gegen das beste Team, den besten Coach, das beste System. Ich bin trotzdem sehr happy auch für unseren Verein, denn das ist erst unser zweites Jahr in den Playoffs und die Organisation ist gut zehn Jahre alt; wir haben noch Reste der Muttermilch am Mund kleben. Wir sind ohne Hilliard gekommen, der heute früh erfolgreich operiert wurde, Radosevic war heute nach drei Minuten raus und Walden spielt seit 55 Tagen nicht – und jetzt kommen wir nach Spanien und schlagen in 15 Tagen erst Real jetzt Barca, das sind schon sehr wichtige Ereignisse für uns. Als sie mir nach dem dritten Viertel (am Dienstag) sagten, Darrun habe einen Schlüsselbeinbuch – da dachte ich nur, das ist doch nicht möglich! Dann kam ich sehr traurig ins Hotel zurück – und sah das Team, wie sie zusammenrückten. Und so haben wir nicht daran gedacht, was uns mit Hilliard fehlen wird, sondern was wir anders machen könnten. Aber nochmal, ich weiß genau, wo ich bin und ahne, was am Mittwoch passiert. Auch letztes Jahr stand Barça 1:1 in der Serie und jetzt zucken sie nicht mal mit der Augenbraue. Natürlich sind sie sauer, aber ihr Ziel ist es, uns am Mittwoch zu zerstören. Also müssen wir den Helm aufsetzen und wieder bereit sein, zu spielen.“
Deshaun Thomas, FCBB Forward: „Das zweite Spiel war sehr wichtig für uns, das wussten wir. Wir haben reagiert und entscheidende Spielzüge gezeigt. Viele Spieler haben dazu beigetragen, zum Beispiel Andi Obst, Ognjen Jaramaz oder auch ich. Ich denke, wir sind rausgekommen und haben hart gespielt, das war ein gutes Match. Das war ein bedeutender Sieg für uns, übrigens auch für mich. Im ersten Spiel kam ich schwer in den Rhythmus. Aber in diesem Spiel hat mein Team mich gebraucht, und ich bin rausgekommen und habe gut für sie gespielt.“
Das Spiel:
FCBB-Cheftrainer Andrea Trinchieri vertraute im zweiten Aufeinandertreffen mit den haushoch favorisierten Katalanen auf die Starter Nick Weiler-Babb, Nihad Djedovic, Vladimir Lucic, Deshaun Thomas und Leon Radosevic. Nihad Djedovic versenkte nach elf Sekunden den ersten Dreier für die Münchner, in der folgenden Defensivsequenz blockte Lucic Barças Star Nikola Mirotic. Eine wesentliche Umstellung als Lehre aus Spiel eins war offensichtlich das höhere Tempo, damit überraschten die Bayern den Gegner und führten nach vier Minuten 11:6. Andreas Obst stoppte einen 7:0-Lauf der Spanier mit einem Dreier zum 14:13 (6.). Die Einsatzbereitschaft der Münchner war sensationell, sie hechteten nach jedem Ball und veranlassten so Barcelonas Coach Jasikevicius zur Auszeit (18:16/9.). Das Momentum war jedoch eindeutig beim FCBB, der sich das erste Viertel mit 23:18 schnappte.
Deshaun Thomas hatte sich offensichtlich viel vorgenommen, er lief vollkommen heiß und scorte zu Beginn des zweiten Viertels zehn Punkte in Folge zur zweistelligen Führung (33:20/13.). In der Verteidigung wurde leidenschaftlich gekämpft. Barcelona kam besser in Tritt und blies zur Aufholjagd, ein Dreier von Obst beruhigte die tobenden Fans, die sich verwundert die Augen rieben (38:25/15.). Das Spiel offenbarte eine sagenhafte Intensität, die Münchner bewiesen Nerven und zogen ihr Ding einfach cool durch - erneut Thomas zum 42:27 (17.). Die Defensive der Bayern zwang Barça zu neun Ballverlusten in Halbzeit eins, Thomas versenkte auch den Dreier zur 47:31-Führung (19.).
Grandioser Wille und enorme Leidenschaft
Der Hauptrunden-Erste der EuroLeague kam erwartbar aggressiver aus der Kabine, aber München nahm den Kampf an. Thomas haute den Dreier zum 51:38 rein (23.), aber der FCBB handelte sich früh das fünfte Teamfoul ein. Barças Kyle Kuric versenkte seinen zweiten Dreier und baute mit den positiv-verrückten Fans im Rücken mächtig Druck auf, der Vorsprung schmolz (53:45/25.). Die Bayern wehrten sich mit allem, was sie hatten - Deshaun Thomas hielt die Führung bei 56:47 (27.). Für die Münchner galt es nun, sich mit einem Vorsprung in die Viertelpause zu retten, denn jeder Korberfolg gegen die blau-rote Wand Barcelonas war Schwerstarbeit, wie der von Jaramaz zum 58:49 (28.). Die Spanier zogen geschickt die Fouls und verkürzten den Rückstand von der Freiwurflinie (60:54/29.). Obst schoss buchstäblich den Vogel ab, indem er binnen 20 Sekunden zwei Dreier im Korb der Katalanen unterbrachte.
Der Wille hält den Titel-Favoriten auf Distanz
Deshaun Thomas war zweifelsohne der Spieler des Abends, nach fast zwei Minuten erzielte er per Dreier den ersten Treffer im Abschlussviertel (70:56/32.). Die Halle wurde ruhiger - und das war ein untrügliches Zeichen für die beeindruckende Vorstellung der Münchner sowohl in der Defensive als auch in der Offensive. Eine Auszeit Barças führte zu einem 6:0-Lauf der Spanier, jetzt wählte Trinchieri das Mittel Timeout (72:65/35.). Die Bayern bewiesen Charakter ohne Ende, denn sie stemmten sich mit aller Gewalt gegen die anstürmenden Spanier. Nick Weiler-Babb versenkte cool und frech den Dreier zum 83:68 (37.). Die ersten Fans verließen die Halle, aber die Münchner machten es durch Ballverluste und Nachlässigkeiten in der Verteidigung noch einmal ansatzweise spannend (86:72/39.). Doch die von Coach Trinchieri ausgezeichnet eingestellten Bayern ließen sich diesen Sieg nicht mehr entreißen und sorgten mit einer aufsehenerregenden Leistung für die Sensation in der EuroLeague.
(c) Molina & Stickel