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Richard Kitzbichler vom FC Bayern Campus

Made in Bayern - Richard Kitzbichler und die Leihspieler des FC Bayern

Als Antwort auf die stetig steigenden Transfersummen hat der FC Bayern im Sommer 2017 seinen Campus eröffnet. Seitdem wurde das Gütesiegel „made in Bayern“ konsequent weiterentwickelt. Talente wie Jamal Musiala, Aleks Pavlović oder Josip Stanišić sind bei den Profis etabliert. Zudem hat der Club sein Leihsystem neu strukturiert – und Richard Kitzbichler ist permanent an der Seite der jungen Spieler.

Die Reise nach Wien fiel ins Wasser, buchstäblich: Starkregen, Ausnahmezustand in Österreich. Aber Stationen gab es auch so genug: Freitagabend im Grünwalder Stadion bei den Talenten der FC Bayern Amateure (2:2 gegen Aubstadt), Mittwoch ein Besuch beim Training des SSV Ulm mit Maurice Krattenmacher, dann bei Augsburg gegen Mainz wegen Armindo Sieb und Gabriel Vidović, am Sonntag beim Spiel von Sturm Graz, um Lovro Zvonarek zu sehen – und schließlich wurde das ausgefallene Spiel von Graz bei Austria Wien mit Matteo Pérez Vinlöf für Mittwoch angesetzt. Richard Kitzbichler, an der Schnittstelle zwischen Lizenzbereich und Campus für Top-Talententwicklung und Leihspielerbetreuung zuständig, kommt rum. Beim 9:2 zum Start in die Champions League gegen Dinamo Zagreb saß er auch in der Allianz Arena auf der Tribüne – und ein paar Stunden zuvor beim 2:1 der U19 in der Youth League am Campus.

Wir haben uns 2017 die Frage gestellt, wie wir die Durchlässigkeit zur ersten Mannschaft wieder verbessern, und das nachhaltig. Es gibt zwar Beispiele wie Bastian Schweinsteiger oder Thomas Müller, aber Philipp Lahm, Toni Kroos, David Alaba haben alle einen Umweg genommen. Wir mussten uns breiter aufstellen, um den nächsten Schritt anzubieten.

Jochen Sauer, Direktor Nachwuchsentwicklung & Campus

Alles begann mit der Eröffnung des FC Bayern Campus im Sommer 2017 – und mit Jochen Sauer, bei dem als Direktor Nachwuchsentwicklung & Campus die Fäden zusammenlaufen und der sich eng mit Sportvorstand Max Eberl und Sportdirektor Christoph Freund abstimmt. „Wir haben uns 2017 die Frage gestellt, wie wir die Durchlässigkeit zur ersten Mannschaft wieder verbessern, und das nachhaltig“, erzählt er. Es sei allen klar gewesen, dass es nicht jedes Talent direkt schafft, daher mussten Strukturen aufgebaut werden, um die Nachwuchsspieler so zu fördern, dass sie eine möglichst hohe Chance bekommen, Profi zu werden – idealerweise beim FC Bayern. Es gibt zwar Beispiele wie Bastian Schweinsteiger oder Thomas Müller, so Sauer, „aber Philipp Lahm, Toni Kroos, David Alaba haben alle einen Umweg genommen. Wir mussten uns breiter aufstellen, um den nächsten Schritt anzubieten.“ Fans haben oft die romantische Vorstellung, ein Spieler X geht von der U11 durch und wird ein Thomas Müller, der irgendwann bei 710 Spielen für den FC Bayern steht – das ist aber nicht realistisch. „Nur einer von 50 oder sogar einer von 100 wird wie ein Thomas Müller“, sagt Sauer, „da sind Leihmodelle ein logisches Modul.“

Richard Kitzbichler im Portrait.

Arbeitsplatz Autobahn: Kitzbichler ist ständig unterwegs, um Kontakt mit unseren Talenten zu halten.

Schon ab der U15 skizzieren die Verantwortlichen den Talenten mögliche Karrierewege, auch die Option einer Leihe wird offen und transparent erörtert. In der entsprechenden Entwicklungsstufe hat der FC Bayern inzwischen im Schnitt rund 20 bis 25 Talente, „einen Riesenpool, bei dem wir überzeugt sind, dass sie die Chance haben, Profi zu werden“, schildert Sauer. Über die Jahre wurde ein Netzwerk mit Clubs aufgebaut, die mehrere Leistungsstufen anbieten. „Wir suchen uns Vereine, die bewiesen haben, dass sie Talente entwickeln können“, erklärt der Campus-Leiter, „Einsatzminuten sind die Währung, die Spieler bei diesem Karriereschritt weiterbringt, und das bei einem adäquaten Level und einer entsprechenden Konkurrenzsituation.“

Ganz generell ist der FC Bayern bei seinem Konzept sehr breit aufgestellt, erklärt Christoph Freund, „denn man muss ja da auch die verschiedenen Charaktere und Situationen berücksichtigen: Zum einen wollen wir Talente von unserem Campus auf ihrem Weg eng begleiten, zum anderen haben wir Spieler wie Alex Nübel, Frans Krätzig oder Bryan Zaragoza, die bereits bei den Profis Fuß gefasst haben und über den einen oder anderen Zwischenschritt noch reifen sollen. Bei Josip Stanišić hat das super funktioniert.“ Das beste Beispiel für Leihmodelle schießt bei den Münchner Profis und der britischen Nationalmannschaft Tor um Tor: Harry Kane wurde zu Beginn seiner Karriere fünfmal an andere Clubs abgegeben, um dort Spielpraxis zu sammeln.

Richard Kitzbichler arbeitet mit seinem Handy.

Kitzbichler analysiert in jeder Partie eine Vielzahl von Statisitiken über die Leihspieler des FC Bayern.

Am FC Bayern Campus geht es darum, „unsere jungen Spieler zu prägen, ihnen das Bayern-Gefühl zu vermitteln, die Kultur, worauf es ankommt, beim FC Bayern Fußball zu spielen, unser Mia san mia“, sagt Sauer. Dann geht es in die nächste Phase, und jeder Spieler, der nach einer Leihe zurückkehrt, „ist erwachsener geworden“. Frans Krätzig zum Beispiel: „Er stieß mit 14 aus Nürnberg zum Campus, hat sich hier sechs Jahre entwickelt, aber dann hat er bei Austria Wien – einem Traditionsverein mit Fans mit hoher Erwartungshaltung – Dinge gelernt, die wir ihm hier so nicht vermitteln konnten.“ Wichtig ist dabei: Kontaktmann Richard Kitzbichler, „Kitzi“, wie ihn Jochen Sauer aus gemeinsamen Zeiten bei Salzburg nennt: „Er hat viel erlebt in seiner eigenen Spielerzeit, ist ein sehr sozialer, offener, positiver Typ. Er versteht die jungen Spieler.“

Talente sollen Zugehörigkeit spüren

Von Portugal, wo der Japaner Taichi Fukui beim FC Arouca spielt, über Heidenheim mit Paul Wanner oder Robert Deziel Jr. und Luka Parkadze in der Regionalliga beim VSG Altglienicke bis zu Gibson Nana Adu und Maximilian Hennig in der Nachbarschaft bei der SpVgg Unterhaching in der 3. Liga: Kitzbichler schaut regelmäßig vorbei. „Es ist uns wichtig, dass wir uns als FC Bayern bei den jungen Spielern zeigen“, sagt er, „sie sollen spüren, dass der Club hinter ihnen steht, dass uns ihre Entwicklung viel wert ist. Sie sollen wissen: Sie sind Spieler des FC Bayern – auch wenn sie gerade ausgeliehen sind.“ Das Ziel sei, „dass alle unsere Talente am Ende eine klare FC Bayern-Zugehörigkeit haben, dass jeder weiß: Sie kommen vom Campus, das ist ein Begriff, auch international – made in Bayern!“

Die Merkur Arena in Graz

In Graz verfolgt Kitzbichler der Derby gegen Wolfsberg, das Sturm mit 0:3 verliert.

Richard Kitzbichler, geboren in Wörgl in Tirol, aufgewachsen in Niederndorf („einen Kilometer von der deutschen Grenze weg, einmal über den Inn, da kommt Basti Schweinsteiger her“), kam mit 14 Jahren ins Internat des FC Innsbruck, machte dort nebenbei die Matura (Abitur in Österreich) und startete dann in eine abwechslungsreiche Profikarriere. „Ich kenne das alles, was unsere Jungs heute so mitmachen“, erzählt er. Er wurde verliehen, verkauft, ab und an unterschätzt, aber auch immer wieder gefördert. Salzburg wurde seine fußballerische Heimat, dort kickte er einst an der Seite von Christoph Freund, er spielte beim Hamburger SV, in Wien, in Melbourne in Australien und für Österreichs Nationalmannschaft. „Ich war immer der Kleinste, vom Körperlichen her“, erinnert sich der 49-Jährige, „mit 18 habe ich erst das erste Mal von Beginn gespielt, ich habe mich durch den ganzen Nachwuchs gekämpft, immer als Joker, immer Tore gemacht und so den Sprung geschafft.“ Da weiß einer, worauf es ankommt: Biss.

Ich war immer der Kleinste, vom Körperlichen her. Mit 18 habe ich erst das erste Mal von Beginn gespielt, ich habe mich durch den ganzen Nachwuchs gekämpft, immer als Joker, immer Tore gemacht und so den Sprung geschafft.

Richard Kitzbichler über seine Anfangsjahre als Fußballer

Vor dem Spiel der Amateure gegen Aubstadt startet Kitzbichler sein Ritual: 30 Minuten vor Anpfiff gibt es noch eine Leberkässemmel, die immer liebevoll hergerichtet ist, wie er dankbar erzählt. Er hat während seiner Spielerzeit in Melbourne geheiratet; seit er als Co-Trainer von Roger Schmidt einst in Peking gewesen ist, essen seine Frau und seine drei Kinder noch heute ab und zu mit Stäbchen – aber Heimat und Bodenständigkeit sind eben zentrale Werte, für ihn wie für den FC Bayern. Vor dem Anpfiff bezieht er seinen Posten, ganz oben unterm Dach in einer der Reporterboxen, mit einem Tablet, auf dem die Aufstellung, Spielszenen und alles, was ihm auffällt, festgehalten werden. Die Betreuung der Talente in der Ferne macht den Großteil seines Jobprofils aus, aber unter der Woche ist er regelmäßig auch bei den Trainingseinheiten am Campus und natürlich den Spielen im Grünwalder. Als die Amateure nach einem turbulenten Spielverlauf in der Nachspielzeit das 2:2 erzielen, ballt er die Fäuste, jubelt kurz – dann macht er sich Notizen. Nach dem Spiel schaut er in der Kabine vorbei, Fazit: „Moral bewiesen und sich belohnt.“

Richard Kitzbichler im Grünwalder Stadion bei einem Spiel der FC Bayern Amateure

Auch bei den FC Bayern Amateuren im Grünwalder Stadion ist Kitzbichler oft zu Gast.

Mit einer starken Moral, Leidenschaft und Mentalität hat man schon mal beste Voraussetzungen, neben sportlichen Qualitäten als unabdingbare Basis, um sich durchzusetzen, sagt Kitzbichler. „Wenn man Interviews der Größten betrachtet, ob das früher ein Franz Beckenbauer war oder heute ein Cristiano Ronaldo, bekommst du immer eines zu hören: Du musst mehr machen als die anderen.“ Kitzbichler erinnert sich noch gut, wie er Aleks Pavlović im vergangenen Sommer gesehen hat, als er in der Regionalliga bei einem mäßigeren Spiel in Burghausen ausgewechselt wurde. „Aber er hat immer extrem an sich gearbeitet – und jetzt ist er bei den Profis, deutscher Nationalspieler mit einem Marktwert von 30 Millionen Euro.“

Beim Kaffee einfach mal reinhorchen

Jede Einheit zählt. Darum ist es Kitzbichler auch so wichtig, beim Training vorbeizuschauen – am Campus wie in der Ferne. „Wie präsentieren sich die Burschen im Alltag, wie ist ihre Körpersprache? Wie verhalten sie sich in der Gruppe, wie reagieren sie auf Rückschläge? Die Antworten ergeben das große Ganze“, schildert er. In Ulm trifft er sich mit Maurice Krattenmacher auf einen Kaffee, entspannt, einfach mal reinhorchen. Der 19-Jährige ist ein gutes Beispiel für die unterschiedlichsten Konstellationen, erläutert Sauer: Er wechselte von der Jugend des FC Bayern nach Unterhaching, um in der 3. Liga den nächsten Schritt zu machen. „Aber wir haben ihn immer auf dem Schirm behalten, und als wir mit unserem Partnerverein Ulm eine Option hatten, ihm einen Weg bei uns zu zeigen, haben wir ihn verpflichtet und im nächsten Schritt verliehen. Er bringt alles mit und wird sich weiterentwickeln.“ 

Richard Kitzbichler und Lovro Zvonarek nach einer Partie von Sturm Graz

Der intensive Austausch mit den Leihspielern - hier Lovro Zvonarek - ist wichtiger Bestandteil der Arbeit von Richard Kitzbichler.

Generell geht es auch um Feingefühl: „Kitzi“ schreibt WhatsApp-Nachrichten oder via Instagram, nicht zu viel, immer wohltemperiert, und in persönlichen Gesprächen teilt er gern seine Erfahrungen: „Bei mir war es auf jeder Station so, dass ich mich nach drei Monaten zu Hause gefühlt habe.“ Sauer ergänzt: „Unsere Spieler sollen wissen, dass sie in jeder Situation nicht nur zu dem Verein kommen können, bei dem sie gerade sind – sondern auch zu uns. Sie wissen alle: Der FC Bayern ist immer um sie herum.“

Wenn man die Jahrgänge 1999 bis 2006 betrachtet (die Spieler vom Jahrgang 1999 waren die ersten, die am Campus ausgebildet wurden, der Jahrgang 2006 stellt die heutige U19-Generation), kommt man auf 29 Pflichtspieldebüts beim FC Bayern, etwa Joshua Zirkzee, Wanner oder Krätzig, und wie einst Alaba wechselte beispielsweise auch Musiala mit 16 zum deutschen Rekordmeister, ehe er durchstartete. Bei den Jahrgängen 1999 bis 2003 kommt der FC Bayern auf eine Quote von 39 Prozent, was die Ausbildung für den generellen Profibereich betrifft. „Mehr als ein Drittel unserer ausgebildeten Talente schafft es ins Profilager“, erklärt Sauer, „wir garantieren beim FC Bayern eine hohe Chance, Profi zu werden.“

Unsere Spieler sollen wissen, dass sie in jeder Situation nicht nur zu dem Verein kommen können, bei dem sie gerade sind – sondern auch zu uns. Sie wissen alle: Der FC Bayern ist immer um sie herum.

Jochen Sauer, Direktor Nachwuchsentwicklung & Campus

Leihen haben für Sauer dabei stets in erster Linie keinen wirtschaftlichen, sondern immer einen sportlichen Hintergrund. Es sei zwar ein wichtiger Effekt, dass man bei einer Trennung auch Transfererlöse erziele, „denn die Förderung unserer Talente kostet uns natürlich auch Geld, und die aufnehmenden Vereine bekommen ja top ausgebildete Spieler. Aber wir wollen Profis für den FC Bayern – und wir wollen auf dem Weg dahin niemanden verlieren.“ Also macht sich „Kitzi“ Woche für Woche auf Reisen. Höchstens Hochwasser bremst ihn aus, und auch das nur einen Tag.

©️ Bilder: Jonas Nefzger

Die Oktober-Ausgabe des Clubmagazins 51:

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