




Das Playoff-Spektakel der Bayern-Basketballer ist nicht beendet, ganz im Gegenteil: Der Achtplatzierte der EuroLeague-Hauptrunde besiegte am Freitagabend in Spiel vier den von der Pole-Position gestarteten, großen Titelfavoriten FC Barcelona nach einer fanatischen Energieleistung 59:52 (36:25) - damit kämpft der Außenseiter am kommenden Dienstag (20 Uhr) in Barcelona im entscheidenden fünften Duell und wie schon im Vorjahr gegen Mailand um den erstmaligen Einzug einer deutschen Mannschaft ins Final Four.
Barças Offense verstummt
Vor 6.500 entfesselten Fans im ausverkauften Tollhaus Audi Dome organisierte Cheftrainer Andrea Trinchieri gegen das Starensemble um Nikola Mirotic (7 Punkte) nichts anderes als eine defensive Meisterleistung. Sein Team zermürbte den am Mittwoch (75:66) noch so souveränen Gast und führte Ende des dritten Viertels plötzlich mit 19 Punkten. Der Vorsprung hielt trotz schwindender Kräfte. Die meisten Punkte holte Nick Weiler-Babb (12), zehn Spieler scorten.
Die Bayern begannen ultraentschlossen und zwangen Barça zu schweren Würfen (18:10/10.). Der spanische Champion suchte seine Big Men, doch Hunter räumte Davies ab und von der Bank kommend punktete Schilling! 29:17 nach 15 Minuten, die Halle bebte - und trug ein Team, das sich in der Verteidigung zerriss, bis zur Pause nur zweimal den Ball verlor und Barcelona bei 25 Punkten und drei Assists hielt.
Der FCBB erhöhte auf 48:29 (29.) und die Frage war jetzt: Können die Bayern diesen enormen Energieausstoß überstehen? Sie konnten, obwohl es am Ende noch mal enger wurde. Doch das Publikum half und Barça, das beste Dreier-Team der EuroLeague, verzweifelte zu lange in der Offense – die nächste Münchner Sensation war perfekt.
Am Sonntagabend geht es bereits weiter im Audi Dome, wie auch immer das funktionieren soll nach diesem Energieverlust: Würzburg ist zum Südderby zu Gast (20.45 Uhr).
FC Bayern Basketball - FC Barcelona 59:52 (36:25)
FCBB:
Nick Weiler-Babb (12 Punkte/8 Rebounds/4 Assists), Othello Hunter (9), Vladimir Lucic (8), Deshaun Thomas (7), Augustine Rubit (7), Ognjen Jaramaz (6), Gavin Schilling (4), Nihad Djedovic (2), Zan Mark Sisko (2/6 Rebounds), Andreas Obst (2), Leon Radosevic und Jason George
Topscorer Barcelona:
Alex Abrines (12 Punkte)
Schiedsrichter
Luigi Lamonica, Sasa Pukl, Uros Nikolic
Zuschauer
6.500 - ausverkauft
Die Punkteverteilung nach Vierteln (aus Sicht des FCBB): 18:12, 18:13, 14:9, 9:18.
Zahlen & Fakten - Zweier-Quote: 45% (FCBB) // 39% (Barcelona); Dreier-Quote: 17% // 17%; Freiwurf-Quote: 86% // 73%; Rebounds: 42 // 37; Assists: 15 // 9; Ballverluste: 9 // 13
Die Stimmen:
Andrea Trinchieri, Chefcoach FCBB: „Natürlich bin ich sehr stolz und sehr glücklich für meine Spieler. Das zweite Jahr hintereinander Spiel fünf zu erzwingen (…), diesmal ohne Hilliard und Walden, der in der Serie nicht eine Minute gespielt hat, das ist eine unglaubliche Leistung dieser Organisation. Es steht 2:2, aber ich habe noch in keiner Playoff-Serie so unterschiedliche vier Spiele gesehen. Wir müssen jetzt regenerieren, wobei wir Sonntagabend noch ein BBL-Spiel haben. Ich bin eh nicht gut darin, gute Leistungen meines Teams zu genießen, doch heute weiß ich nicht, was ich tun soll, wie ich diese Situation handeln soll. Hoffentlich hilft mir mehr als eine gute Flasche Wein dabei.
Ich möchte den Fans danken: Die Atmosphäre war völlig anders als in Spiel drei, sie haben uns heute gepusht. Und ich will auch allen vom Office im Verein danken, die zwei ausverkaufte Hallen in zwei Tagen ermöglicht haben. Sie haben einen großartigen Job gemacht, so wie meine Spieler großartig in der Defense waren. So konnten wir ein Spiel mit 17 Prozent Dreiern und 45 Prozent Zweiern gewinnen und mit nur knapp der Hälfte an Freiwürfen wie Barça.
Am Dienstag „im Rachen des Hais“
Das war ein toller Sieg des Teams mit einer tollen Verteidigung. Am Mittwoch waren wir noch aufgezehrt vom Verlangen, gewinnen zu wollen, wir waren etwas naiv. Wir sind in die Falle getappt. Es ist wie bei Kindern, denen du zehnmal sagst, dass sie das nicht tun sollen – dann drehst du dich um und sie tun genau das. Doch das ganze Team hat heute eine maximale Leistung gebracht. Wenn dein Team in einem Do-or-die-Spiel so antwortet, ist die Grenze der Himmel. Ich weiß, was am Dienstag kommt, aber niemand wird uns das Privileg mehr nehmen, dieses Spiel spielen zu können – im Rachen des Hais. Ich habe heute alles genossen, den Einsatz, die Konzentration, die Aufmerksamkeit. Heute gab es wenig Taktik, heute sind wir unseren Mann gestanden.
Als Marko (Pesic) mich verpflichtet hat, wollte er nicht nur einen Trainer, sondern auch einen Partner. Und als Partner bin ich in meiner Rolle sehr glücklich für den Verein, was wir die letzten zwei Jahre erreicht haben; mit unterschiedlichem Personal, auf verschiedenen Reisen. Die Widerstandsfähigkeit, unsere Werte, die Kultur sind eine großartige Sache. Egal, wie Spiel fünf ausgeht: Wir haben einen großen Schritt gemacht Wir wissen, wer der Favorit ist, was für ein Spiel das wird. Aber das Privileg, dort zu sein, nimmt uns niemand.
Nein, wir haben keine Chance, aber keine Chance zu haben, ist eine Chance. Heute haben wir ihre Physis gematcht. Können wir das noch einmal schaffen? Das ist der Schlüssel. (…) Wir müssen jetzt den Tank wieder aufladen. Ich bin sehr gespannt auf das Spiel, weil wir es aus vielen Gründen eigentlich gar nicht haben dürften. Aber wir haben die Realitäten unserer Saison nicht akzeptieren wollen, dass alles schief ging, was schief gehen konnte.
Wir sollten jetzt dorthin fahren und den Barça-Spielern in die Augen schauen. Nicht auf die Schuhe.“
Augustine Rubit: „Wir haben eine begeisternde Defensive gezeigt. Wir wollten rauskommen und Fouls nutzen; aber erwarten konnte man das nicht, dass wir sie bei 52 Punkten halten. Unser Ziel war, ihnen das Leben schwer zu machen. Wenn man gewinnen will, muss man zugreifen. Eine ähnliche Verteidigung haben wir die gesamte Saison gespielt, aber gegen ein so tolles Team wie dieses muss eben gekämpft werden. Keine leichten Körbe zulassen, das war der Unterschied. Im Spiel am Dienstag ist alles möglich. Allein die Möglichkeit, über dieses eine Spiel in die nächste Runde zu kommen, ist überwältigend. Wir müssen den Fokus bewahren und bereit sein für den Kampf. Mein Ziel in dieser Saison war das Erreichen der Playoffs, aber nun ist mehr möglich - und das ist fantastisch.“
Nick Weiler-Babb: „Wir haben vom Beginn bis zum Ende einen harten Fight geliefert. In der zweiten Halbzeit sind wir rausgekommen und haben uns reingehauen. Wir hatten einige Stopps. Wir haben offensiv und defensiv als Team gespielt.“
Herbert Hainer, Vereinspräsident: „Eine unglaubliche Leistung, einfach ein fantastischer Abend! Die Mannschaft hat enorm gekämpft, hat super gespielt, exzellent verteidigt. Wenn man das sieht, wie wenig Punkte Barcelona gemacht hat in so einem Spiel und wie fantastisch die Stimmung heute im Audi Dome war: Das war wirklich einer der schönsten Abende, die ich hier verbracht habe.“
Marko Pesic, Geschäftsführer: „Bis auf die ersten 15 Minuten am Mittwoch waren wir immer voll drin in dieser Serie. Dass man heute mit so einer Energieleistung zurückkommt, das verdient Riesenrespekt. Ich bin jetzt elf Jahre bei Bayern, aber so eine Atmosphäre wie heute im Audi Dome habe ich noch nie erlebt. Zwei Spiele innerhalb von 48 Stunden und jeweils ausverkauft mit so einer Stimmung, das bedeutet den Spielern und auch mir sehr viel. (…) Wir haben in den beiden letzten Jahren überperformt. Die Punkteverteilung heute zeugt von einer traumhaften Mannschaftsleistung. Das macht uns aus und jetzt schauen wir, was wir damit am Dienstag anfangen können.“

Das Spiel:
Nick Weiler-Babb, Andreas Obst, Vladimir Lucic, Augustine Rubit und Leon Radosevic bestückten die Starting Five von FCBB-Cheftrainer Andrea Trinchieri. Im Gegensatz zu Spiel 3 konnte Barça zu Beginn der Partie gebremst werden. Die nächste gute Nachricht: Auch der erste Dreier der Münchner saß, Weiler-Babb zum 3:2 (2. Spielminute). Die Bayern agierten auf Augenhöhe, 7:7 nach fünf Minuten. Der Coach verteilte die Spielzeit auf viele Schultern. Die Spieler gaben analog zu den begeisterten Fans alles und führten durch Treffer von Rubit und Lucic 11:8 (7.). Die Gäste rangen um den Rhythmus, aber die Bayern ließen ihn nicht zu und kamen ihrerseits zusehends ins Rollen. Djedovic wurde von Hunter fein zum 16:10 bedient (9.). Hunter blockte Davies direkt am Korb spektakulär, am anderen Ende des Parketts traf Thomas zur 18:10-Führung. Nach dem ersten Viertel lag der FCBB 18:12 vorne.
Wie in Spiel zwei dominieren die Bayern den Favoriten
Der haushohe Favorit wirkte tatsächlich verunsichert, gleichzeitig gewannen die Bayern an Selbstbewusstsein. Schilling setzte sich unter dem Korb durch, Sisko stellte die Führung mit einem cleveren Korbleger zweistellig (22:12/12.). Mit jeder gelungenen Aktion legten die Münchner den Respekt vor der Startruppe ab. Barcelona zog in der Defensive deutlich an, doch die Bayern wussten nur zu gut, worum es heute ging, und hielten dagegen - und zwar mit allem, was sie zu bieten hatten (27:17/13.). Die Intensität war an Vladimir Lucic abzulesen, der sich nach seinem bedingungslosen Einsatz geradezu taumelnd zum Ausruhen Richtung Bank bewegte. Nach fünf schnellen Punkten der Gäste nahm Trinchieri eine Auszeit (29:22 (17.). Die Offensive der Münchner wurde ein ums andere Mal gestoppt, die Willensstärke von Jaramaz knackte die spanische Mauer und sorgte mit fünf Punkten in Folge für die 36:25-Führung zur Halbzeit. Die ausgezeichnete Teamleistung des FCBB belegte die Tatsache, dass bereits zu diesem Zeitpunkt zehn von elf eingesetzten Spielern gepunktet hatten.
Halbzeit zwei begann spektakulär, indem Lucic von Sisko millimetergenau zum Alley-Oop-Dunking bedient wurde (38:25/21.). Der Hauptrunden-Erste der EuroLeague wurde von den aufopferungsvoll rackernden Bayern sage und schreibe fünfeinhalb Minuten lang am Scoren gehindert. In dieser Phase versäumten Lucic und Co. jedoch, die Führung auszubauen (39:25/26.). Barça war von der Rolle, allerdings brachte der FCBB die Kugel auch nicht im Korb unter, außer Hunter zum 41:28 (26.). Jaramaz spielte Calathes schwindelig, umkurvte zwei weitere spanische Hünen und passte zu Weiler-Babb, der den Dreier zu 44:28 reinhaute - unmittelbar vor dem Gästecoach Jasikevicius, der wutschnaubend die Auszeit nahm (28.). Die Fans erhoben sich anerkennend, denn ihnen bot sich ein kaum für möglich gehaltenes Schauspiel: Die Bayern dominierten den großen FC Barcelona, ließen in diesem Viertel lediglich neun Punkte zu und führten 50:34.
Münchens Team-Verteidigung überragt - Jasikevicius resigniert
Die Spanier suchten ihren Go-to-guy für diese Fälle: Mirotic. Aber auch dessen Würfe verfehlten den Korb knapp, und beim Rebound waren die Münchner höchst aufmerksam. Die Führung hielt und bewegte sich durch vor Entschlossenheit nur so strotzende Treffer von Weiler-Babb und Rubit in den komfortablen Bereich nahe der 20 Punkte (56:37/34.) - Auszeit Barcelona. Aber der sonst so feurige Vulkan Jasikevicius verfiel zusehends in Schweigen angesichts dessen, was er auf dem Parkett sah: Die Bayern hielten den Topfavoriten in Schach. In einer fabelhaften Angriffssequenz rund vier Minuten vor Ablauf der Spielzeit holten die Münchner drei Offensivrebounds in Folge und treiben die Spanier zur Verzweiflung, weil auf diese Weise natürlich sehr viel Zeit von der Uhr rann. Und zum Abschluss versenkte der gefoulte Weiler-Babb zwei Freiwürfe zum 58:40 (37.). Nachlässigkeiten verhalfen Barça zu einem 7:0-Lauf, plötzlich waren die Gäste auf zehn Punkte herangekommen (59:49/39.). Die Bayern mobilisierten noch einmal die letzten Kräfte und fuhren einen überwältigenden zweiten Sieg zum Ausgleich der Best-of-five-Serie ein. Man sieht sich am Dienstag in Barcelona zum Do-or-die-Spiel.
(c) Eirich, FCBB, Pahnke & Stickel