„Jupp! Jupp! Jupp!“ - noch immer hallt das Echo dieser Rufe nach. In der Allianz Arena, am Marienplatz - und wahrscheinlich sogar im Londoner Wembley-Stadion. Tausende Fans des FC Bayern skandierten im Mai und Juni 2013 diese Worte, nachdem der Rekordmeister mit dem Gewinn des Triple das sportlich erfolgreichste Jahr seiner Vereinsgeschichte gefeiert hat. Vater des Erfolges war Trainer Josef „Jupp“ Heynckes. Wir blicken auf seine einzigartige Karriere zurück.
Feiern im Kleinen
Auf eine rauschende Party, wie sie nach dem Triple 2013 stattgefunden hat („Die beste, die wir je bei Bayern hatten“, so Bastian Schweinsteiger) musste der Jubilar aber nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Beschränkungen wegen der Corona-Pandemie verzichten. „Der Situation geschuldet werden wir zuhause bleiben“, sagte Heynckes im Interview mit dem „kicker“. „Meine Frau wird ein tolles Essen zubereiten, dazu trinken wir ein Glas Wein und lassen unsere Gedanken in die gemeinsame Vergangenheit schweifen. Feiern im Kleinen passen mehr zu meinem Naturell.“
Karriereende 2018 beim FC Bayern
Knapp 53 Jahre war das „Kind der Bundesliga“, wie sich Jupp Heynckes mal selbst bezeichnete, im Profi-Fußball aktiv. 1.038 Partien hat er dabei als Spieler und Trainer in der höchsten deutschen Spielklasse bestritten, nur Otto Rehhagel (1.033) kann mit dieser Rekordmarke mithalten. Nach seiner vierten Amtszeit beim FC Bayern beendete Heynckes seine bemerkenswerte Karriere im Mai 2018 mit dem Gewinn der vierten Meisterschaft nach 1989, 1990 und 2013. Das erhoffte Double hingegen blieb ihm nach der Niederlage im DFB-Pokalfinale gegen Eintracht Frankfurt verwehrt.
Offene Tür in München
Doch das schmälert seine erfolgreiche Vita keinesfalls. Spätestens mit dem Champions-League-Triumph von Wembley habe sich „Jupp unsterblich gemacht“, betonte Karl-Heinz Rummenigge. „Jupp war ein fantastischer Trainer. Jupp ist aber vor allem ein wunderbarer Mensch, ein Gentleman, ein Vorbild“, würdigte Bayerns Vorstandschef den Jubilar und sprach diesem bei seinem Abschied „eine Carte Blanche“ aus. „Wir werden für dich immer die Tür aufhalten, nicht nur wegen des Erfolgs, sondern wegen deiner Menschlichkeit.“
Titelsammler und Torschützenkönig
Schon früh wusste das neunte von zehn Kindern, wohin ihn sein Weg führen würde. „Es war mein Verlangen, Fußballer zu werden. Ich tat alles dafür, schon in der Jugend“, erinnert sich Heynckes an seine Kindheit. Mit 17 wechselte er nach Mönchengladbach, wo er, abgesehen von einem dreijährigen Gastspiel bei Hannover 96, fast seine gesamt Profi-Laufbahn verbrachte. Als Spieler wurde er Welt- und Europameister, UEFA-Pokalsieger, Deutscher Meister, Pokalsieger und Torschützenkönig. 1978 beendete er nach 369 Bundesligapartien und 220 Treffern seine Karriere. In seinem letzten Spiel gelangen ihm zum einzigen Mal überhaupt fünf Tore in einer Partie.
Assistent, Chefcoach, Meistertrainer
Im Anschluss daran begann er in Gladbach seine Trainerlaufbahn. Erst als Assistent von Udo Lattek, ehe er dort zum Chefcoach aufstieg. 1987 folgte der Wechsel zum FC Bayern, mit dem er 1989 und 1990 nach vier Meistertiteln als Spieler seine ersten beiden nationalen Trophäen als Trainer feierte. Nach nur einem Sieg aus sieben Ligaspielen trennte sich der FC Bayern im Oktober 1991 von Heynckes. Ehrenpräsident Uli Hoeneß bezeichnete diese Entscheidung später als „größte Fehleinschätzung“ seiner Karriere.
1998 Erster CL-Sieg mit Real Madrid
Heynckes ging nach Spanien und trainierte zwei Jahre erfolgreich Athlétic Bilbao. Nach einem neunmonatigen Intermezzo bei Eintracht Frankfurt kehrte er 1995 auf die iberische Halbinsel zurück und heuerte bei CD Teneriffa an. Zwei Jahre später holte ihn Real Madrid, das Heynckes als „Olymp für einen Trainer“ bezeichnete. Dort erlebte er nach der Saison 1997/98 hautnah, wie nah Freud und Leid im Sport beieinander liegen. Nur acht Tage nach dem Sieg in der Champions League, dem ersten Reals nach über 30 Jahren, wurde Don Jupp vom kürzlich verstorbenen Präsidenten Lorenzo Sanz entlassen.
Comeback beim FC Bayern
Benfica Lissabon und erneut Bilbao waren seine nächsten Stationen, eher er 2003 endgültig nach Deutschland zurückkehrte, wo er beim FC Schalke 04 und erneut in Mönchengladbach tätig war. Am 31. Januar 2007 trat er bei den abstiegsbedrohten Borussen nach nur 215 Tagen von seinem Amt zurück. Als sich die Bayern im Frühjahr 2009 von Jürgen Klinsmann trennte, holte Manager Hoeneß seinen langjährigen Freund nach 27-monatiger Pause holte aus dem (Vor-)Ruhestand. Heynckes führte den FCB in den verbleibenden fünf Spielen noch auf Platz zwei und sicherte die Champions-League-Teilnahme.
Triple und Welttrainer
Der gelernte Stuckateur hatte wieder Feuer gefangen, nahm ein Angebot von Bayer Leverkusen an, wurde 2011 Vizemeister und startete danach mit seiner dritten Amtszeit in München das wohl glorreichste Kapitel seiner außerordentlichen Karriere. Zunächst aber erlebte er eine herbe Enttäuschung. In der Saison 2011/12 wurde sein Team Vizemeister, verlor das Pokalendspiel und dazu das Finale dahoam in der heimischen Allianz Arena gegen den FC Chelsea. Doch das hat Heynckes‘ Titelhunger noch mehr geweckt. Als erster deutscher Trainer überhaupt holte er in der folgenden Spielzeit das Triple und wurde im gleichen Jahr zum Welttrainer gekürt. Im Sommer 2013 erklärte er seinen (vorläufigen) Rückzug aus dem Fußballgeschäft.
'50 Jahre Profifußball sind genug'
Auch zahlreiche, lukrative Angebote aus dem Ausland konnten ihn nicht umstimmen. „Einige große spanische Klubs wollten mich verpflichten und haben horrende Summen geboten“, verriet der damals 68-Jährige, „aber 50 Jahre Profifußball sind genug“. Dass er vier Jahre später noch einmal auf die Trainerbank zurückkehren würde, hat auch der Routinier nicht erwartet. Doch im Oktober 2017 bat der FC Bayern seinen Triple-Trainer erneut um Hilfe – und Heynckes war zur Stelle. „Er geht in die Geschichte ein als Helfer des FC Bayern in einer ganz schwierigen Situation“, sagte Hoeneß nach der Saison, Heynckes habe „eine fantastische Arbeit geleistet“ und „seinen Auftrag bei uns zu 100 Prozent erfüllt“.
Abschied mit Meisterschale
Nach der Trennung von Carlo Ancelotti übernahm er zum vierten Mal die sportlichen Geschicke bei den Münchnern, die zu diesem Zeitpunkt fünf Punkte Rückstand auf Borussia Dortmund hatten. Am Ende führte er die Mannschaft mit 21 Zählern Vorsprung auf Schalke 04 zur Meisterschaft – seiner vierten als Trainer. Im Sommer 2018 verabschiedete er sich endgültig in den Ruhestand, den er gemeinsam mit seiner Ehefrau Iris auf seinem Bauernhof in Schwalmtal genießt. „Grundsätzlich bin ich dankbar für dieses Leben, das ich hatte, obwohl es sehr arbeitsreich und strapaziös war“, sagt Heynckes rückblickend – und hat möglicherweise selbst noch die Rufe: „Jupp! Jupp! Jupp!“ im Ohr.
Themen dieses Artikels