Der Gehörlosen-Fanclub „Red Deaf“ hat in den vergangenen Monaten Gebärden für die Spielerinnen und Spieler des FC Bayern entwickelt. Künftig werden Manuel Neuer und Kollegen bei der Aufstellung in der Allianz Arena ganzheitlich präsentiert: Ein Doppelpass in der Stille des Raums. Ein Besuch bei den Dreharbeiten der Clips:
Tarek Buchmann muss aufpassen. Er führt die rechte Hand von der Schläfe aus langsam nach vorne, Daumen und Zeigefinger formen aus seinem Blickwinkel ein Dreieck. Es ist die Gebärde für „Mann“, die zweite Silbe seines Nachnamens. Der junge Bayern-Profi macht alles richtig, Micky Meincke vom „Red Deaf FC Bayern Fanclub“ ist zufrieden: Hätte Buchmann seine Hand nach unten absinken lassen, hätte er statt Mann „Depp“ gebärdet.
Micky Meincke, die Fanclub-Vorsitzende Martina Bechtold und Stefan Kösters achten heute in der Allianz Arena genau darauf, dass jede Gebärde sitzt. Es kommt auf Details an – siehe Tarek Buchmann, der ja kein „Buchdepp“ sein soll. In ihrem Fanclub haben die Gehörlosen über ein halbes Jahr für jeden FCB-Spieler und jedes Mitglied des Trainerteams eine eigene Geste entwickelt, dafür Spiele studiert und im Internet charakteristische Merkmale recherchiert. Dann wurde das Projekt über Kim Krämer, den Behindertenfanbeauftragten des Clubs, ins Rollen gebracht – und nun sind sie beim Drehen der Videoclips dabei, die künftig Thomas Müller und Kollegen beim Verlesen der Mannschaftsaufstellung in der Allianz Arena zeigen werden. „Es ist ein großer Moment für uns, schwer zu beschreiben“, lässt Martina Bechtold mittels des Gebärdensprachendolmetschers Daniel Rose übersetzen, und Stefan Kösters ergänzt: „Wir freuen uns so sehr, dass unsere Welten zusammenwachsen – wir fühlen uns immer mehr als echter Teil der FC Bayern-Familie. Es wäre ein Traum, wenn sich alle diese Gebärden merken würden.“
Die Spieler jedenfalls sind durch die Bank sofort angetan und bei der Sache: Einer nach dem anderen kommen sie ins TV-Studio, und immer wieder bleiben sie nach ihrer Aufnahme als Zuschauer dabei: Joshua Kimmich ist neugierig, wie Serge Gnabry gebärdet wird, Thomas Müller erzählt Leon Goretzka, dass die Kimmich-Geste eine hochgezogene Augenbraue bedeutet, weil den Mittelfeldmann sein Mienenspiel charakterisiert. In einer Drehpause wird Thomas Tuchel interviewt. Er finde die Aktion extrem wichtig, sagt der Trainer, es sei darüber hinaus schön, dass sie aus der Mitte der Fans kommt. „Das entspricht ganz dem Denken von Uli Hoeneß, wofür der FC Bayern steht: dass zu diesem Verein alle gehören, dass der Club seiner integrativen Rolle in unserer Gesellschaft immer wieder gerecht wird und dass sich hier niemand ausgeschlossen fühlt.“ Manuel Neuer empfindet es „als eine Ehre, dass sich Fans Gebärden für uns ausgedacht haben – wir sind sehr stolz auf sie“.
Die Spieler gebärden an diesem Tag nicht nur ihre eigenen Namen, sondern auch die internationale Geste für Bayern München sowie die Gebärden, die der Fanclub für „Mia san mia“ und die clubübergreifende Initiative „Rot gegen Rassismus“, die sich auch für das Thema Inklusion einsetzt, entwickelt hat. Bei „Bayern“ kreist die rechte Hand im Uhrzeigersinn zunächst wie eine Löwenkralle über der Mitte der Brust, ehe sie dann für „München“ rechts seitlich vom Kopf angehoben wird, um eine Kuppe der Frauenkirche darzustellen. Bei „Mia san mia“ kreist man ineinander verschränkte Hände vor der Brust, um das Miteinander des Clubs zu symbolisieren. Für „Rot gegen Rassismus“ zieht man am Ende eine imaginäre Rote Karte aus der Tasche. „Ich finde es cool und total interessant, solche Gebärden zu lernen“, sagt Jamal Musiala, „jetzt weiß ich schon wieder einiges mehr, was ich vor zehn Minuten noch nicht wusste.“
Nach vielen Stunden zieht das Trio von „Red Deaf“ zufrieden Fazit. „Ich dachte, es wird schwerer für die Spieler, man muss ja auf viele Nuancen achten“, sagt Micky. „Konrad Laimer fand ich persönlich heute am lustigsten, ein super Typ.“ Micky hatte als Kind Uli Hoeneß mal ein Bild gemalt, und als der damalige Manager umgehend mit einem netten Brief geantwortet hatte, wurde er endgültig zum FCB-Fan. „Ich bin heute sehr stolz, Fan des FC Bayern zu sein“, sagt Stefan, „dieser Verein ist wirklich eine Familie.“ Martina gebärdet an seiner Seite mit einem glücklichen Lächeln: „Mia san mia!“
Fotos: Dominik Gigler.
Den gesamten Text gibt es im FC Bayern Mitgliedermagazin „51“.
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