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Franz Beckenbauer FC Bayern Dynamo Dresden

Als Bayern beim ersten Ost-West-Duell triumphierte

West-Meister gegen den Ost-Meister – das Duell der Systeme neben und ein großartiger fußballerischer Schlagabtausch auf dem Platz: Auf den Tag genau vor 50 Jahren setzte sich der FC Bayern nach Hin- und Rückspiel gegen Dynamo Dresden im Achtelfinale des Europapokals der Landesmeister durch – im ersten deutsch-deutschen Duell der Europapokalgeschichte.

Willhelm Neuendecker Sepp Maier
Präsident Neuendecker (l.) ahnte vor Anpfiff wohl noch nicht, dass sich Sepp Maiers Siegprämie gegen Dresden noch erhöhen würde.

Schon bei der Auslosung der Begegnung stand fest, dass es um mehr als nur ein Fußballspiel gehen würde. Unter der sogenannten „Aktion Vorstoß“ liefen im Osten die Vorbereitungen im Ministerium für Staatssicherheit (MfS) auf Hochtouren. Öffentliche Sympathiebekundungen von DDR-Bürgern für den „Klassenfeind“ sollten unterbunden werden, weshalb die rund 1.000 Dresdner Schlachtenbummler für das Hinspiel im Münchner Olympiastadion am 24. Oktober 1973 persönlich ausgewählt wurden. Wer beispielsweise Westverwandtschaft hatte, durfte nicht mitreisen. Und auch sonst sollten Kontakte mit Westdeutschen vermieden werden: Unter der Bewachung von Stasi-Leuten und einer Vielzahl von inoffiziellen Mitarbeitern (IM) kam der Dresdner Anhang erst am Spieltag mit zwei Sonderzügen am Münchner Hauptbahnhof an. Nach einem gemeinsamen Mittagessen ging es geschlossen ins Stadion.

Die Siegprämie wird erhöht – noch während der Halbzeitpause

Die Dresdner Mannschaft hatte dagegen schon am Vortag, abgeschirmt von MfS-Mitarbeitern, Quartier in der bayerischen Landeshauptstadt genommen. Auf Seiten der Gastgeber hielt sich die Furcht vor den Ankömmlingen aus dem Nachbarland aber in Grenzen. „Die Dynamo-Elf ist kein Gegner. Wenn wir durch sie rausfliegen, wandere ich in die Zone aus“, tönte der damalige Bayern-Manager Robert Schwan – das sollte sich rächen. Trotz der Münchner Tore durch Willi Hoffmann (17. Minute) und Bernd Dürnberger (26.) führte Dresden nach Treffern von Rainer Sachse (13./34.) sowie Gert Heidler (42.) zur Pause mit 3:2. Selbstverständlich war der damalige FCB-Präsident Wilhelm Neudecker an seinem 60. Geburtstag von diesem Zwischenstand überhaupt nicht angetan und erhöhte die Siegprämie noch in der Halbzeit auf 12.000 DM. Die Maßnahme zeigte Wirkung. Bayern wendete das Blatt und gewann nach Toren von „Bulle“ Roth (71.) und Gerd Müller (83.) noch mit 4:3.

Jubel FC Bayern Dresden
Nach dem späten 4:3-Siegtreffer im Hinspiel gegen Dresden jubelten die Bayern erleichtert.

Das Ergebnis war jedoch alles andere als eine gute Ausgangslage für das Rückspiel am 7. November, weshalb die Münchner nun auch mit harten Bandagen kämpften. Aus Angst, bespitzelt zu werden oder schlimmstenfalls sogar etwas ins Essen gemischt zu bekommen, übernachtete die Mannschaft nicht wie vorgeschrieben vor Europapokalpartien vor Ort, sondern kurzerhand im 180 Kilometer entfernten oberfränkischen Hof auf BRD-Gebiet. Als Grund, nicht das eigentlich vorgesehene Mannschaftshotel „Newa“ am Spielort zu beziehen, wurden „Akklimatisationsprobleme der Mannschaft, die sich aus dem Höhenunterschied zwischen München und Dresden ergeben“, genannt.

Verwanzte Besprechungsräume

Diese Ausrede sei „sehr ungeschickt“ gewählt worden, gestand Uli Hoeneß Jahre später ein. Allerdings war auch eine Warnung des damaligen FCB-Angreifers, dass zuvor bei einem UEFA-Jugendturnier in Leipzig 1969 Durchfallerkrankungen bei einigen Westmannschaften aufgetreten seien, Hintergrund für die Vorsichtsmaßnahme: „Es gab die Vermutung, dass etwas ins Essen getan wurde, die Zimmer, auch Besprechungsräume, abgehört wurden“, erklärte Hoeneß weiter. Ganz unbegründet war die Sorge offensichtlich nicht: Als die Bayern am Nachmittag vor dem Spiel doch noch ihre vorgegebene Unterkunft bezogen, um die Mannschaftsbesprechung abzuhalten, hatte der MfS die Räumlichkeiten verwanzt und erfuhr so einige Interna vor Anpfiff.

Hotel Newa Dresden Fans
Vor dem Hotel „Newa“ in Dresden warteten die Fans umsonst auf die Ankunft der Bayern.

Auch die Umgebung des Stadions hatten die Stasi-Leute nach ihren Vorstellungen gestaltet. Unliebsame Anwohner wurden für den Zeitraum rund um das Spiel in Hotels einquartiert, die Zuschauer im Stadion waren größtenteils handverlesen. Neben den gut 8.500 Dauerkarteninhabern gingen nur etwa 8.000 Tickets in den freien Verkauf, die restlichen der insgesamt rund 35.500 Plätze waren für teilweise verdeckt arbeitende Sicherheitskräfte, linientreue Bürger und Mitglieder des Partei- und Staatsapparats reserviert. Und natürlich wurden auch die 1.600 in einem Sonderzug und mehreren Bussen angereisten Gäste-Anhänger vor dem Betreten der Spielstätte strikt von der Außenwelt abgeschottet.

Bayern führt früh

Uli Hoeneß und Gerd Müller

Einfluss auf das Geschehen auf dem Rasen hatten diese Aktionen allerdings nicht: Keine Viertelstunde war gespielt, da hatte ausgerechnet Hoeneß (10./12.) die Roten per Doppelpack mit 2:0 in Führung geschossen. Doch die Dynamos steckten nicht auf und drehten die Partie durch Tore von Siegmar Wätzlich (42.), Hartmut Schade (52.) und Reinhard Häfner (56.) noch einmal. Allerdings währte die Hoffnung der Sachsen aufs Weiterkommen nicht lange – nur zwei Minuten nach dem Dresdner 3:2 traf Müller (58.) zum Ausgleich. Die Bayern brachten das Unentschieden über die Zeit und zogen ins Viertelfinale ein. Der hart erkämpfte Erfolg gab dem Team des damaligen Trainers Udo Lattek Rückenwind: Ein gutes halbes Jahr später gewann der FCB durch ein 4:0 im Wiederholungsspiel gegen Atlético Madrid als erste deutsche Mannschaft den Europapokal der Landesmeister.

„Bulle“ Roth ebnete im Mai 1974 den Weg zum ersten Sieg im Landesmeisterwettbewerb:

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