Trotz einer schwierigen Saison mit vielen Verletzungen hat die U19 des FCBB erneut das TOP4 um die deutsche Meisterschaft erreicht. Die Endrunde der Nachwuchsbundesliga findet am Pfingstwochenende des 27./28. Mai in Frankfurt statt. Bayern trifft am Samstag ab 20 Uhr im Halbfinale auf Alba Berlin, neben Vechta (vs. Team Urspring) Favorit auf den Titel.
Einer der FCBB-Youngster, die sich nach längerer Pause zurückgekämpft haben, ist Ivan Kharchenkov. Der erst 16-Jährige hatte bereits drei Einsätze bei den Profis. Ein Porträt über jemanden, der Basketball lebt, nach dem Motto: „Ball is life“.
Klar, er ist familiär vorbelastet. Bruder Nikita, 19 Jahre älter, stand bei insgesamt zwölf Profiklubs in BBL, ProA und ProB unter Vertrag. Vater Alexander wurde 1974 mit der Sowjetunion sogar Weltmeister, spielte unter anderem für den Spitzenklub ZSKA Moskau und kam Anfang der 1990er Jahre nach Deutschland. Dort schoss er Quakenbrück in die Regionalliga und startete eine Trainerkarriere.
140 Kilometer täglich
Ivan kommt in Moskau zur Welt, als der Vater gerade die zweite Mannschaft von Khimki trainiert. Doch schon früh folgt der erneute Umzug nach Deutschland, wo Trainerjobs in Gotha, Zwickau und Landsberg warten. Und wenn Alexander Kharchenkov, heute 69, in der Halle ist, ist Ivan auch da. So fängt alles an.
Nach den Anfängen des Juniors in Landsberg soll der nächste Schritt her, also folgt er seinem Vater zu Jahn München – und dieser Wechsel hat es in sich.
„Vier Mal in der Woche Training – aber wir haben eine Ausnahme für mich gemacht, dass ich nur drei Mal pendeln musste und einmal mit meinem Vater trainiere“, erinnert sich Ivan. Hin und zurück sind es 140 Kilometer von Landsberg in den Münchener Osten, dazu am Wochenende die Spiele.
Ivan klagt auch rückwirkend nicht: „Um 8 Uhr ging es mit den anderen Kindern in Landsberg in die Schule, ganz normal. Um 13:15 Uhr war ich fertig, dann nach Hause, essen, Hausaufgaben machen. Um 15 Uhr ging es wieder los, damit ich um 16 Uhr, 16:30 Uhr in München trainieren konnte. Nach zwei Stunden wieder nach Hause, um 20 Uhr ankommen . . . und dann Basketball schauen und ins Bett.“ So beschreibt Ivan heute sein Pensum, als er in der U12 spielte, also erst zehn war.
Ivan fand das alles sehr okay, er betont: „Meine Eltern haben mich nie zum Basketball gezwungen!“
Inspiriert vom namhaften Vater
Dabei besitzt der immer noch 16-Jährige nicht nur auf dem Basketballcourt ideale Anlagen, er ist generell ein Sportler. Auch beim Fußball bescheinigte man ihm früh großes Talent, ebenso wusste er als Schwimmer zu überzeugen. Doch was er wollte, war Basketball. „Mein Vater hatte einen Ruf. Ich habe ihn nie spielen sehen, aber wenn wir irgendwo in eine Halle kamen, in München oder woanders, kannte man ihn, kamen Leute und haben mit ihm gesprochen. Das hat mich inspiriert. Ich will auch, dass mich Leute kennen.“
Auch Ivan macht sich früh einen Namen, sein Talent ist nicht zu übersehen: In seinen Statistiken finden sich Spiele mit 105 und 84 Punkten. Und auf einem Foto von 2017 grinst ein elfjähriger Ivan hinter einem Pokal, kurz nach einem Sieg über Alba Berlin bei einem Turnier. Die Auswahltrainer kommen an ihm nicht vorbei, früh läuft er für die DBB-Auswahl auf und wird 2022 bei der U16 B-Europameisterschaft in die beste Fünf des Turniers gewählt.
Die Nachwuchsabteilung der Bayern wird unweigerlich auf das Talent aufmerksam, das direkt vor der Haustür spielt; ab der U14 trägt er das FCBB-Logo auf der Brust. Es bleibt nur ein Problem: „Ab der achten Klasse wird die Schule am Nachmittag länger, da wurde das mit dem Pendeln schwierig.“
Erstmals Basketball-Talente auf dem Campus
Die Lösung ergibt sich mit dem FC Bayern Campus, dem Nachwuchszentrum des Klubs, das eigentlich der erfolgreichen Fußballsparte gewidmet ist. Ivan und U19-Kollege Martin Kalu, ebenfalls lange verletzt in dieser Saison, sind die ersten Basketball-Talente überhaupt, die auf dem Campus eingezogen sind.
„Für meine Mutter war es ein sehr langer Prozess: Ihr Junge war nicht mehr zuhause und wenn überhaupt, sehe ich ihn nur am Wochenende!“, erzählt Ivan. „Aber für mich war es ein No-Brainer: Ich wohne zwei Minuten von der Trainingshalle weg, 15 Minuten mit dem Bus von der Schule – besser geht’s ja gar nicht!“
Ivan Kharchenkov nutzt das alles offenbar sinnvoll: Kurz nach seinem 15. Geburtstag debütiert er 2021 in der ProB, legt in der dritthöchsten Liga in diesem Alter schon stolze 12,1 Punkte im Schnitt auf. Einzig: Es stehen nur 14 Spiele hinter seinem Namen. Erstmals in seiner noch jungen Karriere nagen Verletzungen an ihm – wie zuletzt.
Zwar steigert er seinen Schnitt auf mehr als 16 Zähler pro Spiel, greift dazu fast sechs Rebounds im Schnitt. Doch zwischen November und März 2023 verzeichnet die Statistik keine Einsätze, weder in der ProB noch in der Jugend, wo er unter anderem das Adidas Next Generation Tournament in eigener Halle verpasst.
„Ich spiele Basketball oder mir ist langweilig“
Und das kurz nachdem er im November nicht nur sein BBL-Debüt gab, sondern dabei auch der bisher jüngste Spieler wurde, der je im Oberhaus scoren konnte.
Die Zwangspause nutzt er, um besser zu werden. „Ich bin ja noch jung, ich kann immer noch besser werden und an Details arbeiten. Früher bin ich in die Halle gelaufen, hab die Schuhe angezogen und los ging’s. Entweder ich spiele Basketball oder mir ist langweilig. Aber jetzt mache ich meine Übungen, damit so etwas nicht wieder passiert.“
Sein Eifer wird in der Schlussphase der Saison belohnt: Als er wieder fit ist, steht er in Göttingen und Oldenburg sogar wieder im Kader des chronisch ersatzgeschwächten BBL-Teams. Bei den Baskets beruft ihn der damalige Interimscoach Adriano Vertemati sogar in die Startaufstellung. Ivan legt 13 Punkte auf und trifft drei seiner sechs Dreier.
„Bayern auf die Eins!“
Jetzt rückt Ivan wieder in die U19 ein, wo er immer noch zu den Jüngsten zählt. Am Wochenende will er beim NBBL-TOP4 natürlich am liebsten den Titel holen. „Wenn ich Basketball spiele, will ich gewinnen“, stellt er klar. In den Berlinern wartet allerdings im Halbfinale der amtierende Meister auf die Bayern-Youngster.
Ivan will vorangehen, diesen Anspruch hat er an sich selbst: „Ich bringe die Qualität als Scorer, aber vor allem als derjenige, der nicht verlieren will. Ich würde alles tun, damit wir nach 40 Minuten nicht hinten liegen, sagt er bestimmt. Das Ziel für das Wochenende? „Bayern auf die Eins!“